Ökowende: Es wirkt

Seite 4: Batterien überbrücken Flauten

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Längere Stromflauten könnten bald Redox-Flow- oder Flüssigbatterien überbrücken – oder sogar Betonkugeln am Meeresboden. Sie sind hohl, der Druck in bis zu 700 Metern Tiefe presst Wasser hinein, das eine Turbine antreibt. Überschüssiger Strom, etwa aus einem Offshore-Windpark, pumpt sie wieder leer. Im Bodensee testete kürzlich das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik eine derartige Kugel mit drei Metern Durchmesser in 100 Metern Tiefe – mit Erfolg. Für sinnvoll halten die Entwickler zehnfach größere Kugeln, die pro Stück 20000 Kilowattstunden speichern könnten.

Fehlt Energie aus Wind und Sonne über Wochen oder gar Monate, soll Power-to-Gas die Lücke füllen. Grüner Strom würde per Elektrolyse Wasserstoff oder Methan erzeugen. Bundesweit nutzen mehr als 20 Projekte diese Speichervariante, der überwiegende Teil der Pilotanlagen läuft bereits. Noch muss ihr Preis sinken. Aber es ist wahrscheinlich, dass Power-to-Gas deutlich vor Mitte des Jahrhunderts eine Schlüsselrolle für die Energiewende spielen wird – und damit viel früher als ursprünglich prognostiziert.

Viele Länder beobachten, wie Deutschland diese Umstellung gelingt. Insbesondere China dürfte genau hinschauen, denn dort kündigen sich die deutschen Probleme bereits an: Das Stromnetz hat mit dem massiven Ausbau der Erneuerbaren nicht Schritt gehalten. Ganze Solarparks in den Wüstenregionen im Westen Chinas stehen nutzlos in der Gegend, weil der Netzanschluss fehlt. 2016 sanken daher die chinesischen Investitionen in Erneuerbare, so eine Studie von Bloomberg New Energy Finance. "Die Regierung konzentriert sich stattdessen darauf, mehr Geld in die Netze zu stecken und den Energiemarkt zu reformieren", sagt Bloomberg-Experte Justin Wu.

Zusätzlich eröffnet China dieses Jahr seinen nationalen Emissionshandel und schafft damit den größten CO2-Markt der Welt. Viele Energieökonomen halten dies für den richtigen Schritt. Denn er kann die gewaltigen Geldsummen bereitstellen, die für die Umstellung des Energiesystems nötig sind. "Der Emissionshandel ist der Dreh- und Angelpunkt der Klimapolitik", sagt UFZ-Ökonom Gawel. Wenn der Ausstoß einer Tonne CO2 nicht mehr wenige Euro wie heute, sondern mehr als 20 Euro kostet, werden nicht nur Solar- und Windstrom konkurrenzlos günstig. Auch für Stromspeicher, Energiesparmaßnahmen, alternative Antriebe in Luftfahrt, Schiffs- und Autoverkehr würde die wirtschaftliche Bilanz deutlich besser aussehen. Auch die EU will daher ernst machen und ab 2021 die Emissionsrechte so stark verknappen, dass die Preise für CO2-Zertifikate spürbar steigen.

Natürlich kann die Entwicklung noch immer kippen. Aber viele Investoren scheinen davon nicht mehr auszugehen. Immer mehr große Unternehmen ziehen ihre Investitionen aus klimaschädlichen Projekten ab. Begonnen hatte das sogenannte Divestment mit einzelnen Trägerfonds amerikanischer Universitäten wie Stanford und Harvard. Seit 2012 steigt die Zahl der Divestment-Freunde, mittlerweile gehören weltweit knapp 700 Institutionen und mehr als 58000 Privatpersonen dazu. Mit dabei sind finanzstarke Investoren wie der Norwegische Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften wie AXA und Allianz oder auch die Rockefeller-Stiftung. Insgesamt verfügen sie über ein Kapital von etwa 5500 Milliarden Dollar. In Deutschland mag man bisweilen das Gefühl haben, den Herbst der Energiewende zu erleben – weltweit steht der Frühling gerade erst bevor.

(bsc)