Quer gedacht: Wie bei Audi der Fünfzylinder zurückkam

Seite 2: Evolution in Aluminium

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2016 startete der Fünfzylinder als EA 855 "Evo" mit grundsätzlichen Überarbeitungen neu durch. Wie beim Sport quattro damals fertigte Audi das Motorgehäuse nun aus Aluminium. Zusammen mit anderen Gewichtsreduktionen wie etwa einer Ölwanne aus Magnesium sank das Motorgewicht insgesamt um 26 kg gegenüber dem Vorgänger mit dem Graugussblock – leicht kompensiert durch den aufgrund der neuen Abgasregeln nötigen Partikelfilter.

Audi variiert im Ventiltrieb nicht nur den Hub des Auslassventils, sondern schaltet zusätzlich zwischen zwei Nockenprofilen per Bolzen um (Honda-Fahrer horchen auf). Mit Crack-Pleueln, elektrischer, steuerbarer Kühlmittelpumpe (fördert auch bei stehender Kurbelwelle), Zylinderlaufbahnen aus hauchdünn plasmagespritztem Stahl und einer marktselektiv fein austarierten Kombination aus Direkt- und Saugrohreinspritzung schaffte Audi hier einen bemerkenswerten Spagat zwischen regulativen Umweltanforderungen und Hochleistung, der obendrein einen ganz eigenen Charakter zeigt.

Audi RS3 (3 Bilder)

Der RS3 zeigt, was die aktuelle Kombination von quattro mit Turbo-Fünfzylinder kann.

(Bild: Audi)

Am beeindruckendsten demonstriert das der neue Audi RS3, bei dem eine Mitfahrt neben einem Rennfahrer auf einer abgesperrten Rallye-Etappe winkte. Mit 400 PS und 500 Nm Drehmoment markiert dessen Motor die aktuelle Spitze des Angebots. Das überarbeitete Chassis lässt ihn glänzen. Das neue voll steuerbare Hinterachsdifferenzial mit Torque Vectoring beeindruckt. War man beim Vorgänger-RS3 noch (Stig forbid!) versucht, das eigenwillige Fahrzeug zu zwingen, fährt der aktuelle RS3 herrlich neutral oder (Drehrädchen) lustig, aber einige Zehntel der Freude opfernd übersteuernd. Erinnerungen an Toyotas wunderbaren GR Yaris werden wach, und das ist ein großes Kompliment. Kein Wunder, dass es Frank Stippler damit schaffte, für Audi den Kompaktklassen-Bestwert von 7 Minuten 40,7 Sekunden auf der Nordschleife zu fahren.

Im öffentlichen Straßenverkehr dagegen fahre ich erst das TT RS als Coupé, dann als Roadster (Cabrio), letzteres mit einer Schramme aus einem Missgeschick des vorher Fahrenden, die an die schwierigen, gefährlichen Strecken voller Steinschlag, Tiere und kurvenschneidender Lastwagen erinnert. Obwohl der Motor schon in der Mitte viel Fleisch liefert, dreht er herrlich freudig aus. Auf der gemütlicheren Fahrt zurück ins Hotel fahre ich mit offenem Dach, was der Motor mit einem vorher noch nicht bemerkten Geräusch belohnt, das die Felswände zurückwerfen: Beim Lastwechsel niest er, *tschieh!*, süß. Das fiel in der Kabine des Coupé mit Soundmodul und Klappengekasper gar nicht auf.

Audi TT RS Roadster (4 Bilder)

Ohne Dach ist vieles schöner. Der Fünfzylinder-Sound kommt echter an, weil die Soundmodule (an deren Kriminalisierung wir hart lobbyieren) nicht dominieren können.
(Bild: Audi)

Am Ende eines langen Tags im Zeichen der 5 ist klar, warum dieser Motor den Schreiberkollegen so gut gefiel: Er kann alles, auf seine eigene, herzige Art. Das Wichtigere am Markt jedoch: Es gibt keine anderen Reihen-Fünfer mehr. Fiat hat 2007 aufgehört. Alfa Romeo hielt bis 2010 durch. Volvo verabschiedete die auch in Fords RS-Modellen verbauten Fünfzylinder 2015, und Ford selber schickte 2019 still und leise den letzten Fünfzylinder-Diesel in Rente. Selbst bei den Exoten (es gab ja mal R5-Motoren von Honda und Land Rover) gibt es nichts mehr.

Wer heute einen Reihen-Fünfzylinder möchte, erhält ihn in der Serienfertigung neu nur von der Volkswagen AG. Ich konnte hier nicht "nur von Audi" schreiben, denn es gelang kürzlich ausgerechnet der Konzernmarke Seat das, woran selbst der VW Golf scheiterte: den Cupra Formentor gibt es mit quattro-Antrieb und Turbo-Fünfzylinder. Vielleicht hören wir also künftig doch wieder mehr Reihenfünfzylinder röhren.

(cgl)