"Sehr abgefahren, sehr spacig, sehr cool"

Ist der Blick vom All auf die Erde 30 Millionen Dollar wert? Auf jeden Fall, sagen fünf Space-Touristen, die TR befragt hat. Sie erzählen von aufregenden Raketenstarts, Suchaktionen in der Schwerelosigkeit und ihrer widerstrebenden Rückkehr auf die Erde.

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Lesezeit: 55 Min.
Von
  • Adam Fisher
Inhaltsverzeichnis

Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein hoch fliegendes Ziel: Vor gut zehn Jahren gründete der umtriebige Luftfahrt-Ingenieur Peter Diamandis das Unternehmen Space Adventures Ltd. mit 250.000 Dollar Startkapital und der gewagten Idee, Touristen ins All zu bringen. Doch nach drei Jahren Verhandlungen mit den russischen Behörden konnte der frühere NASA-Ingenieur und heutige Finanzier Dennis Tito 2001 als erster Tourist in einem Sojus-Raumschiff zur International Space Station (ISS) fliegen – auf dem dritten Platz neben Kommandeur und Techniker.

Tito und Space Adventures haben den Weltraum für alle geöffnet, die sich solche Vergnügungen leisten können. Der Preis für die Reise ins All liegt zwischen 20 und 35 Millionen Dollar. Eine handelbare Option auf spätere Flüge kostet fünf Million Dollar. Titos Beispiel sind inzwischen fünf weitere All-Touristen gefolgt.

Der erste war 2002 Mark Shuttleworth, ein junger Internet-Tycoon aus Südafrika, der sich mit der Entwicklung von Sicherheitszertifikaten für den Online-Handel einen Namen gemacht hat. Ihm folgte 2005 Greg Olsen, der mit der Entwicklung von Infrarot-Kameras für den Nahbereich Millionen machte. Ein Jahr später flog die erste Frau: Anousheh Ansari, eine iranisch-amerikanische Telekom-Unternehmerin. Vierter war 2007 der Software-Spezialist Charles Simonyi, der das Unternehmen Intentional Software leitet. Zuletzt reiste 2008 Richard Garriott, Sohn eines NASA-Astronauten, ins All. Er ist vor allem als sein Alter ego Lord British bekannt – ein Herrscher in der von ihm erschaffenen Online-Spielwelt Ultima.

Garriott: Ich bin in einem Astronauten-Haushalt aufgewachsen. Auch im Haus rechts neben unserem wohnte ein Astronaut, Joe Engle, und links wohnte Hoot Gibson, ebenfalls ein Astronaut. Im Haus hinter unserem wohnte noch ein Astronaut, und noch viele andere in dem Häuserblock. Ich wuchs also auf und glaubte, dass jeder in den Weltraum fliegt. Dann eröffnete mir ein NASA-Arzt, dass ich wegen meiner schlechten Augen nicht zum NASA-Astronautenprogramm zugelassen werden würde. Das machte mich kurz traurig. Aber dann wurde mir klar, dass ich dann eben über den Weg der Privatisierung in den Weltraum kommen würde, nicht mit Hilfe der Regierung.

Shuttleworth: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war ziemlich klar, dass das russische Weltraum-Programm in eine finanzielle Krise geraten war. Es gab Gerüchte, dass sie schon über private Flüge sprachen. Ich habe versucht, mit dem russischen Konsulat in Kapstadt Kontakt aufzunehmen, aber dabei kam nicht viel heraus.

Garriott: Ich hatte schon in private Raumfahrt investiert als ich anfing, Geld in der Computerspiele-Industrie zu verdienen. Ich war einer der ersten Investoren bei Space Adventures. Ich habe persönlich die Studie bezahlt, die klären sollte, ob private Reisen möglich wären und was sie kosten würden. Als die russische Weltraumbehörde dann einen Preis nannte, hatte ich das Geld schon zusammen und war bereit zu starten.

Shuttleworth: Wir flogen nach Moskau, hauptsächlich um Leute aus der Weltraum-Szene zu treffen – das medizinische Personal, die Militärs aus Star City [Standort des Gagarin Cosmonaut Training Center]. Dennis Tito war damals noch gar nicht geflogen.

Garriott: Wir haben alles so angelegt, dass ich der erste Zivilist im Weltraum sein würde. Leider kam dann der Dotcom-Crash, und als Hightech-Mensch hatte ich natürlich alles in Hightech angelegt. Ich war ruiniert.

Shuttleworth: Es gab kein Standard-Paket. Man musste mit den Leuten, die die Anzüge machen, verhandeln, mit den Medizinern, mit den Ausbildern, mit den Leuten, die das Raumschiff stellen, mit der Flugüberwachung und mit der Weltraum-Agentur als Ganzes.

Garriott: Wir haben meinen Platz letztlich an Dennis Tito verkauft. Ich musste erst wieder etwas aufbauen, um in den Weltraum zu kommen.

Olsen: Es war am 18. Juni 2003. Ich saß mit einem schönen großen Kaffee bei Starbucks und las die New York Times. Darin stand ein Artikel über Space Adventures. Und ich sagte mir: "Wow, das klingt so, als wäre es was für mich."

Simonyi: Es geht eigentlich ziemlich leicht: Man ruft bei Space Adventures an.

Olsen: Ich habe mich im Web über sie informiert, und als nächstes stand Eric Anderson [der Geschäftsführer von Space Adventures] vor meiner Tür. Wir haben uns gleich gut verstanden. Im Oktober brachten sie mich zu einem Start in [dem kasachischen Weltraum-Bahnhof] Baikonur. Ich traf ein paar Leute von der russischen Weltraum-Agentur. Ich besuchte Star City. Ich bin in einer Mig-29 mitgeflogen und all das. Diesen Teil gab es kostenlos. Er hat eine Menge Lust auf mehr gemacht. Danach sagte ich: "Ja, wow. Ich will das machen!"

Shuttleworth: Space Adventures hat sicher ein bisschen mit Kontakten geholfen, aber es irritiert mich etwas, wenn sie sagen, dass sie alles selbst ermöglicht haben.