"Sehr abgefahren, sehr spacig, sehr cool"

Seite 5: "Sehr abgefahren, sehr spacig, sehr cool"

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Nach knapp zwei Minuten hat die Sojus-Rakete auf 5400 Kilometer pro Stunde beschleunigt und die Triebwerke der ersten Brennstufe abgestoßen. Nach fünf Minuten und 170 Kilometern Flug fliegt die zweite Brennstufe weg. Siebeneinhalb Minuten nach dem Start beträgt die Fluggeschwindigkeit etwa 21.600 Kilometer pro Stunde. Nach neun Minuten schließlich ist dritte Brennstufe beendet, die Sojuskapsel trennt sich von der Trägerrakete und die Sonnensegel werden entfaltet. Dann schwenkt der Commander die Raumfähre auf Kurs zur ISS ein.

Olsen: Beim Start kamen wir auf etwa 3,5 g [g = Erdbeschleunigung]. Ich versuchte meinen Arm zu heben und es fühlte sich an, als hinge ein 5-Kilo-Gewicht daran.

Ansari: Der Druck war nicht übel. Zwischen der ersten und der zweiten Stufe war es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Dann ging es wieder los. Man bekommt einen Kick davon.

Olsen: Nach ungefähr acht Minuten hören die Beschleunigungskräfte auf und man weiß, dass man mit etwa 30.000 Kilometern pro Stunde unterwegs ist. Aber die Geschwindigkeit ist konstant, also spürt man nichts davon.

Shuttleworth: Ich erinnere mich daran, dass mir eine Reihe von recht vertrauten Geräuschen auffiel, nachdem die Haupttriebwerke abgeschaltet waren. Man hört mechanische Geräusche, wie Lüftung und Klimaanlage, und dann geht dies und jenes noch an. Es gibt Uhren und Ventilatoren und ein großes Ding, das "Globus" genannt wird. Es ist eine Kugel – im Prinzip die Karte für den Flug – und sie fängt an zu ticken wie eine Wanduhr. Man hat gerade die unglaubliche Erfahrung gemacht, in den Weltraum zu fliegen, und dann klingt plötzlich alles nach der Werkstatt eines alten Schweizer Uhrmachers.

Ansari: Das nächste, was ich mitbekam, war, dass dieser Stift anfing zu schweben. Das fühlte sich so verrückt an. Ich dachte: "Oh mein Gott, ich bin im Weltraum!"

Olsen: Wenn du schwerelos wirst, musst du ziemlich häufig pinkeln, weil es zu Flüssigkeitsverschiebungen im Körper kommt. Ich musste also ganz dringend und sagte zu mir: "Meine Güte, ich werde wohl die Windel verwenden müssen." Ich beugte mich zum Commander – er wirkt erst einmal wie ein strenger Russe, aber er ist schwer in Ordnung – und gab ihm einen Hinweis.

Simonyi: In der Kapsel stupst man sich zum Kommunizieren gegenseitig an, weil alle nach vorne schauen und man den Kopf kaum drehen kann. man kann die anderen Körper spüren – man ist sozusagen miteinander verbunden.

Olsen: Der Commander beugte sich herüber und sagte auf Englisch zu mir: "Keine Sorge, Greg Olsen, ich habe es schon getan." Als ich das hörte, ließ ich es einfach laufen.

Garriott: Man will sie eigentlich nicht benutzen, aber man lernt schnell sich darüber hinwegzusetzen und einfach das damit zu machen, wofür sie da ist.

Ansari: Es dauerte noch eine Weile, bis sie uns erlaubten, die Gurte abzunehmen und in der Kabine herumzuschweben.

Simonyi: Wenn man schwerelos ist und noch im Sitz, fühlt sich das interessant an, aber nicht besonders aufregend. Aber als ich sah, wie Oleg [der Flugtechniker] eine Luke über sich öffnete und einfach aus dem Sitz durch die Luke in den Wohnraum flog, war das schon faszinierend. Es gibt doch dieses berühmte Mittelalter-Bild zu Christi Auferstehung von Matthias Grünewald – ein herrliches Gemälde. Wie diese Leute wie Engel geschwebt sind, hat mich daran erinnert. Und dann macht man es selbst. Das ist fantastisch.

Garriott: Wenn du endlich aus dem All auf die Erde schauen kannst, ist das natürlich ein spektakulärer Anblick. Du weißt, dass du weit oben bist, denn der Weltraum ist schwarz und die Erdoberfläche gewölbt. Aber der Anblick, vor allem wenn du direkt nach unten auf die Erde schaust, ist nicht so anders als das, was man von einem Flugzeugfenster aus sieht.

Ansari: Sie warnen in den ersten paar Tagen dringend davor, aus dem Fenster zu schauen, vor allem auf die Erde.

Simonyi: Wir hatten einen Vorhang mit Klettverschluss vor dem Fenster. Einmal wollte ich einen Blick riskieren, aber der Commander stupste mich an, erhob seine Stimme und befahl mir damit aufzuhören. Die Sojus wird in eine konstante Rotation versetzt, damit die Solarpanels zur Sonne gerichtet sind. Wenn man während der Drehung auf die Erde schaut, kann einen das krank machen. Man kann sogar krank werden, wenn man nicht auf die Erde schaut. Das nennt sich "space adaptation syndrome". Und die Drehung verstärkt diese Wirkung. Während der ersten paar Umdrehungen sollten wir also nicht auf die Erde schauen.

Ansari: Man muss es wirklich langsam angehen, sich langsam bewegen, den Kopf langsam oder am besten gar nicht bewegen. Während des Starts habe ich mich großartig gefühlt, direkt nach dem Start auch. Dann war es Schlafenszeit, und wir haben unsere Schlafsäcke vorbereitet.

Olsen: Es ist so merkwürdig, dort zum ersten Mal zu schlafen. Ich konnte kaum einschlafen, weil ich so aufgeregt war. Es ist merkwürdig, und es ist ein gutes Gefühl.