"Sehr abgefahren, sehr spacig, sehr cool"

Seite 8: "Sehr abgefahren, sehr spacig, sehr cool"

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Shuttleworth: Der Körper will dringend ein Gefühl dafür, wo oben und wo unten ist. Aber dieses Konzept ist [da oben] bedeutungslos. Interessanterweise bekommt man irgendwann ein Gefühl dafür, in welcher Richtung die Erde liegt. Aber sich umdrehen zu können und dann in eine Art Brunnen zu tauchen – das Docking-Modul, das in Richtung Erde zeigt – war schon ziemlich radikal. Ich hatte ein gutes Verhältnis zur NASA, also gab es keine künstlichen Beschränkungen, wohin ich gehen durfte und wohin nicht. Das wäre auch merkwürdig gewesen.

Simonyi: Ich hatte eine Abmachung mit der NASA – ich durfte aus dem Weltraum Freunde anrufen. Fantastisch.

Olsen: Der Telefondienst ist eingeschränkt. Es kommt darauf an, wo man sich in Relation zu den Kommunikationssatelliten befindet. Im Durchschnitt hatten wir vielleicht zehn Minuten pro Stunde. Ich war mir der Kosmonauten bewusst, die seit sechs Monaten weg von zuhause sind. Meiner Ansicht nach hatten sie Priorität, und ich versuchte, ihnen viel Zeit zu lassen.

Simonyi: Das ist eine große Sache für die Astronauten und die Kosmonauten. Die russische Weltraumagentur hat dafür gesorgt, dass auch die Kosmonauten diese im Prinzip amerikanischen Hilfsmittel benutzen dürfen. Wir hatten einen Kopfhörer mit Mikrofon, der in einen normalen Computer gesteckt wird, ansonsten benutzt man Skype mit dem normalen Interface.

Olsen: Bei E-Mail will die NASA nur Post an Adressen durchlassen, die man vorher zur Genehmigung vorgelegt hat. Ich habe ihnen eine Liste mit etwa 100 Adressen gegeben.

Simonyi: Das Problem mit E-Mail ist – und das ist ein bisschen traurig –, dass sie von der NASA überprüft wird. Die machen sich Sorgen wegen Werbung. Einmal habe ich von der Station einen Blog-Eintrag losgeschickt, in dem stand: "Naja, der Champagner am Starttag war nicht so toll. Nächstes Mal bringe ich Dom Pérignon mit." Das werde ich machen, aber es sollte vor allem ein Witz sein. Ich habe nicht drüber nachgedacht, aber sie haben die Mail abgefangen. Das kommt mir so kleinlich vor, so unnötig. Würde Mr. Spock das auch so machen? Neue Welten und Zivilisationen erforschen und sich Sorgen darüber machen, ob jemand aus Versehen "Dom Pérignon" erwähnt? Also wirklich.

Für die Astronauten und Kosmonauten, die auf der ISS arbeiten, ist jede Minute jedes Tages an Bord verplant. Die Mahlzeiten sind deshalb fast die einzige Chance für die Weltraum-Touristen, mit den Profis wirklich in Kontakt zu kommen. Simonyi: Es gibt in der Station nur einen Platz zum Essen, im russischen Segment. Dort steht auch ein Heizgerät, ein Heizgerät für Lebensmittel. Ein Ofen, wenn man so will.

Garriott: Der Küchentisch ist voller Löffel, die wie Bäume darauf stehen. Sie haben doppelseitiges Klebeband auf dem Tisch befestigt. Man kann einfach das untere Ende des Löffels auf den Tisch drücken, und der Löffel bleibt kleben. Das ist einer der ersten Lerneffekte, den Raum in allen drei Dimensionen auszunutzen.

Garriott: Es ist sehr schwierig, sechs Leute an den kleinen Tisch zu kriegen. Mit vier oder fünfen in normaler Position ist eigentlich schon alles voll, die restlichen stehen dann über Kopf, mit der Decke als Boden.

Ansari: Das Abendessen war für mich immer die beste Zeit, weil tagsüber alle so beschäftigt sind. Es ist die einzige Chance, sich mal zusammenzusetzen – natürlich nicht wirklich zu sitzen, denn es gibt ja keine Stühle an Bord. Man schwebt also um den Tisch herum und unterhält sich. Über Werbung zum Beispiel: Was soll daran falsch sein? Ich weiß, dass vor allem die NASA strikt dagegen ist, und ich habe mit ein paar Leuten darüber diskutiert. "Also was wäre, wenn ich hier eine Dose Cola trinken würde?", fragte ich.

Olsen: Grundsätzlich ist das Essen etwa wie beim Camping. Aber die Shrimp-Cocktails von der NASA waren wirklich gut.

Shuttleworth: Wir haben uns mit dem Abendessen-Machen abgewechselt. Das war sehr schön.

Ansari: Wir hatten ein paar frische Tomaten und Früchte mitgebracht. Das wurde so eine Art Fest. An einem meiner ersten Abende bat mich der Commander, ihm das Brot zu geben, weil es in meiner Nähe war. Ich nahm das Brot und reichte es ihm. "Nein, im Weltall machen wir das nicht so. Sie müssen es werfen", sagte er. Ich sagte, ich hätte gelernt, nicht mit Essen zu werfen. Er antwortete: "Aber Sie sind hier nicht auf der Erde, sondern im All. Sie müssen es werfen. Sonst verderben Sie den ganzen Spaß!"

Garriott: Ich kann Ihnen verraten, dass ein beliebtes Gesprächsthema unter Astronauten, die im All leben und arbeiten, die Feinheiten im Umgang mit den lebenserhaltenden Systemen sind, vor allem mit den Toiletten. Die russische funktioniert tatsächlich am besten.

Olsen: Mein Arzt hat mich all diese Sachen gefragt: "Wir haben deinen Herzschlag, gibts irgendwelche Probleme?" Bla, bla, bla. Der dritte, der vierte Tag kam: "Warst du schon auf der Toilette, Greg?" Am fünften Tag: "Nein." Er sagte: "Mach Dir keine Sorgen. Der Weltrekord ist 14 Tage, und den wirst du niemals schlagen." Letztlich dauerte es bei mir sechs Tage.