"Sehr abgefahren, sehr spacig, sehr cool"

Seite 6: "Sehr abgefahren, sehr spacig, sehr cool"

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Simonyi: Ich habe geträumt, dass ich auf der Erde wäre – in Star City, beim Formulare ausfüllen, solches Zeug. Und dann weckte mich der Commander auf. Ich war etwas desorientiert. Wo bin ich? Oh, ich bin in einem Raumschiff, das die Erde umkreist.

Ansari: Nach dem Aufwachen dachte ich: "Oh, mein erster Morgen im All." Ich war so aufgeregt. Ich schwebte aus meinem Schlafsack. Flog herum, schaute aus dem Fenster. Von einem Fenster zum nächsten.

Garriott: Es ist fantastisch, sich bewegen zu können wie ein unglaublich guter Turner und nach einer Drehung vor einem Fenster zu landen, von dem aus man dann einen riesigen herrlichen Sonnenaufgang sehen kann.

Ansari: Dann fing die ganze Kapsel an, sich um meinen Kopf zu drehen. Ich wusste, dass ich etwas getan hatte, was ich nicht hätte tun sollen. Und dann ging es mir richtig schlecht.

Olsen: Das passiert ungefähr 40 Prozent der Leute, die ins All fliegen. Das hat nicht mit Machotum zu tun.

Ansari: Ich habe versucht, mir nichts anmerken zu lassen. Ich dachte: "Mein Gott, sie werden denken, ich bin dumm. Mein Erbrochenes wird durch die Kabine schweben." Ich schaffte es eine Tüte zu finden, bevor es zu schlimm wurde, also schwebte nur ein bisschen was herum. Aber wenn es schwebt, kann man es immerhin fangen. Ich konnte es mit einer Serviette einfangen und in eine Tüte stecken, bevor jemand etwas sah.

Zwei Tage nach dem Start erreicht die Sojus eine Erdumlaufbahn in 350 Kilometer Höhe und beginnt den vollautomatischen Andockvorgang an die ISS. Die Raumstation umkreist die Erde mit einer Geschwindigkeit von 28.000 Kilometern pro Stunde und benötigt für eine Umrundung anderthalb Stunden.

Simonyi: Langsam wird einem die Präsenz dieses unglaublichen Gebildes bewusst. Zuerst sieht es sehr klein aus. Dann erkennst du Details, mit einer einfachen Seh-Vorrichtung. Es ist auf gewisse Weise ein Periskop, aber man geht mit dem Auge nicht nah heran. Es ist eine Projektion auf Milchglas – das Bild sieht irgendwie sehr blass aus. Es hat klare Konturen, aber ist nicht sehr hell. Das Andocken geht völlig automatisch vor sich.

Olsen: Der Commander kann die Steuerung übernehmen, aber es läuft alles über Funksignale. Im Prinzip lässt man einen Funkstrahl am ISS abprallen. Dadurch lässt sich feststellen, wie weit man noch entfernt ist und mit welcher Geschwindigkeit die Sojus sich nähert.

Shuttleworth: Ich habe mich auf das Periskop konzentriert, denn damit kann man die Annäherung am besten sehen.

Simonyi: Das Instrument hätte im 19. Jahrhundert konstruiert werden kann. Nicht im 20., im 19.!

Shuttleworth: Das hat was von funktionalem Minimalismus. Es dürfte sehr schwer sein, es kaputtzubekommen.

Simonyi: In der letzten Phase zünden die Bremsraketen. Sie verringern die Geschwindigkeit nur minimal. Sie sind öfter aus als an, und das Feuer ist nur so ein weißer Blitz. Aber sie sind direkt neben den Seitenfenstern. Deshalb sieht man diesen weißen Blitz und kleine Blasen, Tröpfchen von unverbranntem Treibstoff, die irgendwo hinfliegen.

Garriott: Der Kegel zum Andocken ist so ausgelegt, dass man bis zu einem halben Meter danebenliegen kann und dann trotzdem in die richtige Position gelenkt wird.

Olsen: Unsere Luke ließ sich nicht öffnen. Unser Commander zog und zog. Am Ende haben wir es zusammen mit den Füßen versucht – "Eins, zwei, drei, hopp. Eins, zwei, drei – hopp." Die Luke saß fest. Ich dachte "das ganze Training und Geld, und jetzt geht die Tür nicht auf. Wir werden nach Hause fliegen müssen!". Dann, endlich, haben wir es geschafft.

Shuttleworth: Nach dem Andocken blickte ich aus meinem Fenster und sah plötzlich die Radiatoren [Kühlelemente] und Solarpanele der Station. Du hängst an diesem verflucht aufregenden Gebilde und es ist sehr dramatisch. Man dockt an mit der Sonne im Rücken, also ist es sehr, sehr deutlich zu erkennen, und alles in der Umgebung ist im Schatten. Das ist sehr abgefahren, sehr spacig und sehr cool.

Garriott: Es gibt da dieses schillernde, leicht orangefarbene Leuchten der Solarpanels, das auf Fotos einfach nicht zu sehen ist.

Auch an Bord der ISS gibt es Traditionen: Wenn neue Besatzungsmitglieder auf der ISS ankommen, wird eine Glocke geschlagen. Der Brauch geht auf den ersten ISS-Commander Robert Donald Cabana aus den USA zurück, der von der Marine kam und eine Schiffsglocke zur Station mitbrachte. Bei den Russen ist es üblich, bei der Ankunft Brot und Salz zu reichen.

Olsen: Bei uns machte das der Stations-Commander Sergei Krikalyow. Ich war ganz verschüchtert in seiner Nähe zu sein. Er sagte nur: "Wie geht's, Greg?" und gab mir eine dicke Umarmung.

Simonyi: Wir haben uns vorher rasiert und frische Raumanzüge angezogen.

Olsen: Nachdem wir angedockt, Hände geschüttelt und Hallo gesagt hatten, hatten wir etwa eine Stunde, in der wir uns einfach umschauen konnten.

Shuttleworth: Als ich oben war, gab es dort – je nachdem wie man zählt – fünf oder sechs Module. Jedes ist ungefähr so groß wie ein Wohnwagen, manche größer, manche kleiner. Die spannendsten Dinge liegen außerhalb der Hauptachse. Die geht vom russischen Wohnmodul durch das Lagermodul und das amerikanische Labor. An dem sind zwei weitere Module angebracht: das Andockmodul und etwas, das sie Eingangshalle nennen – die US-Luftschleuse.