Test BMW OS8: Infotainmentsystem setzt auf die Cloud

Seite 2: Probleme mit POI in Here Maps

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Das Navi funktioniert wie schon bei OS7 sehr gut und bei einigermaßen Netzabdeckung obendrein beeindruckend schnell. Eine nach Verkehr und Nachladung optimierte Route erscheint bei brauchbarer Server-Verbindung praktisch sofort nach der Zieleingabe. Etwas störend macht sich bei allen Kunden von Here Maps bemerkbar, dass Here die Positionen von Ladestationen offenbar als GPS-Koordinaten anfährt. Das führt dazu, dass die Anfahrten manchmal nicht stimmen.

Eine Ladestation, die an einem Parkplatz sehr nahe an einer Bundesstraße steht, will das Navi dann über die Bundesstraße anfahren, obwohl das nicht möglich ist. Richtig wäre der Weg über den Parkplatz der zugehörigen Adresse. Das sollte Here dringend verbessern. Ein einfacher Fix wäre bereits: auf der (oft schlecht kartografierten) Autobahn-Raststelle GPS-Koordinaten verwenden, sonst lieber die Anfahradresse. Das wäre dann sogar auf Fahrzeug-Hersteller-Seite als Filter möglich, wenn Here sich zu viel Zeit lässt. [Update:] Zulieferer Harman hat sich den konkreten POI angesehen, er ist in Here Maps mit einer falschen Zufahrt eingetragen. BMW-Techniker ist informiert. Kunden mit ähnlichen Problemen sollten so ein Verhalten also rückmelden, damit Here Maps diese Fehler korrigiert. Sie treten auch bei anderen Testern auf. [/Update]

Die Anzeigen von Navi, Sprachbällewolke und Unterhaltung verteilt BMW auf die zwei Bildschirme hinter der gebogenen Glasscheibe sowie das große HUD auf der Frontscheibe, wie in der Industrie üblich geworden. Dazu gibt es einige Kommunikation zum Konzept dahinter, doch die BMW-Lösung unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom Mitbewerb, sondern punktet vielmehr mit durchdachter Umsetzung des Konzepts. Dazu gehört etwas Seltenes: sehr weitläufige Einstellmöglichkeiten.

Ich kann mir mein Auto in den Anzeigen, im Verhalten, in der Bezahl-Software und in den Einstellungen zu den Fahrhilfen so einstellen, dass es mir (und wahrscheinlich nur mir) richtig gut gefällt. Der iX bietet selbst Einstellungen an, die Andere weglassen, weil sie "kein Kunde verwendet". Natürlich verwendet das kein Kunde, wenn es das nicht gibt. BMWs Ansatz gefällt mir sehr gut und die Autos eignen sich damit ganz besonders für den Flottenbetrieb mit personalisierten User-Profilen. Die kleinere Variante davon sind Familien, bei denen mehrere Personen unterschiedlich tiefen Zugriff auf den BMW erhalten.

Es gibt seit OS7 Funktionen, die das Fahrzeug nicht nur per Smartphone aufschließen, sondern sogar starten. Dieses Angebot setzt jetzt auf Ultra Wide Band (UWB), weil damit die präzisen Laufzeitmessungen möglich werden, mit denen ein Keyless-Schließsystem erst sicher wird. Ohne eine Signallaufzeitmessung kann ein Angreifer das Signal des Funkschlüssels schlicht über eine Netzwerkverbindung verlängern und ein Auto aufschließen, dessen Schlüssel sicher verstaut scheint. Dieser Mechanismus hat sich im letzten Jahrzehnt zur beliebtesten Diebstahlmethode teurer Autos entwickelt, sodass die Premium-Hersteller hier gerade sukzessive nachrüsten (siehe Jaguar). Der Keyfob erlaubt wie das Smartphone ebenfalls eine Signallaufzeitmessung und eine präzise Lokalisierung.

BMW iX Kabine (5 Bilder)

Von der Beifahrertür hinter das gebogene Display geguckt. Die Gestaltung hat etwas Architektonisches.
(Bild: BMW)

Wir haben es schon zu OS7 geschrieben, hier als Wiederholung: Das Smartphone als Schlüssel klingt zunächst nach einer Spielerei. Im Alltag der Nutzung zeigt sich aber, dass es wirklich praktisch ist, wenn zum Beispiel jedes Familienmitglied das Auto zumindest entriegeln darf – mit dem Smartphone, das die Leute (anders als einen Schlüssel) fast immer dabei haben. Beim Fahrbetrieb können Eltern ihrem Nachwuchs mit frischem Führerschein im Familienauto die Maximalleistung beschränken oder die Fahrhilfen vorgeben.

Die Unterschiede in der für User erkennbaren Funktion halten sich gegenüber dem Vorgänger OS7 in Grenzen. BMW hat das schon vorher ganz gelungene System zu OS8 weiter geschliffen. Der größte sichtbare Erstunterschied dürfte schlicht in der Peripherie liegen. Es gibt im iX nur noch halb so viele Knöpfe wie in einem OS7-Auto. Da wirken die drei verbliebenen Knöpfe links vom Lenkrad ein bisschen wie ein Wurmfortsatz, den in Folgemodellen kaum noch ein Kunde erwarten wird. Interessanterweise blieb der Drehdrücksteller auf der Mittelkonsole erhalten, genauso wie das Panel voll Schnellwahltasten außen herum. Wer ihn kennt, kann damit die bekannten Vorteile beim Geschaukel schnellerer Autobahnfahrt gegenüber einem reinen Touchscreen nutzen.

Das Feel eines Telematiksystems hängt extrem vom Umfeld ab, und hier müssen Konkurrenten einfach neidlos zugeben: Die Kabine des iX sitzt sich, flezt sich einfach toll. Die Kombination aus guter HiFi-Anlage, interessanter Gestaltung bei gleichzeitig ergonomischer Funktion und Infotainment mit ausreichend Onboard-Leistung und dem derzeit vielleicht besten Cloud-System der Branche gefiel mir sehr, was vielleicht in der Detailkritik der einzelnen Komponenten etwas unterging. Denn was Interessenten vor dem Kauf im Kopf behalten sollten, ist der Umstand, dass man in einem Elektroauto viel mehr im Stand herumsitzt als in einem Verbrenner, wartend auf das nächste Prozent. Wenn ich im iX an der Ladestation stand und auf die Nebenwarter guckte, dachte ich stets: "Nee, hier bei mir ists schon besser."

(cgl)