Wie die EU Smartphones und Tablets nachhaltiger machen will

Seite 2: Die Pläne der EU

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Im Detail plant die Kommission für Smartphones und Tablets unter anderem folgende Anforderungen:

  • Hersteller von Smartphones und Tablets müssen fünf Jahre lang Sicherheitsupdates und drei Jahre lang Funktionsupdates liefern. Die Frist beginnt jeweils nach Auslieferung der letzten Geräte eines Modells an den Handel und nicht – wie Hersteller gerne rechnen, wenn sie Angaben zu kommenden Updates für ein Smartphone oder Tablet machen – bereits ab Marktstart.
  • Hersteller müssen künftig fünf Jahre lang Ersatzteile für Smartphones und sechs Jahre lang für Tablets an Reparaturbetriebe liefern, dazu gehören unter anderem Akkus, Kameras, Konnektoren und Rückabdeckungen. Ersatzdisplays müssen auch für Endkunden verfügbar sein. Allerdings hat die EU keinerlei Untersuchungen angestellt, in welchen Mengen Hersteller die Ersatzteile vorrätig halten müssen. Gut möglich also, dass Hersteller anfangs Ersatzteile auf Halde produzieren, die dann gar nicht benötigt und ihrerseits zu Elektroschrott werden.
  • Hersteller müssen Reparaturanleitungen mindestens sieben Jahre nach Inverkehrbringen eines Geräts verfügbar halten und Reparaturbetrieben zugänglich machen. Hersteller dürfen die Reparaturbetriebe in "angemessener" Höhe zur Kasse bitten. Smartphones müssen in einem standardisierten Test (IEC 60068-2-31) 100 Stürze aus einem Meter Höhe ohne Defekt überstehen und gegen Spritzwasser geschützt sein.
  • Akkus von Smartphones und Tablets müssen austauschbar sein oder alternativ nach 500 Ladezyklen noch mindestens 83 Prozent und nach 1000 Ladezyklen mindestens 80 Prozent ihrer Kapazität aufweisen. Smartphones, deren Akku sich nicht austauschen lässt, müssen zudem staubdicht sein und 30 Minuten in einem Meter Tiefe im Süßwasser überstehen.
  • Hersteller müssen bis mindestens 15 Jahre nach Inverkehrbringen Demontageanleitungen auf einer kostenlos zugänglichen Website bereithalten, um das Recycling zu vereinfachen.

Das von der EU-Kommission geplante Energielabel zeigt auf einen Blick Informationen über Akkulaufzeit, Robustheit und Reparierbarkeit eines Smartphones oder Tablets.

(Bild: EU-Kommission)

Außerdem soll ein Energielabel die Umwelteigenschaften eines Smartphones oder Tablets auf einen Blick anzeigen. Die EU verpflichtet Hersteller, die nötigen Informationen für das Energielabel zu erfassen und an Händler weiterzugeben. Die große Skala zeigt, wie effizient die Geräte mit Energie umgehen. Dazu müssen die Hersteller die Akkulaufzeit mit einem speziellen EU-Benchmark ermitteln und das Ergebnis durch die Akkukapazität teilen.

Eine Robustheitsskala soll verraten, wie viele Stürze aus einem Meter Höhe das Gerät im Labor ohne Defekt übersteht, wobei "A" für mehr als 300 Stürze steht, "E" für weniger als 50. Ein Reparierbarkeitswert fasst zusammen, wie viele Arbeitsschritte für den Austausch bestimmter Komponenten nötig sind.

Grundsätzlich loben sowohl Industrieverbände als auch Umwelt- und Verbraucherverbände die Pläne der EU, wenngleich sie niemand bejubelt. Die Ökodesign-Verordnung könne ein Wendepunkt sein, um nachhaltige Produkte zur Norm zu machen, befinden der Umweltschutzverband ECOS und der Bundesverband der Verbraucherzentralen VZBV (alle im Folgenden zitierten Eingaben finden Sie in der Stellungnahme).

Allerdings mahnt der VZBV, die EU müsse Tempo machen. "Mit der bisherigen Regulierung allein nach Produktgruppen wird das nicht funktionieren. Ohne Vorgaben, die gleichzeitig für mehrere Produktgruppen gelten, bleibt das EU-Ökodesign eine Schnecke, die sich langsam durch eine erhebliche Anzahl von Produktgruppen arbeitet. Allerdings ohne jemals ans Ziel zu kommen, da immer neue Produktgruppen hinzukommen werden", urteilen die Verbraucherschützer.

Gegen diese horizontalen Vorgaben wehrt sich die Industrie. Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI begrüßt, dass die EU-Kommission die Ökodesign-Anforderungen weiterhin produktspezifisch festlegen will. Das Prinzip werde "durch die große Erweiterung des Anwendungsbereiches noch wichtiger". Die Fraunhofer-Wissenschaftler Erik Poppe und Eduard Wagner schreiben in der c’t-Schwesterzeitschrift iX, mit den neuen Produktaspekten habe die EU-Kommission eine ambitionierte Wunschliste vorgelegt, die jedoch noch weiterer Regulierung und Standardisierung bedürfe, sie fordern spezifische Anforderungen für einzelne Produktgruppen.

Die EU-weiten Ökodesign-Vorgaben sollen nach Vorstellung des VZBV zusätzlichen nationalen Initiativen nicht den Garaus machen. Das EU-Modell für die Reparierbarkeitsskala ginge nicht zuletzt auf nationale Vorbilder wie den französischen Reparaturindex zurück. Daher fordern die Verbraucherschützer eine Experimentierklausel, "um zukunftsweisende nationale Regulierungen in einem einheitlichen Binnenmarkt weiterhin zu ermöglichen". Anders sieht das der ZVEI: "National unterschiedliche Anforderungen an Produkte oder deren Informationen und Kennzeichnungen erhöhen den Aufwand für die Industrie deutlich."

Der Umweltverband European Environmental Bureau kritisiert, dass die Einhaltung von Menschenrechten in der Wertschöpfungskette nicht in die Bewertung eines Smartphones einfließe. Auch dass die Preise für Ersatzteile nicht für die Einstufung der Reparierbarkeit auf dem Energielabel berücksichtigt würden, kritisiert der Verband.

Einig sind sich dagegen Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Industrievertreter, dass die EU genügend Ressourcen bereitstellen müsse, um die Einhaltung der Verordnungen zu überprüfen, damit für alle Marktteilnehmer die gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen.

Die Pläne der EU stellen das Geschäftsmodell einiger Smartphone-Hersteller auf den Kopf. Jahrelange Versorgung mit Updates und Ersatzteilen ist nicht kostenlos, das trifft vor allem die Hersteller günstiger Smartphones. Hinzu kommt, dass sie weniger Geräte verkaufen können, wenn diese länger halten. Es ist also damit zu rechnen, dass Handys und Tablets teurer werden, wenn die EU-Pläne Realität werden. Ob und inwieweit, dazu halten sich die Industrievertreter derzeit bedeckt.

Für Verbraucher können sich die höheren Preise rechnen, wenn die Geräte länger halten. Das größte Potenzial haben die Ökodesign-Richtlinien mit Blick auf den Umwelt- und Ressourcenschutz – dann nämlich, wenn sie so wirken, wie sich die EU das vorstellt, und sie dazu beitragen, dass künftig beträchtlich weniger Smartphones als 1,4 Milliarden im Jahr über die Ladentheke gehen.

c't Ausgabe 27/2022

(Bild: 

c't 27/2022

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In der Sonderausgabe c't 27/2022 schauen wir, was die Technik-Welt 2022 bewegt hat und überlegen, was 2023 wichtig wird. Dafür treten wir einen Schritt zurück und widmen uns den großen Fragen: Wohin geht die Reise bei Displays, Netzteilen, Prozessoren, Festplatten und Smartphones? Kann sich das Smart Home von der Cloud trennen? Wie krempelt künstliche Intelligenz die Branche um? Was ist der Stand der E-Mobilität und wie wurde Microsoft vom Open-Source-Feind eigentlich zum Pinguin-Freund? Diese und noch mehr Fragen beantworten wir in c't 27/2022. Viel Spaß beim Lesen!

(rbr)