Wie geht es bei Opel weiter?

Die Marke Opel scheint trotz einer positiven Entwicklung vor einer ungewissen Zukunft zu stehen. Noch lässt sich Stellantis nicht in die Karten schauen.

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Blick auf einen sehr kleinen Teil des Opel-Standortes in Rüsselsheim

(Bild: Opel)

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  • dpa
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Der Opel-Stammsitz in Rüsselsheim hat seit der Übernahme durch PSA vor vier Jahren einen gewaltigen Schrumpfkurs hinter sich gebracht: Gebäude wurden verkauft, Betriebsteile geschlossen und Teile der Entwicklung an Dienstleister ausgelagert. Tausende qualifizierte Beschäftigte haben Opel mit teils stattlichen Abfindungen seit 2017 den Rücken gekehrt. Selbst die nachhaltige Rückkehr in die Gewinnzone oder der Standortzuschlag für den Astra haben die Stimmung nicht nachhaltig aufgehellt. Denn nach der Fusion von PSA mit Fiat-Chrysler zum Autokonzern Stellantis hat Opel einen noch schwereren Stand.

Opel schrumpfe immer mehr auf eine Vertriebseinheit mit angeschlossener Designabteilung zusammen, urteilt Experte Ferdinand Dudenhöffer. Letztes Zeichen sei der Abgang des Sanierers Michael Lohscheller gewesen, der nun durch den Vertriebsexperten Uwe Hochgeschurtz ersetzt wurde. Opel sei nur noch eine Marke unter vielen, nahezu gleichen im großen Stellantis-Reich, nach Toyota, Volkswagen und Renault-Nissan der viertgrößte Autokonzern der Welt.

Ein weiterer Beleg für die These der schwindenden Selbstständigkeit ist der durchgesickerte Plan des Konzerns, die beiden Produktionswerke Rüsselsheim und Eisenach aus der deutschen Einheit Opel Automobile GmbH herauszulösen und Stellantis direkt zu unterstellen. Noch sei nichts entschieden, erklärt Opel, aber die IG Metall wittert die endgültige Zerschlagung des Unternehmens. Die Gewerkschaft hat für diesen Freitag (29. Oktober) zu vielfältigen Protestaktionen in den Opel-Standortländern Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Saarland aufgerufen. Zuvor will der Konzern am Donnerstag (28. Oktober) seine Auslieferungen und Umsatzzahlen für das dritte Quartal präsentieren.

Auch vier Jahre nach der Opel-Übernahme fremdelt Stellantis-Chef Carlos Tavares noch "ganz gewaltig" mit dem deutschen System der Mitbestimmung, findet der Chef des IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger. Der Zeitung Rheinpfalz sagte er: "Stellantis kündigt immer wieder Entscheidungen an, ohne den Sozialpartner beziehungsweise die Tarifvertragsparteien und Betriebsräte zu konsultieren. Das Stellantis-Management agiert völlig intransparent, legt die Karten nicht auf den Tisch. Damit wird Angst und Misstrauen bei den Beschäftigten geschürt."

Betriebsräte und IG Metall wollen aber mitreden, wenn es um Produktionspläne und Auftragsvergaben an einzelne Werke geht. Tavares führte PSA wie nun auch Stellantis zentralistisch, will die über mehrere Kontinente verstreuten Werke und Mitarbeiter flexibel und vor allem kostengünstig einsetzen. Die ohnehin weitgehend baugleichen Autos der diversen Stellantis-Marken sollen immer von mehreren, untereinander konkurrierenden Einheiten hergestellt werden können. Einige Opel-Modelle werden schon seit längerem in früheren PSA-Werken gebaut und seit einigen Wochen rollen in Rüsselsheim auch Autos der Marke DS vom Band.

Immer wieder keimt bei deutschen Gewerkschaftern und Politikern der Verdacht, dass Stellantis mit weltweit rund 400.000 Beschäftigten aus politischen Gründen die Werke und Entwicklungszentren der Hauptpartner PSA und Fiat bevorzugt würden. Groß war daher die Aufregung, dass in dem vergleichsweise kleinen Montagewerk Eisenach wegen Chipmangels die Produktion bis zum Jahresende gestoppt wird. Während die rund 1300 Beschäftigten in Thüringen auf Kurzarbeitergeld verwiesen wurden, läuft die Produktion des Opel Grandland im PSA-Stammwerk Sochaux bei Paris weiter.

Auch der Draht zu den politischen Entscheidungsträgern in den deutschen Ländern scheint erkaltet zu sein. In einem gemeinsamen Brief verlangten die Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU), Malu Dreyer (SPD) und Bodo Ramelow (Linke) von Tavares nähere Informationen und eine Rückkehr zur vertrauensvollen Kommunikation über die aktuelle Situation des Unternehmens und seiner Standorte. Letztlich geht es aber auch um ein Mentalitätsproblem: Über Jahrzehnte haben sich die Opelaner als eigenständiger Autohersteller empfunden, obwohl sie bereits seit 1929 zu General Motors gehörten.

Besonders in den Erfolgszeiten der 1960er- und 1970er-Jahre war Detroit viel weiter weg als es nun die Stellantis-Headquarter in Paris und Amsterdam sind. Doch spätestens seit der Jahrtausendwende hat das alte GM-System nicht mehr funktioniert, reihte sich über fast 20 Jahre ein Verlust an den anderen. Tavares hat das mit PSA radikal beendet, dabei aber auch erhebliche Absatzverluste in Kauf genommen.

(mfz)