Kommentar: Übergriffige Zwangsassistenten ​im Auto

Seite 2: Assistenten im Auto

Inhaltsverzeichnis

Da ich mir recht oft anhören darf, dass ich dauernd an meinem Auto rummeckere: Ich habe gerade die Auto Motor und Sport durchgeblättert. In einem Test wurde dem BMW 430i die beste Verkehrszeichenerkennung bescheinigt. Er bekam 3 von 10 Punkten. Auch ein Mercedes-AMG EQE bekam nur 1 Pünktchen, wie viel zu viele andere auch. Ich formuliere es mal etwas drastisch: Wollen wir allen Ernstes mit solch einem gequirlten Murks ab Juli die Verkehrssicherheit revolutionieren?

Bislang hat sich mein aktueller Spurhalteassistent, den ich tatsächlich noch nicht abgeschaltet habe, immer nur mit sanften Korrekturen gemeldet. Er möchte mich vor allem auch auf Baustellen mit alten und neuen Linien nicht mehr gegen die Leitplanke drücken. Eine avisierte Variante für den Notfall aber, die möglicherweise heftiger eingreift, macht mich schon wieder gruseln. Warten wir es mal ab.

Nein, der ist bislang nicht vorgeschrieben. Er begleitet üblicherweise den Tempomat-Betrieb und ist in meinem Fahrzeug separat abschaltbar. Da wir ja noch keine wirklich brauchbare Fahrautomatisierung haben, muss man in diesem Fall überwachen, dass der Fahrer die Finger am Lenkrad behält. Dazu wird das Gegendrehmoment der Lenkbewegungen durch den Fahrer ausgewertet. Das funktioniert relativ oft, aber man muss sich mal die Absurdität hinter dem Verfahren vergegenwärtigen: Das Auto lenkt selbst, provoziert aber Lenkkorrekturen des Fahrers , um seine Hände am Lenkrad detektieren zu können.

Nur deswegen schlingern die Karren dann immer etwas innerhalb der Linien, statt einfach der Spur zu folgen. Sensoren im Lenkrad? Gibt es inzwischen, war angeblich lange Zeit ein Problem bei Lenkradheizung, erfuhr ich von ZF auf einer IAA. Die Tesla-Fahrer waren die ersten, die ein Gewicht ans Lenkrad gehängt haben, damit sie beim tollen Autopiloten ein Nickerchen machen konnten. In Musk we trust...

Demnächst haben wir dann ja noch die Kamera des verpflichtenden Müdigkeitswarners zum Gegenchecken. Apropos: Dieser Warner steckt schon mindestens seit vier Fahrzeuggenerationen in meinen Autos. Gemeldet hat der sich bisher nie, nicht mal irrtümlich.

Ich finde automatisiertes Fahren fantastisch und sehne es herbei. Wie gern würde ich mich nach einem harten Tag nach hinten ins Auto setzen und sagen: "Fahr mich nach Hause." Ansätze dazu gibt es ja, aber verheißende Werbung und Realität klaffen weit, weit auseinander. Es gibt solche Ansätze ja auch in meinem Auto. Die werden großartig beworben und funktionieren entweder gar nicht oder man weiß nicht recht, ob man darüber lachen oder weinen soll. Ich hab ja schon mehrmals beklagt, dass meine Garage recht knapp geschnitten ist. Im Forum wurde mir dann empfohlen, gefälligst eine S-Klasse-würdige Garage anzuschaffen. Leicht gesagt. Solange ich ohne Kratzer rein- und rausfahren kann, werde ich das sicherlich nicht tun. Aber mein Auto soll mir ja das Leben genau bei solchen Aktionen erleichtern. Ich gebe zu, ohne Pieppieppiep und Rundum-Blick (Birds View) wäre das noch mühsamer, denn dieses Auto ist unübersichtlich. Aber es soll ja viel besser gehen.

Automatisches Einparken in eine sehr enge Garage? Fehlanzeige: In meinem Fall fehlt nicht nur der Platz, sondern auch der Mobilfunk-Empfang vor Ort.

(Bild: Detlef Grell)

Es gibt für mein Fahrzeug das sogenannte Remote-Parking. Ich steige aus und lasse das Auto per Smartphone einparken. Ich konnte das mal auf einem Parkplatz ausprobieren. Es hat ein wenig gequietscht, bis der vom System gewählte Schleich-Modus endlich die Bremse gelöst hatte, und dann hielt das Auto auch schon beim ersten Sensor-Piepser an. Nicht sehr vielversprechend für meine enge Garage. Auf zur Garage und gucken, was geht. Nun, nichts geht. Direkt an meiner Garage hat das eingebaute LTE-Modul leider keinen Empfang.

Aber da ist ja noch das Memory-Parking. Wie mit einem Makrorecorder am PC nimmt man eine kurze Route auf, die das Fahrzeug dann abfährt. Angeblich hin und zurück. Also rein in die Garage, Recording aktiviert: "Das Fahrzeug muss zuvor ein paar Meter gefahren sein". Sehr lustig, dann ist der Nutzen ja schon mal weg. Also raus, noch mal geschaut, was denn nun überhaupt gehen würde. "Die Außenspiegel dürfen in dieser Betriebsart nicht angeklappt sein." Ja, ich hab auch herzlich gelacht, aber ich brauche meine Spiegel ...

Was soll es auch nützen? Mit Parksensoren aus der Autosteinzeit ist eh kein zentimetergenaues Parken möglich. Wenn ich in die Garage fahre und hernach noch Platz zum Aussteigen haben möchte, dann seh ich ohnehin die meiste Zeit rote Linien und höre einen Dauerpieps. Ohne Tape-Markierungen in der Garage geht da gar nichts.

Liebe Politiker, schaut euch den Stand der Technik mal selbst an. Nicht die tollen Vorführungen der Hersteller, bei denen immer alles klappt. Fahrt moderne Autos ein Jahr lang selbst und dann überlegt bitte noch mal gründlich, ob man nicht noch 10 Jahre Reifezeit drauflegen sollte. Speziell an Sie, lieber Herr Wissing, zu Ihrer Euphorie über automatisiertes Fahren das Folgende: Es funktioniert in allen Levels immer nur mit krassen Einschränkungen. Eigentlich sogar nur mit lachhaften Einschränkungen. "Auf bekannter Strecke mit 50 km/h und Supervisor", "auf Autobahnen mit klarer Sicht kann das Fahrzeug autonom überholen". Toll!

Mein Prüfstein für einen ersten glaubwürdigen Schritt wäre: Ich steige aus und sage dem Auto, es soll jetzt mal allein in die enge (!) Garage oder Parklücke fahren. Die so eng ist, dass ich sonst nicht ein- oder aussteigen kann. Nur dann hat doch solch ein Feature überhaupt Sinn. Solange das nicht klappt, sollte man niemandem mit Jubelgesülze über autonomes Fahren auf den Wecker gehen und schon gar nicht unzulängliche Zwangsassistenten verordnen, die in den Verkehr eingreifen dürfen. Ich ahne auch schon das Aufkommen einer Tuning-Variante nach der Devise "Wir schalten den ganzen Mist ab". Dazu sollte man es nicht kommen lassen.

Ja, Herr Grell, beim Gurt haben auch erst alle gemeutert, dann beim ABS, dann schien das ESP gefährlich zu sein. Ich habe gar nichts gegen Technik-Unterstützung. Ich mag die Einparkhilfen mit Birdsview, ich mag das tolle Matrix-Licht, Head-up-Displays und allerlei mehr. Ich akzeptiere Assistenzfunktionen, solange sie mich nur warnen. In den Verkehr eingreifen dürfen sie aber erst, wenn sie es können. Ich musste meine Qualifikation schließlich auch belegen. Früher nannte man es Führerscheinprüfung.

(gr)