E-Auto: Mercedes-Benz EQS mit Feststoffakku erreicht 1000 km Straßen-Reichweite
Mercedes erprobt Motorsport-Festkörperbatterie in einem Mercedes-Benz EQS auf der Straße. Bei gleichem Gewicht und Raumbedarf steigt die Reichweite auf 1000 km.

Mercedes EQS mit Feststoffzellbatterie-Prototyp
(Bild: Mercedes-Benz)
Festkörperakkus gelten als eine Wette auf die Zukunft, für deren Einsatz nur wenige die nötigen Mittel haben. Von Durchbrüchen mag zurzeit niemand reden. Da lässt natürlich jede Mitteilung über einen weiteren Schritt aufhorchen. Mercedes meldet, eine Festkörperbatterie aus dem Motorsport in einem Mercedes EQS im Straßenbetrieb erproben zu wollen. Bei gleichem Gewicht und Raumbedarf soll die Reichweite im WLTP von 800 auf 1000 km steigen.
Dank Rapid Prototyping kommt es bei Mercedes-Benz möglicherweise zu einem der seltenen Transfers von der Rennstrecke in die Serie. Zumindest legt der Plan des Autoherstellers diese Lesart nah. Er kündigt an, ein "auf dem EQS basierendes Fahrzeug" mit einem von der Motorsportbatterie abgeleiteten Akku zu Testfahrten auf die Straße zu schicken. Ganz trivial scheint es nicht zu sein, keine direkte Übernahme also.
Potenzielle Vorteile
Die Verwendung der Batteriezelltechnologie zeigt, dass zumindest Mercedes trotz vieler anderer erfolgversprechenden Entwicklungen immer noch an deren potenzielle Vorteile glaubt. Der Hersteller schreibt "Festkörperbatterien sind eine vielversprechende Technologie in der Elektromobilität." Zumindest auf der Rennstrecke, wo gespartes Gewicht sehr viel zählt, gesparte Kosten aber eher wenig, ist die Entwicklung einer eigenen Zelllinie ein Vorteil. Sie kann bei gleichem Gewicht mehr Strom speichern oder eben die für eine Renndistanz nötige Kapazität mit geringerem Gewicht zur Verfügung stellen. Mit einer größeren Energiemenge, die sie je Masseneinheit vorhalten kann, bietet sie eine höhere gravimetrische Energiedichte. Netto, also auf Zellebene, soll sie laut Pressemitteilung 450 Wh/kg erreichen können. Der Bruttowert schwankt, abhängig von der Größe der Batterie. Sind viele Zellen darin zusammengefasst, liegt er etwas günstiger, in kleinen Packs ein bisschen schlechter.
Der Faktor Energiedichte könnte in Straßen-Pkw die Reichweite erhöhen helfen, ohne den Gewichtsnachteil aller heute üblichen Zelltypen. Als Zusatznutzen sieht Mercedes-Benz eine höhere Zellsicherheit. Die Möglichkeit eines sogenannten thermischen Durchgehens, wie es heute die leistungsfähigsten Lithium-Akkus mit Nickel-Mangan-Kobalt-Zellchemie (NMC) betrifft, soll mit Festkörperbatterien kein Thema mehr sein.
Festkörperbatterie im Mercedes EQS (7 Bilder)

Mercedes-Benz
)Kein Wort über die Problemzonen
Mercedes’ Motorsportabteilung Mercedes AMG High Performance Powertrain ("HPP") bezieht seine Akkus von Factorial, einem Batterieentwickler aus den USA. Einer der Gründer von Factorial erinnert daran, dass der Hersteller "einen historischen Meilenstein setzt, der erfolgreich Lithium-Metall-Festkörperbatterien in eine Serienfahrzeugplattform integriert" und sieht angesichts der Straßenerprobung seine Produkte bereits in einem "Durchbruch" auf dem Weg in die Großserie. Erst im Sommer 2024 hatte seine Factorial Lithium-Metall-Festkörperbatteriezellen an Mercedes-Benz geliefert, was die erste B-Muster-Lieferung von Lithium-Metall-Festkörperbatterien an einen globalen OEM gewesen sei.
Atmende Zellen
Eine der vielfältigen technischen Herausforderungen bei Festkörperzellen – die auch von anderen Zellchemien bekannte Volumenänderung beim Laden und Entladen – scheint Mercedes für den Straßenbetrieb schon in den Griff und auch patentiert bekommen zu haben. Letzteres bezieht sich auf eine Lagerung der Zellen in der Batterie, die ihnen eine ungehinderte "Atmung" ermögliche, Mercedes nennt es "schwimmende Lagerung". Dazu kommt eine bedarfsgeregelte Gassteuerung mithilfe eigens entwickelter Aktuatoren. Beide Maßnahmen zusammen sollen Leistung und Lebensdauer erhöhen helfen. Über Fortschritte auf den anderen Problemfeldern Kosten, Schnellladefähigkeit und Haltbarkeit macht Mercedes-Benz überhaupt keine Angaben.
Mercedes erwartet von seiner Festkörperbatterie auf der Straße bis zu 25 Prozent mehr Reichweite, bei der Standard-Batterie vergleichbaren Gewichts- und Größenverhältnissen. Bei passiver Batteriekühlung soll das Entwicklungsfahrzeug über 1000 km mit einer Ladung fahren können. Für den serienmäßigen EQS 450+ gibt Mercedes-Benz eine Reichweite von über 800 km im WLTP an. Den Batterie-Prototyp montierte Mercedes-Benz Ende 2024 nach Prüfstand-Testläufen in einen EQS integriert. Die Karosserie des BEV wurde dazu leicht abgeändert, dazu kamen die nötigen Einbauten der Akku-Peripherie. Am Fahrzeug begannen erste Tests Ende 2024 in Stuttgart. Die Straßentests wurden im Februar 2025 aufgenommen. Weitere umfangreiche Labor- und Straßentests im EQS sollen daran anschließen.
(fpi)