Elektroautos: BDEW sieht Überangebot an Ladesäulen

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hält die Zahl der öffentlichen Ladesäulen für mehr als ausreichend.

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VW ID.3

Öffentlich wird meist mit Wechselstrom geladen, doch die Zahl der DC-Lader nimmt zu. Im Bild: VW ID.3 (Test)

(Bild: Franz)

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Die Forderung nach einem schneller wachsenden Netz an Ladesäulen hat gewissermaßen Konjunktur, denn sie wird von Politik und dem Verband der Autoindustrie immer wieder vorgetragen. Ohne eine ausreichende Zahl an Lademöglichkeiten gäbe es keine Bereitschaft für einen Umstieg auf das Elektroauto. Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), hält dagegen und argumentiert: "Die gute Nachricht ist: Wir haben ein Überangebot an Lademöglichkeiten." Das Angebot an öffentlichen Ladesäulen für Elektroautos sei mehr als ausreichend. Begründet wird diese These unter anderem mit der aktuellen Auslastung.

Der BDEW spricht von insgesamt 100.838 öffentlichen Ladepunkten (Stand 1. Juli), was sich ungefähr mit den Zahlen der Bundesnetzagentur deckt, die am 1. Juni dieses Jahres von 92.672 Ladepunkten ausging. Der Zuwachs innerhalb eines Jahres ist beträchtlich, denn am 1. Juni 2022 waren es noch 67.880. Prozentual am stärksten wuchs die Zahl der Ladepunkte mit 59 bis 149 kW (plus 46 Prozent auf 6371) und mit mehr als 149 kW (plus 164 Prozent auf 6371). Dominierend sind unverändert die 22-kW-AC-Ladepunkte, die an für vergleichsweise geringe Kosten an das Niederspannungsnetz angeschlossen werden können. Ihre Zahl stieg binnen eines Jahres von 46.157 auf 60.052. Auch diese Zahl kommt von der Bundesnetzagentur und beschreibt den Stand zum 1. Juni 2023.

Mit der Zahl der Ladepunkte und einer Leistung von insgesamt 4,5 GW bewege sich Deutschland deutlich oberhalb der EU-Vorgaben, argumentiert der BDEW. Die öffentlichen Ladepunkte seien im Durchschnitt zu 11,6 Prozent der Zeit belegt. Je nach Landkreis würde sich eine Belegung zwischen 3 und maximal 25 Prozent des Tages (über 24 Stunden) ergeben. Selbst zwischen 9 und 20 Uhr läge die durchschnittliche Belegung laut BDEW nie über 20 Prozent. Der Verband erhob diese Zahlen erstmals, weshalb ein Vergleich mit Vorjahreswerten nicht möglich war.

Andreae wertete die Zahlen als Beleg dafür, dass das Ziel der Bundesregierung von einer Million öffentlich zugänglicher Ladepunkte bis 2030 technisch veraltet sei, da es "den technologischen Sprung bei der Ladeleistung" nicht einrechne. Seit 2019 habe sich die Ladeleistung bei Fahrzeugen und Ladesäulen verdreifacht. Deutlich mehr Fahrzeuge je Ladesäule könnten versorgt werden, meint Andreae. Das beschreibt die Situation allerdings nur unvollständig, denn diese Sicht beschränkt sich auf die Ladung mit Gleichstrom. In den meisten Fällen wird öffentlich aber mit Wechselstrom geladen, und die überwiegende Zahl der Ladepunkte stellt dort maximal 22 kW bereit. Nur wenige Elektroautos können das aktuell ausschöpfen, mehrheitlich ist bei 11 kW Schluss. Die in der Regel genutzte Ladeleistung hat sich also keineswegs verdreifacht.

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Zwei weitere Aspekte bleiben in der Betrachtung des BDEW unberücksichtigt. Eine landesweite Belegung ist wenig aussagekräftig, denn in großen Städten kommt es durchaus vor, dass kein Ladepunkt in der Nähe verfügbar ist. Aktuell wird die Situation auch durch den Umstand getragen, dass mehr als 80 Prozent aller Ladevorgänge nicht an öffentlicher Infrastruktur erfolgen, sondern an privaten Wallboxen oder Steckdosen. Sollte die Elektromobilität weiter wachsen, wird auch der Bedarf an öffentlichen Ladepunkten deutlich zunehmen, denn naheliegenderweise kann sich nicht jeder eine Lademöglichkeit in privater Umgebung schaffen.

Es gebe keine Ausreden mehr, warum die Elektromobilität im Sinne der Klimaziele nicht stärker wachsen solle, meint Andreae. Es brauche jetzt eine 15-Millionen-E-Auto-Strategie, die gezielt auf die Fahrzeugseite ausgerichtet sein sollte. Vor kurzem hatte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, einen Mangel an öffentlichen Lademöglichkeiten beklagt. "Um das gesteckte Ziel zu erreichen, müsste die Ausbaugeschwindigkeit der vergangenen zwölf Monate etwa vervierfacht werden", sagte sie dem Nachrichtenmagazin Spiegel.

(mfz)