Elektromobilität: Daimler bemängelt zu langsamen Ausbau der Ladeinfrastruktur

Die Politik wird von der Wirtschaft für den gemächlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur kritisiert. Für den Lastverkehr müsse mehr getan werden, fordert Daimler.

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Mercedes-Benz Truck

Für Ladeleistungen von deutlich mehr als 350 kW werden andere Stecker und gekühlte Kabel notwendig.

(Bild: Mercedes-Benz Truck)

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Im Oktober hat die Bundesregierung einen Masterplan für den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorgelegt. 6,3 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren in ein dichtes Netz von Ladesäulen fließen. Das hilft zunächst vor allem bei der Versorgung von Elektroautos, also Pkws. Für die Anforderungen des Lastverkehrs auf der Langstrecke sind ganz andere Hürden zu überwinden, denn hier geht es um ungleich höhere Ladeleistungen. Kein Fuhrunternehmer kann es sich leisten, als Early Adopter auf eine nicht ausreichend ausgebaute Infrastruktur zu setzen. Dessen sind sich auch die großen Lkw-Anbieter bewusst und fordern die Politik auf, den Ausbau zu beschleunigen.

Daimler Truck ist dabei nur einer von vielen Kritikern. Der Konzern will die Politik bei der Infrastruktur für E-Fahrzeuge in die Pflicht nehmen. "Der Aufbau einer Infrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge in Europa geht viel zu langsam", sagte die Lkw-Chefin für Europa und Lateinamerika, Karin Radström, der dpa. Vor einigen Wochen sei sie in Brüssel gewesen und hätte Politiker getroffen. "Es ist wichtig, dort zu sein, denn ich habe das Gefühl, dass einige die Größe der Herausforderung noch nicht richtig einschätzen", sagte sie.

Ein langsamer Ausbau wäre eine riesige verpasste Chance, "denn es ist eigentlich gar nicht so schwierig, unseren gesamten Sektor zu dekarbonisieren, wenn man bereit ist zu investieren". Sie sei eher Optimistin und glaube fest daran, dass die Transformation zu schaffen sei. "Aber es ist ein bisschen frustrierend, dass manche Dinge außerhalb unserer Kontrolle liegen."

"Bisher sehen wir keinen Rückgang bei der Nachfrage unserer Kunden", sagte Radström.

(Bild: Mercedes-Benz Truck)

"Es gibt eine allgemeine Tendenz, vielleicht sogar bei uns, dass wir gerne darüber sprechen, was wir 2030 oder in der fernen Zukunft tun werden", sagte Radström. Man müsse aber jetzt damit beginnen, die Dinge anzupacken. Sie wünsche sich mehr Pilotprogramme. "Das würde es unseren Kunden erleichtern, zu investieren."

Dafür sind langfristig Ladeleistungen notwendig, die die aktuelle Infrastruktur nicht bieten kann. Ab 2024 sollen im Lkw Ladeleistungen von 1 MW möglich sein, in einem Forschungsprojekt der TU München war kürzlich von 3 MW die Rede. Zur Orientierung: Nur wenige Ladesäulen in Deutschland stellen derzeit Ladeleistungen von bis zu 350 kW zur Verfügung. Selbst die in dieser Hinsicht schnellsten Elektroautos schöpfen das nicht komplett aus. Für die Energiemenge, die für den Betrieb eines Lkw auf der Langstrecke notwendig ist, müssen also deutlich höhere Ladeleistungen her, um kurze Standzeiten zu ermöglichen – und damit auch nur die Chance haben, von Fuhrunternehmern akzeptiert zu werden.

Der Markt für LKW sei weiterhin stark. "Bisher sehen wir keinen Rückgang bei der Nachfrage unserer Kunden", sagte Radström. Das liege auch daran, dass es im Fuhrpark der Kunden einen Bedarf gibt und die Nachfrage schon seit langem höher als das Angebot ist. "Es ist etwas seltsam, über die drohende Rezession zu lesen und sie bislang in unserem Geschäft nicht zu sehen." Normalerweise folge ihr Geschäft der allgemeinen Wirtschaft. "Aber im Moment gibt es zum ersten Mal seit langer Zeit eine ziemliche Diskrepanz zwischen unserem Markt und der allgemeinen Wirtschaft."

(mfz)