KTM baut wieder Motorräder: Wieder da, aber noch nicht aus der Gefahrenzone
KTM produziert wieder, die Krise aber dauert an. Bis Ende Mai müssen noch 600 Millionen Euro an die Gläubiger und weitere 100 Millionen für den Betrieb fließen.
(Bild: KTM)
- Ingo Gach
Am 17. März nahm der österreichische Motorradhersteller KTM seine Produktion in Mattighofen wieder auf. Ein Tag der Hoffnung. Am 29. November 2024 hatte die Marke Insolvenz in Eigenregie angemeldet, und es sah eine ganze Weile nicht gut für die Zukunft aus. KTM hatte eine maßlose Überproduktion gefahren, es standen weltweit etwa 235.000 Motorräder unverkauft auf Halde. Die Firma hatte 2024 rund 1,5 Milliarden Euro neue Schulden angehäuft und Hunderte Mitarbeiter entlassen müssen. Zur Erleichterung aller Angestellten einigten sich die Gläubiger am 25. Februar vor Gericht mit KTM auf eine Quote von 30 Prozent der Schulden, die sie zurückzahlen müssen. Außerdem hat der Firmenpatriarch und bisherige KTM-CEO Stefan Pierer seinen Stuhl im Januar 2025 geräumt zugunsten von Gottfried Neumeister, der erst im September 2024 als Finanzchef zu KTM geholt worden war.
Noch viele HĂĽrden
Doch bis die Existenz von KTM gesichert ist, sind noch viele Hürden zu nehmen. Immerhin endete nach 14 Wochen mit Lohn- und Gehaltskürzungen der Produktionsstopp im Werk in Mattighofen. Im Einschichtbetrieb startete am 17. März die erste von vier Produktionslinien. Allerdings muss nach dem langen Stillstand einiges getan werden, bis die Fertigungslinien wieder einwandfrei laufen. Unter anderem müssen die globalen Lieferketten aktiviert werden, es braucht Vormontagen und die Waren müssen sowohl angeliefert als auch inspiziert werden. Ab dem 20. März rechnet KTM mit den ersten fertiggestellten Motorrädern. Die Vollauslastung des Werks wird jedoch frühestens in ein paar Monaten erreicht.
600 Millionen Euro bis Ende Mai fällig
Vor allem aber muss KTM noch viel Geld überweisen. Bis Ende Mai werden 600 Millionen Euro an die Gläubiger fällig. Das Geld soll von Investoren kommen. Die Geschäftsführung gibt sich zuversichtlich, die Summe aufzutreiben. Es ist kein Geheimnis, dass Bajaj bislang 50 Millionen Euro zugeschossen hat. Der indische Motorradkonzern ist zu 49,9 Prozent an der Pierer Bajaj AG beteiligt, zu der KTM gehört. Weitere namhafte Firmen sollen Interesse haben, bei KTM einzusteigen, dass sich aber darunter BMW befunden haben soll, ist nicht gesichert. Auch die Beteiligung von Stephan Zöchling, seines Zeichens Miteigentümer des Auspuffherstellers Remus und seit Kurzem im Aufsichtsrat des KTM-Mutterkonzerns Pierer Mobility, ist ungewiss.
Viele Interessenten
Für April und Mai benötigt KTM weitere 100 Millionen Euro, um den Betrieb in Mattighofen am Laufen zu halten. Die Citibank, die den Sanierungsprozess führt, hat verkündet, dass es "großes Interesse" an Investitionen bei KTM gäbe. Namen wurden bis jetzt nicht genannt. Wer aber auch immer dabei ist, wird noch die kartellrechtlichen Genehmigungen abwarten müssen. Die Sache ist also längst nicht in trockenen Tüchern, auch wenn sich der österreichische Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer vorsichtig optimistisch zum Produktionsstart von KTM äußerte, dass es "jetzt darum (gehe), eine stabile Investorenlage herzustellen". Doch gleichzeitig zeigte er sich besorgt über die Umwälzungen, vor denen die Wirtschaft mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit in Österreich stehe.
KTM ist noch zu retten (7 Bilder)

KTM
)Verlagerung ins Ausland?
Damit spielte er auf die Befürchtung an, dass die Produktion langfristig vermehrt nach Indien ausgelagert werden könnte, wo Bajaj bereits seit Jahren die kleine KTM-Duke-Baureihe von 125 bis 390 cm3 fertigt. Zudem lässt KTM seine 790er-Zweizylinder-Modelle bei CFMoto in China bauen. Die Lohnkosten sind in Österreich wesentlich höher als in Asien. Die Arbeitsplätze in Mattighofen erscheinen somit nur vorerst als gesichert, denn wie sich die Machtverhältnisse im KTM-Konzern zukünftig verschieben könnten, ist noch offen. Falls die neuen Investoren aus Kostengründen auf eine Produktionsverlagerung pochen, würde die KTM-Geschäftsführung einen schweren Stand haben.
Große Lagerbestände
Doch es bestehen noch weitere Probleme. Selbst, wenn die Motorradproduktion im Werk wieder im Vollbetrieb läuft, gibt es da immer noch die weit über 100.000 unverkauften Exemplare aus den vergangenen Modelljahren. Seit November 2024 sind viele KTM, Husqvarna und Gasgas – die beiden Marken gehören KTM – mit riesigen Rabatten und Tageszulassungen in den Markt gedrückt worden. Deshalb besteht seitens der KTM-Kunden zurzeit nur wenig Interesse daran, für neu produzierte 2025er-Modelle den vollen Listenpreis zu zahlen. So werden sich die KTM-Händler gezwungen sehen, auch die neuen Motorräder mit viel Nachlass anzubieten – ein Teufelskreis.
Qualitätsprobleme
Wer in die einschlägigen Foren der KTM-Kunden blickt, findet auffallend viele Beschwerden über arge Qualitätsprobleme selbst bei neuen Modellen. Dazu gehören unter anderem kapitale Motor- und Getriebeschäden sowie Elektrik-Ausfälle. Die Qualitätsprobleme hatte das frühere Mitglied der Geschäftsführung, Hubert Trunkenpolz, bereits im Sommer 2024 öffentlich eingeräumt, was zu einer merklichen Zurückhaltung der Käufer führte. Das veranlasste KTM jetzt dazu, seine kostenlose Garantie auf vier Jahre zu verlängern. Gut für die Käufer, aber es könnte den Konzern zukünftig teuer zu stehen kommen, und das in der prekären finanziellen Situation.
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Hoffnung auf die Zukunft
Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass sich die Lage in Mattighofen ab dem 25. Mai, wenn die 600 Millionen Euro an die Gläubiger fällig werden, wieder normalisiert. Doch wie die langfristige Zukunft aussieht, ist bislang nicht gewiss, nur dass es weitergeht, dürfte jetzt als gesichert gelten, denn der (noch) größte europäische Motorradproduzent gilt als "too big to fail". Im Offroad-Segment (Sport-Enduros und Motocrosser) ist der KTM-Konzern (inklusive Husqvarna und Gasgas) immer noch Marktführer weltweit und auch die Verkaufszahlen der kleinen Duke-Reihe bleiben vielversprechend. Das große Interesse vieler Investoren zeigt, dass die Substanz von KTM immer noch großes Potenzial bereithält.
(fpi)