Korruptionsaffäre bei Siemens weitet sich aus

Die Siemens-Führung erklärte erstmals öffentlich, dass es jahrelang Korruption gegeben hat. Der Schaden soll mehr als doppelt so hoch liegen als bislang von der Staatsanwaltschaft vermutet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 214 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Die Affäre um die schwarzen Kassen und die Korruption bei Siemens zieht immer weitere Kreise: Angeblich hat die Konzernführung auch schon länger von den Vorgängen gewusst als sie zugibt, schreibt das Handelsblatt. Man habe den früheren Siemens-Zentralvorstand Thomas Ganswindt verhaften lassen, um Licht ins Dunkel zu bringen, bestätigte die Münchner Staatsanwaltschaft. Vor Bekanntwerden der Verhaftung Ganswindts räumte die Konzernspitze von Siemens zudem ein, dass die Affäre finanziell größere Ausmaße hat als bislang angenommen. Siemens stuft inzwischen Zahlungen von 420 Millionen Euro als zweifelhaft ein.

In den vergangenen drei Wochen habe eine Arbeitsgruppe im Konzern die Geschäftsberichte der Jahre 1999 bis 2006 durchforstet, sagte Vorstandschef Klaus Kleinfeld. Es war der erste Auftritt der Konzernspitze vor Journalisten seit Bekanntwerden der Vorwürfe. Dabei seien fragwürdige Zahlungen von beinahe einer halben Milliarde Euro festgestellt worden. Meist gehe es um zweifelhafte Beraterverträge, sagte Finanzchef Joe Kaeser. Alle Transaktionen seien durch die Bücher gegangen und von Mitarbeitern abgezeichnet worden. Die Staatsanwaltschaft hatte den Schaden für Siemens bisher auf 200 Millionen Euro beziffert.

Wegen voraussichtlich fälliger Steuernachzahlungen muss der Konzern den Gewinn in den Büchern nachträglich um zunächst 168 Millionen Euro korrigieren. Der Gesamtschaden sei aber noch nicht absehbar.

Immerhin: Die Siemens-Führung erklärte erstmals öffentlich, dass es jahrelang Korruption gegeben hat. Die Konzernspitze wolle "diesem Spuk ein Ende zu machen", sagte Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung. Pierer, zur Zeit des Aufbaus schwarzer Kassen Siemens-Vorstandschef, betonte aber, er sehe keinen Grund für einen Rückzug aus dem Aufsichtsrat; ein Konzernchef beschäftige sich zu Recht nicht mit einzelnen Buchungen. Von einem System schwarzer Kassen habe er erst mit der Razzia im November erfahren. In Anwaltskreisen der Beschuldigten hieß es aber laut Handelsblatt, der Staatsanwaltschaft lägen "objektive Unterlagen" vor, die belegten, dass der Konzernführung das Ausmaß der Affäre lange vor der Razzia der Staatsanwaltschaft am 15. November bekannt gewesen sei.

Siehe dazu auch: