IAA

Last Mile Logistics auf der IAA 2024 Hannover: Mikromobile und Lastenfahrräder

Dank der Verkehrswende muss die Transportbranche insbesondere auf der letzten Meile im urbanen Bereich kreativ werden. Auf der IAA sind einige Ideen zu sehen.

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Dynamic Drives

(Bild: Dynamic Drives)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Nutzfahrzeug-IAA Transportation in Hannover soll laut dem veranstaltenden Verband der Automobilindustrie ein Forum für "Nutzfahrzeug- und Busherstellern, Aufbauten- und Anhängerherstellern, Unternehmen aus der Mikromobilität, Lastenfahrrad- und Kleinfahrzeuganbietern, sowie Zulieferern und Tech-Unternehmen, Dienstleistern und Start-ups" sein. Im ersten Teil stellten wir einige Hersteller von Fernverkehrs- und schweren Lastkraftwagen vor, die außer mit konventionellen auch mit alternativ angetriebenen Fahrzeugen nach Hannover kommen. Für den zweiten Teil haben wir einige der Mikromobilitäts-Spezialisten herausgegriffen.

Die Verkehrswende bringt heute schon mit sich, dass Lkw für den Verteilverkehr bestimmte Umweltzonen nur mehr batterieelektrisch angetrieben erreichen können. Dafür haben sich die durch die Führerscheinklassen definierten 3,5- und 7,5-Tonner, etwa der bereits seit 2017 über Daimler erfolgreich vermarktete Fuso eCanter, bewährt. Da Einfahrtbeschränkungen von immer mehr Städten verhängt werden, befindet sich dieser Bereich in einem ständigen Aufwind. Damit lohnt es sich offenbar nicht nur, klassische Lkw zu elektrifizieren, es gibt sogar modern gedachte, schwerere Neuentwicklungen wie den 16/18-Tonner Volta Zero.

Diese größeren Fahrzeuge werden freilich nicht von Haus zu Haus eingesetzt, sie beliefern lediglich Hubs, von denen aus dann die Haushalte oder Firmen versorgt werden. Dieser Bereich, den die Speditionen oft als "Letzte Meile" bezeichnen, ist ein vielfältiges Biotop für sehr kleine, leichte und lokal emissionsfreie Lieferlösungen. Ganz vorn die Kurier-Express-Paketbranche ("KEP"). Deutsche Post und DHL haben heute rund 30.000 Elektrofahrzeuge im Einsatz. Die Flotte von Hermes Germany umfasst über 1100 elektrische Fahrzeuge, davon 990 E-Transporter und 125 Lastenräder. Die Möglichkeiten werden immer zahlreicher dank eines veränderten Kundenverhaltens – Stichwort Internethandel – und gleichzeitig strenger werdenden Restriktionen, welche die Anwohner schützen sollen. Heute etabliert sind bereits Lastenfahrräder, wie sie die Post in großer Zahl einsetzt und reichen mittlerweile zu heute noch futuristisch anmutenden Robotern und Drohnen.

Die IAA hat diesen Bereich schon länger in ihr Konzept eingebunden und schafft es auch, einige der Hersteller nach Hannover zu ziehen. Das Publikum kann die Exponate nicht nur auf den Ständen sehen, die meisten von ihnen sind auch auf einem Parcours fahrbar. Um den Messebesuchern eine Möglichkeit zu geben, realistische Situationen mit den Fahrzeugen ausprobieren zu können, simulieren sechs Bereiche typische oder mögliche Bedingungen, wie sie im Straßenverkehr vorkommen können. Dazu hat der VDA neben einer Handlingstrecke mit Schikanen auch grobes Kopfsteinpflaster, Temposchwellen, Bordsteine, losen Kies und Sand, eine seitliche Auf- und Abfahrt über Bordsteinkanten sowie verschiedene Steigungen und Gefälle und eine Beschleunigungsstrecke in den Parcours einbauen lassen. Um die Teststrecke von der Witterung unabhängig zu machen, wurde sie in eine der Hallen verlegt.

Antric stellt eine besonders robuste Lieferrad-Variante vor. Die lastrelevanten Teile im Antric One stammen aus dem Automotive-Sektor, um es stabiler auslegen zu können als ein Fahrzeug mit Teilen aus der Fahrradindustrie. Vierrädrig soll es mehr Kippsicherheit und Federungskomfort bieten als die verbreiteten Dreiräder. Das Ladevolumen beträgt 2,2 m³ und die Nutzlast liegt bei 291 kg. Die Innenmaße des Aufbaus sind so konzipiert, dass eine Europalette oder zwei handelsübliche Gitterrollwagen geladen werden können.

(Bild: Antric)

Das Antric ONE verfügt über eine 5-stufige, elektrische Tretunterstützung bis 25 km/h und eine rein elektrische Rangierhilfe vorwärts und rückwärts bis 6 km/h. Für die Akkus mit jeweils 1,44 kWh für eine Reichweite bis zu 50 km sind zwei Steckplätze vorgesehen.

Der Hersteller aus Giessen baut auf Basis skalierbarer Komponenten Pedelecs und mehrspurige Lastenräder mit seriellem Hybridantrieb, auch in Absprache mit dem Fahrzeugbauer. Der Antrieb bezieht die Muskelkraft ein, indem ein Teil der Antriebsleistung über einen pedalgetriebenen Generator bereitgestellt werden kann. Die Kraft kann dadurch per Kabel statt per Kette oder Riemen auf die Radmotoren übertragen werden. Auf der Messe ist Dynamic Drives mit dem kurz vor seiner Serienfertigung befindlichen Intelectra E-Lastenrad mit 450 kg Zuladung und maximal 93 km Reichweite für die urbane Last Mile, Personenbeförderung, für Handwerker, B2B oder auch private Anwendungen vertreten.

(Bild:  Dynamic Drives)

Der in den 1990er-Jahren gegründete Fahrradhersteller mit rund 800 Angestellten bringt gleich fünf leichte Einspurfahrzeuge mit elektrischer Unterstützung auf die Hannover Messe. Sie alle sind überall stark, wo mehrspurige zu breit sind. Das Multitinker ermöglicht auch die Beförderung kleiner Personen. Das Load4 60 im Bild ist ein leichtes Einspur-Lastenrad mit Bosch Motor. Es ist wie die meisten anderen R&M-Modelle mit verschiedenen Schaltungen (Kette, Nabe), aber auch als Single-Speed erhältlich.

Riese und Müller Cargo Load 60

(Bild: Riese und Müller)

CityQ bewirbt sein Lastenvierrad mit dem Besten aus beiden Welten Auto und Fahrrad. Der Anspruch: "ein Auto zum Fahrrad downsizen und dabei den Anwendern ein einmaliges Fahrerlebnis zu bieten". Das neue CityQ Cargo bietet 220 Nm aus zwei Motoren, 100 kg Nettogewicht und einen ergonomischen Sitz mit Sicherheitsgurt. Die Batteriereichweite gibt CityQ mit bis zu 150 km an, mit zwei austauschbaren Batterien unter dem Fahrersitz.

(Bild: CityQ)

Der CityQ Cargo ist in zwei Varianten erhältlich, als Cargo1200 mit 1200-Liter-Ladebox oder als Cargo850 mit 850 Litern Kapazität. Seine Kraftübertragung funktioniert ohne Kette oder Riemen dank eines vollelektrischen Antriebsstrangs. Der modulare Aufbau mit mehreren Staufächern bietet ein bis anderthalb Kubikmeter Ladevolumen, erweiterbar auf bis zu zwei. Optional mit vollständigem Wetterschutz, einschließlich Fenster, Boden, Türen und Scheibenwischer.

Die Marke aus Dänemark baut E-Trikes aus lasergeschnittenen Stahlblechteilen mit bis zu 250 kg Zuladung. Der Laplandar L-250 ist ideal für das Facility- und Immobilienmanagement geeignet. Dazu bestellbar ist eine Reihe vorgefertigter Frachtboxen für verschiedene andere Zwecke. Als Reichweite gibt Laplandar 80 km an.

(Bild: Laplandar)

Bakos B-Van mit Wurzeln in Tunesien und Europa soll als ultraleichter Transporter einen niederschwelligen Einstieg in die E-Mobilität bieten: Bako wirbt, ohne in Details zu gehen, mit Betriebskosten von einem Euro pro 100 km. Mit einer Kapazität von 1320 Litern und einer Zuladung von 400 kg setzt das Fahrzeug Grenzen eher beim Volumen als beim Gewicht.

(Bild: Bako)

Der Motor leistet 7,5 kW, bietet 110 Nm Drehkraft und soll den vierrädrigen Wagen auf 70 km/h bringen. Treten muss man nicht und kann es auch nicht. Zwei Varianten der LFP-Batterie bieten entweder 100 oder 300 km Reichweite. Die Schnellladung soll drei oder sechs Stunden dauern. Das Dach des etwas über 2,8 Meter langen, 1240 mm breiten und 1680 mm hohen Wägelchens ist komplett zur Stromerzeugung mittels Photovoltaik genutzt. Deren Ertrag dürfte allerdings nicht einmal für die optionale Klimaanlage genügen.

(fpi)