Mercedes-Benz gibt wegen China unerwartet kräftige Gewinnwarnung aus
Nach jahrelang gutem Geschäft kappt Mercedes-Benz seine Gewinnprognose wegen lahmender Verkäufe in China. Gerade die teuren Autos verkaufen sich schlecht.
- dpa
Mercedes-Benz kappt nach Volkswagen und BMW wegen schlechter Verkäufe in China seine Gewinnprognose nach einem lange brummenden Geschäft. Auch bei den Verkaufspreisen muss der Hersteller wohl Abstriche machen: Die besonders teuren und damit gewinnträchtigen Autos verkaufen sich nicht mehr so gut wie gedacht. Der Konzern geht zudem von ungünstigen Sondereffekten aus. Die Mercedes-Aktie verlor am Freitag deutlich und zog andere Werte aus der Branche mit nach unten.
Die Aktie verlor nach Handelsbeginn als Schlusslicht im Dax mehr als acht Prozent auf 54,05Â Euro und fiel damit auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Bisher hatte sich der Kurs im laufenden Jahr besser gehalten als die von BMW und Volkswagen. Das Jahreshoch von ĂĽber 77Â Euro aus dem April verfehlt Mercedes jedoch weit. Eine RĂĽcknahme bei den Zielen ist zwar erwartet worden, aber nicht in diesem AusmaĂź.
Fragen hinsichtlich Profitabilität
Der Einschnitt sei größer als derjenige von BMW neulich, urteilte man bei UBS. In München hatte zudem ein großer Rückruf das Ergebnis belastet. Dass Mercedes auch ohne einen solchen die Ziele so stark einstampfte, werfe Fragen hinsichtlich der grundlegenden Profitabilität auf.
In China läuft es schon länger nicht mehr rund für Mercedes-Benz, weil die wohlhabenden Kunden in der Volksrepublik angesichts der Immobilienkrise im Land für den Autokauf weniger tief in die Tasche greifen. China ist der wichtigste Markt für Mercedes. In diesem Jahr dürfte der Absatz der besonders lukrativen Top-End-Modelle weltweit spürbar unter 300.000 Autos bleiben, sagte Finanzchef Harald Wilhelm in einer Videokonferenz mit Analysten. Vergangenes Jahr hatte Mercedes von Modellen wie der S-Klasse, der Luxus-Submarke Maybach und der Tuningmarke AMG 328.200 Stück abgesetzt.
China derzeit "sehr vorsichtig"
"Ich weiß nicht, wie lang die Situation in China so bleibt", räumte Vorstandschef Ola Källenius ein. Die Klientel in China sei derzeit "sehr vorsichtig, um es diplomatisch auszudrücken". Zwar schienen die Zinsen in vielen Regionen der Welt wieder zu sinken. Das hätte aber nur einen verzögerten Effekt auf die Kaufbereitschaft der Kunden. Eine hohe Inflation und stark steigende Zinsen in den beiden vergangenen Jahren hatten Firmen und Verbraucher beim Autokauf zurückhaltend werden lassen. Der Konzern bleibe vorsichtig, was die konjunkturelle Lage angehe, insbesondere in China, sagte Källenius.
Mercedes rechnet jetzt beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) für 2024 mit einem deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von 19,7 Milliarden Euro, wie das Unternehmen mitteilte. Bislang hatte der Vorstand einen leichten Rückgang erwartet. Bei der am Aktienmarkt meistbeachteten Finanzkennziffer, der um Sondereffekte bereinigten operativen Marge im Pkw-Geschäft, traut sich das Management nur noch 7,5 bis 8,5 Prozent Umsatzrendite zu. Erst im Juli hatte der Vorstand die Zielspanne auf zehn bis elf Prozent gesenkt, dabei aber noch auf ein stärkeres zweites Halbjahr gehofft. Im vergangenen Jahr war die Marge bereits um zwei auf 12,6 Prozent geschrumpft.
Schwäche bei Elektroautos
In China habe sich die nachlassende Dynamik auf den Gesamtabsatz ausgewirkt, einschließlich der Verkäufe im hochpreisigen Segment, hieß es. Insgesamt geht Mercedes-Benz davon aus, dass der Absatzmix im zweiten Halbjahr unverändert gegenüber dem ersten Halbjahr bleiben dürfte und somit schwächer ausfalle als ursprünglich erwartet.
Im zweiten Halbjahr rechnet Källenius nur noch mit einer bereinigten operativen Pkw-Marge von um die sechs Prozent. Darin sind Sonderbelastungen aus Bewertungssachverhalten von rund einem Prozentpunkt enthalten. Diese Sonderkosten dürften zum einen für die derzeit nur schwach nachgefragten Elektroantriebe anfallen, weil sie länger brauchen, um verkauft zu werden und den Vorratsbestand erhöhen, sagte Finanzchef Wilhelm. Außerdem fielen in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation Zusatzkosten bei Lieferanten und Händlern für Forderungen und Verbindlichkeiten an.
Den freien Mittelfluss des Industriegeschäfts sieht Mercedes-Benz 2024 ebenfalls deutlich unter dem Vorjahreswert von 11,3 Milliarden Euro. Auch hier hatte das Unternehmen bisher lediglich einen leichten Rückgang erwartet. Die Kennzahl spielt für Anleger eine besondere Rolle: Sollten nach der angepeilten Dividendenausschüttung von rund 40 Prozent des Nettogewinns und nach möglichen kleineren Übernahmen noch freie Finanzmittel aus einem Jahr übrig sein, will Mercedes diese regelmäßig in Aktienrückkäufe stecken. Die sorgen tendenziell über einen höheren Gewinnanteil je Aktie für Kursaufschläge und sind daher bei Investoren beliebt. Kritiker dieser Art von Geldausschüttung monieren allerdings, dass damit Investitionen ins künftige Geschäft zu kurz kommen könnten.
Investitionen eher auf Sicht
Mercedes-Finanzchef Wilhelm beteuerte, dass die Regeln für Dividenden und Aktienrückkäufe bestehen blieben. Das Management wolle sich auch auf der kommenden Hauptversammlung wieder vorsorglich Aktienrückkäufe im üblichen Umfang von den Aktionären genehmigen lassen. Gleichzeitig stellte er angesichts der schwächer erwarteten Finanzströme als Trostpflaster eine etwas erhöhte Ausschüttungsquote von diesmal über 40 Prozent in Aussicht. Hier sei man flexibel.
Seine Prognosen für die bereinigte Umsatzrendite von Mercedes-Benz Vans ließ der Konzern ebenso unangetastet wie für die bereinigte Eigenkapitalrendite von Mercedes-Benz Mobility, dem Finanzdienstleistungs- und Mobilitätsgeschäft.
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(fpi)