SCO vs. Linux: Gemeinsam die Fakten umarmen

Weiß SCO selbst nicht, wo der Code steckt, der die Klage gegen IBM wegen angeblich geklauten Unix-System-V-Codes im Linux-Kernel begründet? Die Verwirrung um den angeblichen DDoS-Angriff auf SCO geht ebenfalls weiter.

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Von
  • Detlef Borchers

"Das, worauf wir uns gemeinsam verständigen müssen, auf unserer Seite und auf IBMs Seite, ist eine klare Definition, um welchen Sourcecode es sich dreht, welcher Sourcecode möglicherweise eine Verletzung [der Verträge] darstellt." In der Übersetzung mag es etwas harmlos klingen, weil die Floskel "get arms around collectively" auch einen Anklang an die Waffen eines Kampfes (arms) enthält, doch der Tenor ist klar. Was SCO-Anwalt Kevin McBride am vergangenen Freitag in der gerichtlichen Anhörung zu Protokoll gab, kann als Eingeständnis interpretiert werden, dass SCO selbst nicht weiß, wo der fragliche Code steckt, der die milliardenschwere Klage gegen IBM wegen angeblich geklauten Unix-System-V-Codes im Linux-Kernel begründet.

Während unermüdliche "Grokker" diese gerichtliche Anhörung in Textform übertragen, hat IBM auf die Argumentation von SCO reagiert. Anstelle der gemeinsamen Verständigung sucht man die Konfrontation: Mit einer Eingabe vor Gericht verweist der Konzern auf die Schwere der Anschuldigungen von SCO. Wer von Betrug rede, müsse auch die Fakten präsentieren können. Eine Argumentation, nach der bislang unbekannte Fakten den Beweis erbringen sollen, sei der Sache nicht angemessen.

Im Rahmen der Versuche von SCO, die Investoren zu beruhigen, hatte die Firma neue Pflicht-Berichte an die Finanzaufsicht übermittelt. Nach Studium der Berichte fragte das Linux Journal bei SCO-Chef Darl McBride nach, ob in der von den Berichten genannten Zahlung von 1,6 Millionen Dollar an die Anwälte auch Einnahmen enthalten seien, die aus dem Verkauf der Linux-Lizenzen stammen. Nach überschlägigen Berechnungen entsprechend der an die Anwälte überwiesenen Summe müsste SCO etwa 11.000 Lizenzen verkauft haben, meint das Linux Journal. McBride dementierte den Sachverhalt. So kommt der Artikel zu dem Schluss, dass bislang keine Einnahmen mit der Linux-Lizenz erzielt worden sind.

Hier trifft sich die Argumentation mit einem Offenen Brief von Robert Young, dem Gründer und ehemaligem Chef des Linux-Distributors Red Hat. Mit seinem Brief reagierte Young auf einen Offenen Brief von Darl McBride, in dem dieser die GPL als Copyleft denunzierte, das zutiefst gegen das uramerikanische Streben nach Profit und Erfolg gerichtet sei. Gegen McBrides Argumente führt Young die miserablen Geschäftsergebnisse der SCO Group an: "Amerikanische Unternehmen nehmen sich nicht einfach illegal das Eigentum von irgendjemanden, nur um ein paar Märker zu sparen. Sie kaufen das beste Produkt und die besten Dienstleistungen von den Firmen, denen sie am meisten trauen. Sie und ihr Team haben bewiesen, dass Sie unfähig sind, gute Produkte zu produzieren, die mindestens so gut sind, wie die der anderen Anbieter. Diese selbsverliebten 'Offenen Briefe' lassen SCO als überaus unglaubwürdig erscheinen."

Unterdessen ist die Debatte noch nicht vorbei, ob die gestrige Pressemeldung von SCO zu einer "Attacke von Cyberterroristen" (so Presseprecher Blake Stowell) auf einer tatsächlichen Begebenheit beruht oder nur ein Ablenkungsmnöver von der misslichen Lage darstellt. Etliche Systemverwalter vor allem in Nordamerika berichten von Funden in den Log-Dateien ihrer Firewalls, nach denen einige Rechner von SCO unablässig auf eine SYN-Flut mit der ACK-Bestätigung geantwortet haben. Dabei wurden nicht alle erreichbaren Rechner angegriffen, Systeme wie der UDI-Server hatten keine Probleme. Die Attacke, die die Presserklärung als DDoS-Angriff beschreibt, erklärt nach Ansicht von Fachleuten jedoch nicht, warum das Intranet der Firma zusammenbrechen konnte, wie dies SCO behauptet hatte.

Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)