Software-Koop: Volkswagen kauft sich bei Rivian ein

Volkswagen investiert Milliarden in Rivian, um seine Software-Entwicklung zu beschleunigen. Kommende Autos sollen von der Software-Architektur profitieren.

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VW ID.4 Innenraum

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Lesezeit: 4 Min.
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Der Pfad zum softwaredefinierten Fahrzeug ist steinig, und einige der klassischen Autohersteller tun sich schwer, in die neue Zeit durchzustarten. Logische Folge dessen sind Kooperationen. Volkswagen verschafft sich mit einer Milliarden-Investition Zugang zur Software-Architektur von Rivian. Bis zu 5 Milliarden Euro will der Konzern dafür insgesamt in den kommenden Jahren in die Hand nehmen. Ein beträchtlicher Betrag für eine Firma wie Rivian, die seit Jahren rote Zahlen schreibt. Doch Volkswagen hat für ein Engagement gute Gründe.

Die geplante Kooperation ist klar umrissen: Bei den Themen Software, Steuergeräte sowie Netzwerk-Architektur will Volkswagen vom Know-how Rivians profitieren. Volkswagen plant, in neuen Autos in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auf Rivians Technologie und Software einschwenken. Der Konzern könnte damit viel Geld im Vergleich zu einer vergleichbaren Entwicklung in Eigenregie sparen. Ziel sei eine geringere Komplexität und ein Fokus auf Software. Rivian-Chef RJ Scaringe betonte, dass andere Bereiche wie Batterien oder Antriebstechnik nicht Teil der Partnerschaft seien.

Der Plan von Rivian und Volkswagen sieht ein Gemeinschaftsunternehmen vor, in dem für beide Hersteller entwickelt werden soll. Die Milliarden sollen Rivian nach und nach zufließen. Erst kauft Volkswagen Wandelanleihen für eine Milliarde Dollar. Kommt das gemeinsame Entwicklungslabor zustande, zahlt Volkswagen eine weitere Milliarde, kauft in zwei Tranchen Aktien für jeweils eine Milliarde 2025 und 2026 und gibt eine weitere Milliarde als Kredit. Rivian entwickelte von Anfang an eine eigene Architektur, in der die Autoelektronik in mehrere Zonen mit eigenen Steuergeräten aufgeteilt wird. In der ersten Generation der Rivian-Plattform seien noch 17 dieser Steuereinheiten nötig gewesen, sagte Scaringe. Jetzt zur zweiten Generation habe man die Zahl auf sieben gedrückt.

Volkswagen hatte beim Start von ID.3 (Test) und Golf 8 mit massiven Problemen zu kämpfen. Es dauerte geraume Zeit, bis zumindest die gröbsten Probleme aussortiert waren. Inzwischen ist die Software nach mehrfachen Updates gereift und läuft in aktuellen Modellen weitgehend störungsfrei. In Skoda Enyaq und VW ID.4, die wir als Testwagen in der Redaktion hatten, waren keine größeren Bugs mehr zu entdecken.

Rivian-Chef Scaringe wirbt dennoch intensiv für die Kooperation. Man habe in den vergangenen Jahren erkannt, dass etablierte Hersteller Schwierigkeiten bei eigener Software hätten. Er sieht den Grund dafür darin, wie das Geschäft der Autohersteller über Jahrzehnte lief. Technik wurde bei verschiedenen Zulieferern eingekauft, "im Ergebnis hatte man eine Menge kleiner Computer, die an ganz bestimmte Funktionen angebunden waren". Wenn man aus dieser Welt komme, tue man sich schwer damit, eine Architektur nach dem Zonen-Prinzip zu entwickeln, bei der eine Steuereinheit Funktionen über mehrere Bereiche hinweg übernehme. Rivian ordnete diese ECUs (Electronic Control Unit) verteilt im Fahrzeug an, um den Weg für die Datenübermittlung zu verkürzen.

Rivian sei einer der weniger Hersteller, die eine solche Zonen-Architektur in der Serienproduktion hätten und damit wertvoll für Volkswagen, kommentierte den Deal der Autoanalyst der Marktforschungsfirma Garter, Pedro Pacheco. Wenn man bedenkt, wie viel Geld Volkswagen bereits in die Entwicklung einer eigenen Plattform investiert habe, seien die Milliarden für Rivian "ein echtes Schnäppchen" für den deutschen Konzern. Der Deal sende auch ein Signal, dass Dinge, die man einst selber entwickelte, nun von einem anderen Hersteller kommen könnten. Zugleich warf Pacheco die Frage auf, was Hersteller mit ihren eigenen Autosoftware-Teams machen, wenn sie so viel zukaufen.

Rivian lieferte im vergangenen Quartal knapp 13.600 Elektroautos aus und machte dabei 1,2 Milliarden Dollar Umsatz sowie 1,45 Milliarden Dollar Verlust. Die Firma ist in zwei in den USA populären Fahrzeug-Kategorien aktiv: Große SUVs und Pickups. Außerdem baut Rivian für Amazon elektrische Lieferwagen, die inzwischen auch in Europa zu sehen sind. Der weltgrößte Online-Händler ist ebenfalls ein Investor.

(mfz)