Studie: Autoindustrie wird auch 2024 noch unter Chipmangel leiden

AlixPartners erwarten für 2022 einen globalen Absatzrückgang um rund eine Million Autos. Dem Chipmangel attestieren sie ein zähes Leben bis "mindestens 2024".

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"Die europäische Autoindustrie muss spätestens jetzt ihre Aufholjagd beginnen", sagt AlixPartners. Das Bild zeigt die Fertigung eines Elektroautos im BMW-Brilliance-Werk Lydia in Shenyang, China.

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Ukraine-Krieg und Rohstofflieferengpässe bremsen die Automobilbranche, die Beratungsagentur AlixPartners erwartet für 2022 einen globalen Absatzrückgang um rund eine Million Autos. Zwar steigt der Absatz von Elektroautos, doch lässt nun die Rohstoffknappheit nach Jahren immer günstigerer Batterien die Kosten erstmals steigen.

Weltweit rechnet die Studie "Global Automotive Outlook 2022" mit einem Absatzrückgang von 80,3 auf 78,9 Millionen Fahrzeugen von 2021 auf 2022. Damit einher geht ein um 238 Milliarden Euro geringerer Umsatz durch Lieferengpässe. China, Japan und Europa wird der größte Rückgang vorausgesagt, in der EU soll er drei Prozentpunkte betragen. Die Ergebnisse deuten eine Erholung der Fahrzeugproduktion auf ein vorpandemisches Niveau frühestens von 2024 an.

In Deutschland sollen die Verkäufe nach einem Gipfel von 3,7 Millionen Autos 2024 in einen Bereich von 3,2 bis 3,5 Millionen und damit bis zu 500.000 Stück unter den Verkaufszahlen vor Covid-19 absinken. Als Grund nennt die Studie ein dauerhaft verändertes Mobilitätsverhalten.

Die gestiegenen Rohmaterialkosten sollen dazu führen, dass über die Hälfte des wirtschaftlichen Gewinns bis 2023 auf die Fahrzeughersteller entfällt. Bei den Zulieferern hingegen soll die Erholung erst frühestens ab kommendem Jahr wieder ähnliche Gewinne wie vor 2020 ermöglichen.

AlixPartners rät den Herstellern in Europa wegen der geopolitischen Verwerfungen nachhaltig stabile Lieferketten aufzubauen und echte Partnerschaften mit ihren Zulieferern statt sie am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen.

Der weltweite Absatz von batterieelektrischen Autos verdoppelt sich nach der Studie zwischen 2020 und 2021 auf 6,75 Mio. Stück. Sie rechnet mit einem E-Auto-Anteil von 83 Prozent aller verkauften Fahrzeuge bis 2035, weltweit mit 55 Prozent. Bereits 2028 sollen 55 Prozent aller Verkäufe in der EU Elektrofahrzeuge sein.

Spätestens jetzt müsse eine Aufholjagd deutscher Automobilhersteller beginnen, um den Anschluss international und in besonderer Hinsicht auf China nicht zu verpassen. "Im Vergleich zu chinesischen Autoherstellern oder Tesla hinkt die deutsche Autoindustrie im Bereich E-Autos in China noch deutlich hinterher", sagt Fabian Piontek anlässlich der Studienergebnisse.

Der Halbleiterknappheit attestiert die Studie trotz höherer Chip-Produktion ein zähes Leben bis "mindestens 2024". Im Vergleich zu aktuellen Fahrzeugen mit Verbrennermotor werden Elektroautos mit ihrem um den Faktor zehn größeren Bedarf an Halbleitern die Herstellungskapazitäten weiterhin überstrapazieren.

In ähnlicher Weise soll die Materialknappheit auch die Batterieproduktion ganz entgegen dem gewohnten Trend verteuern. OEMs müssen daher verstärkt darauf achten, Rohstoffe für die Elektrofahrzeugproduktion zu sichern. LFP-Zellen werden als ein Weg gesehen, den Anstieg durch eine geringere Abhängigkeit von seltenen Rohstoffen zu bremsen.

Christian Siekmann, Auto-Experte bei AlixPartners, rät den Herstellern, "auf dem Weg zum Massenmarkt die steigende Diversität ihrer Kundschaft zu berücksichtigen. Es muss Ladeinfrastruktur geschaffen werden, die es nicht nur Hausbesitzern mit eigener Ladestation ermöglicht, ihr Fahrzeug betriebsbereit zu halten. Auch Städter ohne eigene Parkmöglichkeit benötigen verlässliche Ladepunkte. Daher braucht es mehr Ladesäulen im öffentlichen Raum – beispielsweise für während des Einkaufs im Supermarkt oder während der Arbeitszeit."

Für seinen Global Automotive Outlook 2022 wertete AlixPartners Bilanzen von über 300 Autoherstellern und -zulieferern aus, führte Experteninterviews, verwendete die Ergebnisse aus Verbraucherumfragen und machte weltweit eine Umfrage unter 70 Zulieferern für Antrieb und Elektronik.

(fpi)