Telekom-Chef Sihler bereitet Nachfolger den Boden

Der noch zu findende neue Vorstandschef der Telekom finde sicher intern eher Akzeptanz, wenn "Grausamkeiten" vorher entschieden seien, meinen Beobachter.

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Von
  • Peter Lessmann
  • Volker Danisch
  • dpa

So richtig bekannt wurde Helmut Sihler erst im Rentenalter. Als Ron Sommer im Juli diesen Jahres nach wochenlangem Tauziehen sein Amt als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom niederlegte, sprang der 72-jährige Porsche-Fahrer beherzt ein. Für eine Übergangszeit von sechs Monaten soll er den Konzern lenken, bis ein jüngerer Sommer-Nachfolger die Schalthebel übernimmt. Die sonst übliche Schonfrist gab es für Sihler aber nicht. Er gab in seinen ersten 100 Amtstagen Gas, wie auch Kritiker bescheinigen. Wichtige Richtungsentscheidungen sind aber noch zu treffen. Was wird aus der US-Mobilfunktochter Voicestream?, lautet eine der drängenden Fragen.

Fast schien es, der Düsseldorfer Waschmittelkonzern Henkel hat nun beim Bonner Konzern das Sagen. Sihler und Telekom-Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus sind durch ihre langjährige Tätigkeit in der Henkel-Geschäftsführung Vertraute. Winkhaus war Sihlers Nachfolger sowohl an der Spitze der Henkel-Geschäftsführung als auch an der des Telekom-Aufsichtsrates. Jetzt soll das Tandem das Team Telekom wieder auf Erfolg trimmen. Getreu dem Sprichwort "Neue Besen kehren gut" kündigte Sihler zum Amtsantritt harte Einschnitte an. Die Pläne, den Schuldenberg von mehr als 60 Milliarden Euro mit dem Verkauf des Fernsehkabelnetzes an den US-Konzern Liberty und dem Börsengang der Mobilfunktochter T-Mobile abzubauen, waren damals bereits geplatzt.

Der gebürtige Österreicher musste mit den Halbjahreszahlen der Deutschen Telekom im August die schlechteste Bilanz seines Lebens vorlegen: Statt stetig schäumender Gewinne wie bei Henkel leuchten die Zahlen der Telekom tiefrot. Sihler stellt alle Aktivitäten auf den Prüfstand, es gebe keine "heiligen Kühe". Für einen Aufschrei bei der Belegschaft sorgte dann Anfang Oktober die Ankündigung, bis 2005 sollen 50.000 Arbeitsplätze wegfallen. Die Gewerkschaft ver.di kündigte einen scharfen Gegenwind zu diesem Plan im Aufsichtsrat an. Zudem seien Protestaktionen der Mitarbeiter nicht ausgeschlossen.

"Sihler bereitet dem künftigen Spitzen-Mann den Boden", meint das Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, Reinhild Keitel. Der neue Vorstandschef finde sicher intern eher Akzeptanz, wenn "Grausamkeiten" vorher entschieden seien. "Sihler hat mit dem Stellenabbau ein Tabuthema angepackt", meint der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker.

Hocker warnt aber davor, die Dividende für die Kleinaktionäre zu streichen, die bereits unter dem Kurssturz der T-Aktie stark gelitten hätten. Wenn die Deutsche Telekom bei ihrer Gewinnausschüttung sparen wolle, solle der Bund auf seine Dividende verzichten. Die Dividende war bereits auf 37 Cent je T-Aktie fast halbiert worden. Der Bonner Konzern schüttet nach eigenen Angaben für das Jahr 2001 über eine Milliarde Euro aus. Davon profitierte stark der Bund, der direkt und indirekt -- über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) -- 43 Prozent der Aktien hält. Ein Dividende-Streichen dürfte bei der angespannten Finanzlage des Bund auch dem Großaktionär überhaupt nicht schmecken.

Wie Sihler steht auch Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus unter enormen Erfolgsdruck. Konzernbetriebsratschef Wilhelm Wegner forderte im Zusammenhang mit dem Stühlerücken an der Telekom-Spitze den Rücktritt von Winkhaus. Er warf ihm außerdem vor, durch eine "dilettantische Suche" nach einem Sommer-Nachfolger den Konzern zu blamieren. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein neuer Kandidatenname auftaucht oder wieder verschwindet. Die Liste derer, die bereits abgewunken haben, reicht von dem Philips-Manager Gottfried Dutiné bis Postchef Klaus Zumwinkel. "Die Nachfolgerfrage überschattet die Tätigkeit Sihlers", betont Hocker. "Die Debatte ist schädlich", meint auch Keitel. Das Personalkarussell sollte nicht erst am Jahresende zum Stehen kommen.

Die Aktionärsschützer favorisieren im Rennen um Sommers Nachfolge einen Manager, der von außen in die Konzernzentrale kommt. "Alle, die von innen kommen, haben die Entwicklung der Telekom mitgestaltet, mitentschieden und mitverantwortet", sagt Keitel. Eine externe Lösung wäre ein deutliches Signal für einen Neuanfang. Sihler macht die Führungsrolle große Freude. Es wäre der "Beginn einer schönen Beziehung", sagte er vor Wochen, wenn er nicht so alt und sein Vertrag nicht befristet wäre. Sollte er dennoch länger bleiben, würde das wohl als Blamage seines Weggefährten Winkhaus gesehen, weil der mit leeren Händen dastünde. (Peter Lessmann, Volker Danisch, dpa) / (jk)