Rechenzentren im Energieeffizienzgesetz: Wärmewende braucht mehr als Planspiele

Seite 4: Unverständnis für physikalische Gegebenheiten

Inhaltsverzeichnis

Als Gegenpol brachte Max Schulze von der Sustainable Digital Infrastructure Alliance eine Sichtweise nah am Gesetzgeber ein, der die Forderungen als Antreiber für Fortschritt und Auftrag begreift. Laut seines Verbands bestehe ein gesellschaftlicher Wille zu harten Einschnitten, und die Hoffnung lautet offenbar, dass Forderungen den gewünschten Fortschritt schon zutage fördern werden, unabhängig von physikalischen Gesetzmäßigkeiten und Grenzen wie der niedrigen Temperatur der Abwärme, dem Fehlen von Rohren zum Transport oder geeigneten Abnehmern. Es sei Sache der Wirtschaft, hier für die nötigen Innovationen zu sorgen und selbst zu investieren. Man könne nicht zwanzig, dreißig Jahre warten auf die nächste Generation von Nahwärmenetzen, als rote Linien nannte Schulze 2030 und 2050 und die verbindliche Notwendigkeit des CO₂-Ausstoßes.

Kritik an der Machbarkeit der Vorgaben konnten den Verbandssprecher nicht beirren, und so wiederholte er (etwas gebetsmühlenhaft) die geplante harte Linie, ohne sachliche Argumente anzuführen oder gelten zu lassen. Im Publikum regte sich stellenweise Unmut. Dabei sticht heraus, dass das gesetzgeberische Vorhaben offenbar einzig dieser Branche gilt und sie einer Regulierung unterwerfen soll, andere energieintensive Branchen hingegen ausspart. Schulze verteidigte das, die Branche sei eben bislang zu wenig reguliert worden. Insbesondere vom Physiker Waldhauser ernteten einige seiner Positionen schärferen Widerspruch.

Die im Entwurf vorgesehenen Nachhaltigkeitsziele teilt die Branche laut eigenen Aussagen. Was infrage steht, ist offenbar die Dimension der Abgabeverpflichtung in sehr kurzer Zeit, die sich mangels Infrastruktur zum Transport der Abwärme technisch nicht umsetzen lässt. Da auf EU-Ebene eine übergeordnete Regelung bereits in Vorbereitung ist, liefe ein gesetzgeberischer Alleingang der Bundesregierung nach heutigem Kenntnisstand wohl auf rechtliche Auseinandersetzungen und somit längere Rechtsunsicherheit sowie hohen bürokratischen Aufwand für die deutsche Rechenzentrumsbranche und die hiesige Digitalwirtschaft hinaus, wie Waldhauser auf Nachfrage betonte.

Die Forderung des Nachhaltigkeits-Verbandsvertreters Schulze stieß beim Panel und Publikum auf Unverständnis. Wenn Rechenzentrumsbetreiber nun Fernwärmenetze bauen müssten, wäre das in etwa so, als müssten Autofahrer die nächste Autobahn selbst bauen, lauteten Einwände: Rabe und Waldhauser sehen im Bereitstellen von Infrastruktur den Staat in der Pflicht, ein Ökosystem zu schaffen.

Um Klimaziele einzuhalten und die Abgabe von Abwärme sinnvoll zu planen, wären wohl Wärmekataster hilfreich. Ohne moderne, flächendeckende Infrastruktur wird es aber auch nicht gehen: Fernwärmenetze der neuesten Generation sind gefragt, und deren Umsetzung werden Rechenzentrumsbetreiber nicht allein und schon gar nicht von heute auf morgen stemmen können. Investitionen von Bund und Ländern wären wohl notwendig. Mehr wasser- statt luftgekühlter Server war ebenfalls eine umsetzbare Forderung beim Panel, und dass die Verantwortlichen der Gesetzgebung mit Sachverständigen reden. Der Vertreter der Regierungsposition hingegen beschränkte seinen Beitrag auf das etwas formelhaft wirkende Einfordern von Abwärmenutzung, "Physik hin oder her".

Die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes ist nach dem Leaken wieder offen, sofern es am Ende überhaupt beschlossen wird. Mit Blick auf die EU-Regelung scheint ein deutsches Sondergesetz nicht zwingend erforderlich zu sein, auch so ließen sich Rechtsunsicherheit und -streit vermeiden. Einen offiziellen Entwurf gibt es zurzeit noch nicht. Es bleibt zu hoffen, dass auf Bundesebene die Sachverständigen und Betreiber nun mit an den Verhandlungstisch geholt werden. Unter anderem hatte die IHK Karlsruhe bis zum 15. November 2022 Hinweise für eine Stellungnahme zum Referentenentwurf entgegengenommen.

(sih)