Ausfahrt mit dem Elektroauto Audi Q4 e-tron Sportback: Nobelvorlage des VW ID.5

Der bislang teuerste Wagen auf Basis des Modularen Elektrobaukastens soll mit klassischen Markenwerten überzeugen. Wie fährt sich der Audi Q4 e-tron?

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Audi Q4 e-tron
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
Inhaltsverzeichnis

Volkswagen hat schon des Öfteren gezeigt, dass auf einer Plattform höchst unterschiedliche Autos aufgebaut werden können. Der Audi Q4 e-tron ist erheblich teurer als VW ID.4 und Skoda Enyaq auf gleicher Basis, für das "Sportback" genannte Coupé gilt das natürlich erst recht. Eine erste Ausfahrt sollte klären, wie das gerechtfertigt sein soll.

Die technische Basis ist zunächst einmal identisch mit den anderen Modellen aus dem Konzern. Die Batterie hat einen Energiegehalt von 77 kWh netto. Je nach Ausstattung ergibt sich daraus eine Reichweite zwischen 420 und 497 km unter den Bedingungen des WLTP. Vergleichsweise zahm wirkt die maximal mögliche Ladeleistung von 125 kW – hier bieten einige erheblich mehr. Volkswagen wird hier nachbessern müssen. Audi verspricht, dass eine Aufladung von fünf auf 80 Prozent in 38 Minuten erledigt sein soll.

Im WLTP liegt der Verbrauch zwischen 17,6 und 20,9 kWh. Auf unserer ersten Etappe pendelte sich der Stromkonsum laut Bordcomputer bei knapp 22 kWh/100 km ein. Zu berücksichtigen ist dabei zweierlei: Erstens kommen zu diesem Wert noch Ladeverluste hinzu, die je nach Art der Aufladung unterschiedlich hoch sind. Das ist kein abstrakter, imaginärer Wert, sondern schlicht das, was Sie bezahlen müssen. Zweitens war unsere erste Ausfahrt viel zu kurz, um eine verlässliche Aussage zum Verbrauch zu machen. Potenzial nach unten gibt es noch, wenngleich klar sein muss: Wer ein 2,2-Tonnen-SUV mit 220 kW fahren will, wird beim Stromverbrauch keine neuen Bestwerte aufstellen können.

Audi Q4 e-tron Sportback außen (7 Bilder)

Autodesign im Stil der Zeit: Der Audi Q4 tritt wuchtig auf.

Geplant sind zunächst zwei Leistungsstufen, die 125 und 220 kW liefern. Im Q4 50 e-tron kommt zum Heckmotor mit 150 kW noch ein E-Motor an der Vorderachse hinzu, der 80 kW beisteuert. Dieser Antriebsstrang ist seit kurzem auch im VW ID.4 GTX verfügbar. Mit insgesamt 220 kW ist das vorläufige Q4-Topmodell bestens ausgestattet, wie die erste Proberunde zeigt. Trotz eines Leergewichts von 2210 kg fährt sich der teuerste Q4 sehr leichtfüßig. Überholmanöver auf der Landstraße gelingen mit einer Lässigkeit, die nur mit souverän umschrieben werden kann. Die Werksangaben spiegeln das nur unzureichend wider, wobei das Topmodell mit 6,2 Sekunden im Standardsprint und 180 km/h Höchstgeschwindigkeit eine ganze Ecke flotter ist als das Modell mit 150 kW und Heckantrieb.

Losgelöst davon fällt wieder einmal auf, wie überlegen ein Elektromotor dem Verbrenner ist – zu spüren vor allem daran, was alles wegfällt: Kein Suchen mehr nach der passenden Übersetzung, keine Verzögerung durch einen Ladedruckaufbau, keine Unterbrechung oder temporäres Nachlassen der Zugkraft. Jeder Tritt auf das Fahrpedal wird umgehend umgesetzt. Das Ganze wird serviert ohne jeglichen Radau. Wer das eine Zeitlang ausprobiert hat, wird vermutlich nur sehr ungern zum Verbrenner zurückkehren.

Die Abstimmung des Allradantriebs erweist sich im Zusammenspiel mit der Mischbereifung (235/45 R21 vorn, 255/40 R21 hinten) als ziemlich agil, ohne unkomfortabel zu werden. Die schwere Fuhre lässt sich mit geradezu erstaunlichem Tempo um die Ecke treiben. Der Grenzbereich deutet sich dabei gut spürbar an, denn dann fängt das SUV an, sachte nach außen zu schieben. Die präzise Progressivlenkung trägt ihren Teil zu dieser Agilität bei. Dabei hat es Audi mit der Härte nicht übertrieben: Selbst im Sportmodus agieren die adaptiven Dämpfer nicht über die Gebühr unnachgiebig.

Im Sportmodus wird die mittlere von drei Rekuperationsstufen aktiviert, was Audi folgendermaßen erklärt: "Wir denken, dass ein sportlicher Fahrer gerne mit den Wippen am Lenkrad agiert." Dort lässt sich die Bremsenergierückgewinnung einstellen. Schon in der zweiten Stufe braucht man das Bremspedal selten, in der höchsten nur noch im Notfall. Die Auslegung dort erinnert an den Mini Cooper SE (Test): Dort wie hier bedeutet die höchste Rekuperationsstufe, dass der schlichte Vorgang "Fuß-vom-Pedal-nehmen" einer ziemlich kräftigen Bremsung entspricht.

Interessant ist das Efficiency-Programm, bei dem die Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h begrenzt wird, was per Fahrpedal-Durchtreten überstimmt werden kann. In diesem Programm wird das Zusammenspiel zwischen der Navigation, den Sensoren und dem Antriebsstrang auf größtmögliche Effizienz ausgelegt und das bedeutet für die Audi-Ingenieure segeln statt rekuperieren. Erkennt das System etwa den Beginn einer Stadt, sind die Bremseingriffe zudem weniger brachial.

Das Zusammenspiel der Systeme ist eine der großen Stärke des Audi Q4 e-tron. Der Infotainment-Prozessor ist der gleiche, wie er im teuren Audi e-tron eingebaut ist. Dementsprechend flüssig läuft die Bedienung auch im Q4 e-tron. Das Head-up-Display projiziert die grafischen Hinweise in der virtuellen Größe eines 70-Zoll-Monitors, allerdings ist bei dem fliegenden Navigationspfeil der Kontrast zu niedrig. Daran arbeite man, sagt Audi.

Audi Q4 e-tron Sportback innen (8 Bilder)

Audi hat es mit der Zahl der Tasten auf dem Lenkrad nicht übertrieben, die Bedienung gelingt weitgehend intuitiv.

Abgesehen davon zeigte das Probefahrt-Exemplar typische Qualitäten der Marke. Es war ordentlich zusammengebaut und spürbar feiner ausgekleidet als der VW ID.4. Mutmaßlich wird es vor allem das sein, was Interessenten zum Audi treibt, zumal VW diesen Schritt ja geradezu herausfordert. Auch durften die Audi-Ingenieure mehr Geld in die Geräuschdämmung investierten, was sich (nicht) hörbar auszahlt: Der Q4 e-tron ist ein sehr leises Auto. Aufgefallen ist uns in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass die 21-Zoll-Räder etwas lauter abrollen als die Bereifung mit den 20-Zoll-Felgen.

Das von uns gefahrene Topmodell soll 54.500 Euro aufwärts kosten. Das sind nochmals 900 Euro mehr als für den Q4 ohne Coupé-Heckabschluss kalkuliert werden. Hinzu kommt das übliche Kleinklein der Preisliste, die für das Coupé bislang noch nicht vorliegt. Allerdings ist mit einem ähnlichen Ausstattungsumfang zu rechnen wie beim gewöhnlichen Q4-SUV. Genau hinschauen lohnt sich, denn ein Auto in dieser Preisklasse ohne Tempomat, Sitzheizung oder Wärmepumpe dürfte später nur schwer vermittelbar sein.

Wem das Preisgefüge des Audi zu üppig erscheint, die Coupé-Form aber behagt, muss sich nur gedulden: Volkswagen wird mit VW ID.5 und Skoda Enyaq Coupé entsprechende Modelle nachlegen und auch von Cupra ist ein batterieelektrisches SUV zu erwarten. Sie alle teilen sich die technische Basis, doch der Konzern wird sich bemühen, dies nicht allzu offensichtlich zu machen. Im Falle des Audi Q4 ist das gelungen, denn das teure Auto setzt sich von den weniger teuren vor allem im Innenraum spürbar ab.

(mfz)