Elektromotorrad Livewire One​ im Test: Was bringt das Update?

Seite 2: Nach dem Software-Update verträgt sich die Livewire mit jeder DC-Ladestation

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Leider vertrug sich die Livewire im ersten Test damals mit fast keiner neuen DC-Ladestation. Ich fuhr die alten 50-kW-Kästen an, weil die funktionierten, was natürlich keinem Kunden zuzumuten war, am wenigsten Umsteigern. Hier hat Harley die Software erheblich verbessert. Konnte ich im vorherigen Test noch kaum DC-Stationen finden, an denen die Livewire lädt, konnte ich jetzt mit der One keine DC-Station mehr finden, an der sie nicht lädt. Harleys Software agiert etwas dickköpfig, verlangt stets einen exakten Ablauf (erst autorisieren, dann anstecken, auch wenn die Station es andersherum vorschreibt), ließ sich damit aber jedes Mal laden, auch an seltenen Ladestationen. Am wichtigsten: Die weit verbreiteten Alpitronic-Hypercharger funktionieren einwandfrei. Damit spricht nichts gegen das, was ich schon mit der ersten Livewire tat: 300 bis 400 km schöne Tagestouren (ohne Kabel mitschleppen).

Am drittgrößten Kritikpunkt hat sich nichts geändert: Die AC-Ladeleistung liegt erbärmlich niedrig. Das Onboard-Ladegerät schafft maximal 1,4 kW. Das beiliegende Ladegerät für die 230-Volt-Steckdose schafft die Hälfte. Unter der Sitzbank hat Harley eine Plastikschale vorgesehen, in der dieser Ladeziegel liegt. Das geht, weil die dünneren Kabel sich da gut reinwickeln lassen, anders als bei einem typischen Typ-2-Kabel. Man kann damit allerdings nur Ladestopps mit Übernachtung machen, von daher habe ich das Fach immer für kleines Gepäck benutzt.

Laden und Verbrauch Livewire One (6 Bilder)

CCS-Stecker werden sich am Motorrad durchsetzen. Die einstige Ausrede "aber CCS ist zu groß" hat sich als Quark erwiesen.

(Bild: Clemens Gleich​)

Aufgrund der geringen AC-Ladeleistungen treten die Nebenverbraucher umso größer in Erscheinung beim Laden. Selbst bei den mageren 700 W Ladeleistung an 230-Volt-Steckdose rauscht der Umlauf der Kühlflüssigkeit dauerhaft und die Steuergeräte ziehen ihren Strom. Das bedeutet: AC-Ladeverluste im Bereich 20 Prozent, wenn man aus dem unteren Drittel auflädt und bis über 30 Prozent beim üblicheren Aufladen ab der oberen Hälfte SoC. Ganz ehrlich: Im Motorradkontext sind diese Zusatzkosten egal. Ich führe das so genau aus, damit Sie die Verbrauchsdaten in den richtigen Kontext setzen können, denn wir können ja nur brutto messen. Der Nettoverbrauch ist immer eine Schätzung des Fahrzeugs, die mal genauer, mal ungenauer anzeigt.

Der vom Fahrzeug geschätzte Nettoverbrauch lag zwischen 7,8 und 8,5 kWh auf 100 km, je nach Schnitt und Zuladung. Trotz des Energie fressenden Umlenkgetriebes kommt die Harley mit kleinerer Batterie weiter als die zuletzt getestete Zero DSR/X. These: Stirnfläche und Aerodynamik lassen die Livewire weiter kommen. Bei den Fahrprofilen habe ich darauf geachtet, beide sehr ähnlich zu fahren. Zusammen mit dem DC-Lader ergibt sich damit eine schöne Reisefähigkeit für Leute, die mehr und längere Pausen machen. Der Bruttoverbrauch lag zwischen 10,5 und 12,6 kWh/100 km, wobei ich das Meiste am AC-Lader geladen habe.

Was bleibt? Ein liebenswertes Projekt-Motorrad, das mich an den anonymen Audi-Mitarbeiter erinnert, der zum A2 gesagt haben soll: "Das ist ein Prototyp, der nie in Serie hätte gehen dürfen." Beim Kaffeestopp am Kloster Bronnbach sprachen mich zwei interessierte Großrollerfahrer auf die Livewire an. Sie wollten so etwas gerne einmal ausprobieren. Sie müsste aber die Hälfte kosten für das, was sie bietet. Die zwei Großrolleristen äußerten die Hoffnung, dass die Zeit diese Kostensenkung bringen könnte. Angesichts der bisherigen nicht existenten Profite aus E-Motorrädern empfahl ich ihnen, sich lieber jetzt eine Probefahrt zu suchen, solange es diese Motorräder gibt. Die Preisnachlässe geben die Händler irgendwann, wenn sich das Zeug lange genug die Reifen plattgestanden hat.

Die nächste Livewire heißt Del Mar. Sie kommt mit cool präsentierter Technik, an den Dirt Track angelehnten Reifendimensionen, was schon bei Indians FTR ein Schuss in den Ofen war und mit einem deutlich kleineren Akku. Sie soll für "urbanes" Publikum interessant sein, das sich sinnvollerweise lieber einen E-Roller kauft.

Bei 88 km/h soll sie 137 km weit fahren. Es gibt kein DC-Laden, nur AC. Sie soll bei uns knapp unter 20.000 Euro kosten. Ich denke, ich muss keine weiteren Details schreiben, denn der Fall ist klar: Auch die nächste Livewire wird liebenswert, eigenständig, interessant und ein Flop. Freunde schrulliger US-Fahrzeuge sollten schauen, was sie beim Händler an günstigen Vorführern finden können, solange es diese herzigen Dinger gibt. Große Käuferkonkurrenz müssen sie nicht befürchten.

Die Livewire One kostet ab 24.990 Euro.