Elektromotorrad Livewire One​ im Test: Was bringt das Update?

Harley-Davidson schiebt das Elektromotorrad Livewire in eine eigene Marke und senkt den Preis. Die Livewire One ist jedoch zudem deutlich DC-kompatibler.​

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(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Clemens Gleich
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Es ist immer ganz interessant, wenn Fahrzeuge zu mehr als einem Test kommen, weil man natürlich mehr über sie erfährt, wenn sich der Kontext des Testens erweitert – durch die Jahreszeiten, das Wetter, die Strecken und die zusätzlichen anderen Erfahrungen. Harleys Livewire gefiel mir von Anfang an gut. Sie war ein sehr interessanter Mittelweg zwischen "wir machen was ganz Neues" und "aber das müssen alle verstehen können". "Wenn du den Ball zu weit wirfst, fängt ihn keiner", sagt Motorrad-Designer Ola Stenegard gerne. Das gilt für die Gestaltung, nicht weniger aber für die Positionierung.

Fassen wir also kurz zusammen, was die Harley ausmachte und die Livewire One weiterhin ausmacht: Man sitzt wie auf einer alten Ducati Monster weit über die Tankattrappe gespannt. Das hilft dabei, kräftige und exakte Lenkimpulse zu setzen, die das 249 kg schwere Naked auch braucht. Es hilft beim Abstützen der enormen Beschleunigungskräfte. Es scheint außerdem beim Stromverbrauch zu helfen - dazu gleich mehr.

Das Fahrwerk krankt an sehr kurzen Federwegen, die entsprechend straff gedämpft und hart gefedert werden müssen. Harley-Kunden kennen es von anderen Modellen, wer von anderen Nakeds kommt, wird physikalisch zwangsweise mit dem Kopf schütteln, sobald er über unebene Strecken fährt. Selbst Motorrad-erfahrene Beifahrerinnen beschwerten sich über allzu harte Schläge in die Weichteile des Beckens.

Mehr über neue Batterie-Technologien

Auf den Reifen steht noch "Harley-Davidson", da lohnte sich wohl der Livewire-Schriftzug nicht. Die Gummis sind so lala, aber zumindest gutmütig. Das passt ganz gut zum Feder-Dämpfer-System, das mangels Feinfühligkeit bei Traktionsverlusten über Dreck oder ähnliches wenig Gutmütigkeit beisteuern kann. Beim Anhalten dreht die Motorsteuerung den Motor in Pulsen minimal vor und zurück, was sich als leichtes Pulsen unterm Hintern bemerkbar macht. Gedacht war das zur Erinnerung, dass der Antrieb scharf geschaltet ist, was keinen Mehrwert hat, aber zumindest ein liebenswertes Gimmick.

Harley hat ein extra laut konstruiertes Umlenkgetriebe verbaut, dessen Lautstärke in Ortschaften etwas nervt, weil ein Getriebe beim besten Willen kein interessantes oder schönes Geräusch erzeugt. Im Lastwechselbereich geht es über das Getriebespiel zudem in unschöne Resonanzen, die an Sand im Getriebe erinnern. So weit, so bekannt.

Die Ausgliederung der Marke Livewire hat für Harley vertriebliche Gründe, die für Kunden irrelevant sind, und für Harley wahrscheinlich auch. Die One unterscheidet sich also fast nicht von der Harley-Davidson Livewire. Man betrachtet sie am besten als ein lange fälliges Update, das die zwei größten Schwächen des Konzepts angeht: Preis und Kompatiblitätsprobleme mit DC-Ladesäulen.

Der Preis sinkt von rund 33.000 auf rund 25.000 Euro. Was mich daran fuchst und die wenigen Käufer einer Livewire für 33.000 Euro umso mehr: Wenn das offenbar geht, warum ging Harley damals überhaupt mit so einem Preis an den Start? Aber eine Betrachtung der Auftakt-Preisgestaltung bei Harley von außen muss bei jedem Modell scheitern. Immerhin spendierte die Company einen neuen hinteren Fender, diesmal ohne das hirnrissige Loch darin. Der Spritzschutz wird also besser.

Details Livewire One (10 Bilder)

Schöne Lösung: Der Batterieträger mit langen, waagrechten Kühlrippen. Ein Kollege fühlte sich an die Finnen einer Kreidler Florett erinnert.
(Bild: Clemens Gleich​)

Die Livewire punktete von Anfang an mit einem CCS-Ladestecker und DC-Ladeleistungen von bis über 18 kW. Mitbewerber Zero setzt auf hohe AC-Ladeleistungen, weil es im Motorrad-Hinterland mehr AC-Säulen gibt und hat gar keinen DC-Stecker. Zeros Schtick hat allerdings den gravierenden Nachteil, dass man ein fettes, schweres und in vielen kompakten Gepäcksystemen kaum zu verstauendes Typ-2-Kabel mitschleppen muss. DC-Ladestationen dagegen haben immer ihren eigenen Stecker. Dazu kommt, dass die Anzahl von DC-Ladestationen durch deren Preisverfall steil ansteigt. Ich persönlich denke: DC-Stecker sind auf lange Sicht der sinnvollere Weg für E-Motorräder auf Tour.