Elektromotorrad Zero DSR/X​ im Fahrbericht: Vielversprechende Nullnummer

Seite 2: Zero DSR/X: Teils sogar pfiffig

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Das Motorrad wirkt rundum gediegen gemacht und sinnvoll konstruiert, teils sogar pfiffig: Die Frontverkleidung beispielsweise kommt ohne jeden Spalt aus, weil das gesamte Vorderteil aus einem einzigen Stück gefertigt ist. Direkt vor dem Staufach in der Tankattrappe findet sich das von einer Klappe geschützte Ladezentrum. Es ist bestens zugänglich und dank des Staufach-Schließmechanismus vor unbefugtem Zugriff geschützt. Dass der Behälter für Ersatzhandschuhe, Wasserflasche oder Handy nach jeder Nutzung abgeschlossen werden muss, weil man sonst dessen auch für den Motorstart nötigen Schlüssel nicht abziehen kann, ist nicht gerade super praktisch.

Bereit zum Losfahren ist die DSR/X nach Einschalten der Zündung und dem Entriegeln des roten Killschalters. Ab diesem Moment ist Konzentration nötig, denn wer jetzt unbedacht am "Gas"griff herumspielt, riskiert ein Unglück. Da es kein Getriebe gibt, ist das Fahren der Zero DSR/X denkbar einfach. Erst heißt es, unter "Eco", "Standard", "Sport", "Rain" und "Canyon" den richtigen Fahrmodus zu wählen.

Nach der Smartphone-Koppelung lässt sich mit Hilfe der Zero-App zudem ein individueller Fahrmodus ("Custom") abspeichern. Besonders heftig rekuperieren "Eco" und "Canyon", volle Leistung gibt’s alleine bei Sport und Canyon; bei den anderen Fahrmodi bleibt so manches Kilowatt unerreichbar. Angesichts der Teststrecke – sehr kurvig, bergig bis gebirgig – erschien uns "Canyon" als ideal: Man bremst weniger, weil die DSR/X in diesem Fahrmodus etwa die Motorbremswirkung eines großvolumigen Zweizylinders hat.

Ganz Arbeit hat Zero bei der Leistungssteuerung geleistet: Ihre Kraft lässt sich beeindruckend feinfühlig dosieren. Etwa beim Wenden auf engem Raum ist dies sehr hilfreich. Solche Manöver klappen auch deshalb gut, weil der Lenkeinschlag der DSR/X segmenttypisch groß ist. Das Befahren sehr kurviger Strecken fällt leicht: Die Tempoanpassung vor Kurven erfordert bei wachem Herangehen nur selten einen Bremsimpuls, das Einlenken geht fast intuitiv, die Stabilität in Kurven ist genauso gut wie die Schräglagenfreiheit.

Zero DSR/X​ (5 Bilder)

110 Prozent Batteriekapazität? Das sieht etwas beängstigend aus. Immerhin auch die Batterietemperatur wird angezeigt, was ganz gut sein kann, wenn man möglichst schnell oder möglichst schonend schnellladen möchte.

Das gilt weitestgehend auch für die Fahrt auf Straßen letzter Ordnung. Denn die voll einstellbare Showa Big Piston USD-Gabel spricht gut an und taucht auch bei härteren Verzögerungen nicht allzu tief ein, so dass fast immer ausreichend Federweg zur Verfügung steht. Auch das 46-er Federbein mit Piggiback-Ausgleichsbehälter ist voll einstellbar und sorgt für satten Kontakt des Rades mit dem Untergrund. Auf Asphalt sowieso, aber auch überwiegend im Gelände.

Zur Verfügung standen uns nicht allzu tiefer Vulkansand, Schottersträßchen und Schotterpfade sowie stark durchwurzelte, teils auch felsdurchsetzte Waldwege, montiert war der Pirelli Scorpion Trail II. Weil es absolut trocken war, traten keinerlei Probleme mit dessen Seitenführung oder Traktion auf. Als großer Vorteil im Gelände erwies sich die Möglichkeit, sich nur auf die zu fahrende Linie konzentrieren zu können; Schalten, Kuppeln und ein mögliches Abwürgen des Motors entfallen.

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Auf der Straße registrierten wir allerdings bei harten Anbremsmanövern in Schräglage ein recht kräftiges Aufstellmoment des Vorderrades. Das Bosch-MSC im Hintergrund arbeitet als Kombi-Bremssystem; der Handhebel aktiviert alle drei Bremssättel, die Fußbremse wirkt nur auf die hintere 265-mm-Scheibe. Damit lässt sich weit in die Kurve hineinbremsen, ohne dass wegen der Frontbremse ein Aufstellmoment die Linie beeinflusst. Die Dreischeibenanlage ist ein Gedicht, sie lässt sich punktgenau dosieren und verzögert, wenn nötig, ähnlich brutal, wie die DSR/X beim vollen Beschleunigen lossprintet.

Für die Offroadfahrt wählt man zuerst – sehr einfach – den "Standard"-Modus an und aktiviert danach "Offroad"; dann ist das hintere ABS deaktiviert, das Front-ABS spricht etwas verzögert und weicher an und die Motorleistung wird ein Stück weit reduziert und noch weicher als sonst geliefert. Das passt rundum!

Da Autobahnen nicht zu unserer Teststrecke gehörten, können wir über das Fahrverhalten bei Tempi jenseits 130 km/h nichts aussagen; darunter benahm sich die Zero DSR/X jedenfalls tadellos. Das gilt auch für den Windschild, der sich sich einhändig mit groß dimensionierten Drehknebeln mit links oder rechts verstellen lässt.

Als gut erwies sich das einwandfrei ablesbare TFT-Display. Für die Fahrmodi ist die erste Ebene des Modus-Schalters zuständig, damit ist deren Verstellung auch während der Fahrt leicht möglich. Unter den zahlreichen verfügbaren Informationen kann sich der Fahrer vier beliebige an den Platz seiner Wahl im Display setzen. Auch die Navigations- und Kommunikationsmöglichkeiten sind umfangreich und insgesamt praxisorientiert gelöst. Zur guten Bedienbarkeit zählen auch die selbstrückstellenden Blinker, auch wenn sie nicht schon fünf Meter nach Abschluss eines Abbiegemanövers verlöschen. Dank Weg-/Zeit-Logik bleiben sie auch bei einem nicht allzu langen Überholvorgang in Funktion, was in einigen Ländern vorgeschrieben ist.

Ist die Zero DSR/X mit ihren guten Fahreigenschaften, ihrer nützlichen und weitgehend vollständigen Ausstattung und ihrer sehr beeindruckenden Fahrleistungen ihr Geld wert? 26.550 Euro in Deutschland sind ja kein Pappenstiel. Unabhängig von der noch ungeklärten Praxisreichweite wird mit dieser Zero wahrscheinlich nicht glücklich, wer gerne Dreitagesreisen über 1200 Kilometer in nur wenig erschlossene Gegenden macht. Er wird den Mehrpreis gegenüber einer guten Verbrenner-Reiseenduro für gleich doppelten Unsinn halten. Die Realität der vergangegen Monate sieht so aus: Die Kosten für eine vollständige Ladung - also rund 17,3 kWh plus Ladeverluste - sind mittlerweile mehr als die von Zero angegebenen 3,56 Euro fällig.

Davon abgesehen ist Zero fraglos auf der richtigen Spur. Wenn es den Amerikanern gelingen sollte, vor den etablierten Marken ernstzunehmende, reichweitenstarke Bikes mit guter Toureneignung auf die Räder zu stellen, könnten sie eine Art "Tesla des Zweirads" werden und gelassen zusehen, wenn ähnliche Motorräder der etablierten Marken erscheinen.

Es stimmt schon: Fast niemand fährt mit Reiseenduros ins Gelände – sie sind eher eine Entsprechung zum SUV beim Auto. Dennoch könnte Zero mit einem offroadtauglichen Kettenantrieb sicher ein paar Kunden mehr erreichen. Der dreckanfällige, offen laufende Riemen ist jedenfalls weder dem Erlebnisversprechen einer Enduro noch den wirklichen Geländefähigkeiten der Zero SR/X würdig.

(fpi)