Erste Ausfahrt Opel Astra, Jahrgang 2022: Dynamisiert

Die nächste Generation des Astra, die ab 2022 in den Handel geht, lässt ihren Vorgänger in mindestens einer Hinsicht deutlich hinter sich.

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Opel Astra

Der neue Opel Astra ist spürbar straffer abgestimmt als sein Vorgänger.

(Bild: Opel)

Lesezeit: 8 Min.
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Angesichts der SUV-Welle, die schon die Vans unter sich begraben hat, liegt der Schluss nahe, Modelle wie der Astra wären für Opel nur noch sekundär interessant. Dem tritt Opel nicht nur verbal entschieden entgegen, sondern auch ganz praktisch. Denn die erste Ausfahrt mit einem Vorserienfahrzeug zeigt, dass die inzwischen zwölfte Generation eines kompakten Opel ein interessantes Auto zu werden verspricht.

Als BMW 2004 den ersten 1er dem Kunden vorstellte, boten einige Händler die wichtigsten Konkurrenten als Vergleichsfahrzeuge zur Probefahrt an. So viel Selbstbewusstsein muss man erst einmal aufbringen. Bei den Validierungsfahrten des nächsten Astra, zu denen wir eingeladen waren, ging Opel natürlich bescheidener vor. Als Maßstab diente das noch aktuelle Modell, das sich in verschiedenen Konstellationen in der Redaktion als unspektakuläres, durchaus angenehm zu fahrendes Auto bewährt hat.

Opel Astra K im Test

Auch wenn Validierungsfahrten naheliegenderweise nicht das fertige Produkt repräsentieren, lässt sich schon jetzt festhalten, dass Opel sich für eine grundsätzlich andere Ausrichtung entschieden hat. Das betrifft die Formgebung innen und außen, noch viel mehr aber das Fahrwerk. Der nun bald alte Astra hielt Rückmeldungen von Fahrwerk und Lenkung vom Fahrer weitgehend fern. Diese Auslegung verspricht zwar nicht maximalen Fahrspaß, im Alltag aber unauffälligen Komfort.

Der nächste Astra ist nur 4 mm länger, aber 15 mm niedriger und mit einem Zuwachs von 51 mm deutlich breiter als sein Vorgänger. Der Radstand legt um 13 mm zu, die Sitzposition ist 12 mm abgesunken. Schon diese veränderten Parameter fallen im direkten Umstieg auf und würden allein für ein verändertes Fahrgefühl reichen. Doch Opel hat sich auch bei der Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung neu justiert. Der Astra ist ein ganzes Stück straffer gefedert, ohne unkomfortabel zu werden. Das Auto liefert viel mehr Rückmeldung als der Vorgänger. Dieser Wandel hin zu mehr Agilität wird nicht jedem gefallen, ist in sich aber schlüssig. Wie schon im Vorgänger gibt es auch im neuen Astra kein adaptives Fahrwerk.

Zwei Testwagen standen zur Verfügung, einer mit einer 225/45 R17, einer mit 225/40 R18-Bereifung. Der Unterschied war spürbar, aber nicht dramatisch. Der neue Astra wird grundsätzlich nur noch mit dezidiert rollwiderstandsarmen Reifen ausgeliefert. Da die Gummis immer nur ein Kompromiss aus verschiedenen Zielvorgaben sein können, hat Opel hier also auf Pneus mit besonders hohem Grip verzichtet. Aufgefangen werden soll das mit einer veränderten Achskinematik – und natürlich der erheblich breiteren Spur.

Opel Astra 2022 (10 Bilder)

Der neue Opel Astra ist noch stark getarnt. Erste unverhüllte Bilder soll es Mitte Juli geben.

Überragender Federungskomfort hatte fühlbar nicht die höchste Priorität, doch ein Umstieg aus dem bisherigen Astra zeigt auch, dass es nun durchaus Freude bereitet, den Wagen flott um Kurven zu scheuchen. Dazu trägt auch die exaktere Lenkung bei, die gerade um die Mittellage feinfühliger anspricht, ohne mit Nervosität zu nerven. Im direkten Vergleich mit dem bisherigen wirkt es so, also sei der Lenkung „Honig entzogen“ worden.

Bis zum Serienanlauf definiert Opel vier Phasen, die beiden Testwagen stammten aus der zweiten. Der Benziner hatte schon 96.000 km auf der Uhr. Aussagen zu Verarbeitung und Materialien verbieten sich, denn hier ist Opel vom Serienmodell noch weit entfernt. Bei der Dämmung von Geräuschen entsprachen die Fahrzeuge zu 80 Prozent dem geplanten Stand. Die Windgeräusche drangen im Testwagen etwas weniger deutlich durch als im alten Modell, doch neue Bestmarken zeichnen sich in diesem Bereich nicht ab. Der Dreizylinder-Benziner ist bei höheren Drehzahlen durchaus zu vernehmen.

Geplant sind zunächst fünf Antriebe, und die Aufteilung ist bemerkenswert. Wer viel Leistung für nötig erachtet, muss zu einem der beiden Plug-in-Hybride greifen. An der Basis bietet Opel das, was die meisten in dieser Klasse kaufen, allerdings ohne unterstützende Elektrifizierung. Das Angebot gliedert sich wie folgt:

Leistung in kW
Plug-in-Hybride
180 132
225 165
Benziner
1.2 81
1.2 96
Diesel
1.5 96

Für unsere Ausfahrt standen der 96-kW-Benziner mit Schaltgetriebe und der Plug-in-Hybrid mit 132 kW Systemleistung bereit. Der kleine Dreizylinder-Benziner erfüllt seine Aufgabe anständig. Er ist drehfreudig und ausreichend durchzugsstark, dabei nicht zu laut. Schade, dass Stellantis die Chance verpasst, ihn als Mildhybrid noch sparsamer etwas zu machen.

Die beiden Plug-in-Hybride nutzen einen 1,6-Liter-Vierzylinder als Verbrennungsmotor, über den die Leistung skaliert wird. Der E-Motor ist mit 81 kW in beiden Ausführungen identisch. Auch die Batterie ist mit einem Energiegehalt von 12,4 kWh genauso klein. Daten zur Reichweite gibt es noch nicht, doch Opel wird vermutlich genau darauf geachtet haben, die ab Januar 2022 gültige Fördervorgabe von mindestens 60 km E-Reichweite im WLTP einzuhalten. Eine DC-Ladeoption wird es nicht geben, an Wechselstrom ist bei 7,4 kW Schluss. Das ist immerhin mehr, als Volkswagen beispielsweise in VW Golf GTE (Test) oder Seat Leon eHybrid anbietet.

Unterwegs erwies sich der weniger starke Plug-in-Hybrid mit 132 kW als durchweg sympathische Antriebsquelle. Kräftig und leise treibt er den Astra voran, für eine Aussage zum Verbrauch war unsere Proberunde viel zu kurz. Schließlich ist das Auto von einem Serienanlauf noch ein gutes Stück entfernt: Ab Oktober kann bestellt werden, die Auslieferung an die Kunden soll nach jetziger Planung Ende Januar starten.

Der nächste Astra wird vermutlich sechs bis sieben Jahre verkauft, die angekündigte Antriebspalette dürfte in dieser Form kaum final komplett sein. Auf der dritten Version der Plattform EMP2 ist grundsätzlich auch ein batterieelektrischer Antriebsstrang möglich. Wie schon bei der Vorstellung des Peugeot 308, der die gleiche technische Basis nutzt, hüllt sich Stellantis auch hier in Schweigen. Dass der Konzern in den kommenden Jahren aber gar nichts in dieser Richtung liefern will, erscheint mir unwahrscheinlich. Zumal Opel aktuell die Nachfrage nach dem Mokka-e kaum befriedigen kann.

Die Autos sind aktuell noch getarnt, doch ein paar Dinge sind schon zu erkennen. Die Front ähnelt stark der des neuen Mokka, am Heck gibt es sehr schmale Rückleuchten. Der Vorderbau ist erheblich kürzer als bisher, die Proportionen verschieben sich damit. Das bedeutet etwas mehr Platz für alle Mitfahrer, vor allem aber für ihr Gepäck: Opel verspricht 422 Liter Kofferraumvolumen, in diesem Segment ein hervorragender Wert. Zum Vergleich: Der etwas kürzere VW Golf bietet 380 Liter.

Einen weiteren Fortschritt verspricht Opel beim Armaturenbrett. Ein Display als Kombiinstrument wird Serie, gegen Aufpreis gibt es eine große Glasfront. Diese soll sich auch ohne die Hutze, die der Mokka als Sonnenschutz noch trägt, einwandfrei ablesen lassen. Links vom Kombiinstrument befindet sich eine Lüftungsjalousie, deren Verstellung sich Opel bis zum Serienanlauf hoffentlich noch einmal ansieht. Im Testwagen wirke diese etwas fragil. Fest steht dagegen, dass bis dahin die Sitze noch etwas straffer werden sollen, was eine gute Idee ist.

Für Grundfunktionen wie Lautstärke und Temperatur gibt es eigene Tasten. Dazu hat Opel die Kritik am Vorgänger erhört und bietet nun mehr Ablageflächen – darunter ein Brillenfach in der Mittelkonsole. Stimmt zusätzlich der finale Qualitätseindruck, macht der Astra einen großen Schritt vorwärts, was auch für das Infotainment gelten dürfte. Hierzu verrät Opel noch nichts, in den Testwagen wirkten die Anzeigen aber angenehm reduziert und nicht überladen.

Aktuell ist der Astra neu in den großen Autobörsen zum Teil schon für weniger als 16.000 Euro zu haben. Kein schlechtes Angebot, denn als ordentlich verarbeiteter Kompaktwagen mit gutem Komfort kann er in seiner Klasse noch immer mithalten. Der Eindruck, den der Vorserien-Astra hinlassen hat, ist allerdings klar: Das Warten auf den Neuen könnte sich lohnen. Die Frage ist nur, ob alle bisherigen Kunden mit der deutlich fahraktiveren Auslegung glücklich werden. Opel darf einer Antwort darauf relativ gelassen entgegensehen.

(mfz)