Fahrbericht Husqvarna Norden 901: Die Norden aus dem Süden

Seite 2: Vermisst: Druckpunkt beim harten Bremsen

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Das Fahrwerk bügelt so ziemlich alle Löcher und Buckel im Asphalt glatt. Kaum zu glauben, wie schnell die doch recht hochbauende Enduro auf verwinkelten Landstraßen unterwegs sein kann. Ambitioniert bewegt, lässt sie sich auch von einem reinen Straßenmotorrad kaum abhängen. Aus der Kurve drückt sie mit Wucht heraus und verzögert souverän am Ende der Geraden mit zwei 320 mm großen Bremsscheiben und Vierkolbensättel am Vorderrad, hinten unterstützt von einer 260-mm-Bremsscheibe mit Zweikolbensattel. Einzig einen klar definierten Druckpunkt am Handbremshebel vermisse ich beim harten Ankern. Das ABS greift im Street-Modus spät und sehr feinfühlig ein, im Rain-Modus merklich früher.

Husqvarna Norden 901 (7 Bilder)

Vorn vorne zeigt sich, dass die Norden 901 wegen des weit nach unten gezogenen Tanks doch recht breit baut. Der LED-Rundscheinwerfer wird flankiert von zwei Zusatzspots.
(Bild: Ingo Gach)

Auch im Gelände schlägt sich das Fahrwerk wacker und zeigt ein sensibles Ansprechverhalten. Die Grundabstimmung ist eher soft geraten und mit wenigen Klicks lässt sich das Fahrwerk auf die individuellen Bedürfnisse abstimmen. Auf Schotter und Feldwegen bereitet die Norden 901 mächtig viel Spaß. Im Offroad-Modus kann man die Husky fliegen lassen, sogar Drifts sind möglich. Für eine stehende Position auf den gezackten Fußrasten erweist sich der Lenker als richtig positioniert, die Gewichtsverlagerung klappt prima. Die Grenzen setzen die Pirelli-Reifen, die im Matsch dann doch Traktionsprobleme bekommen.

Mit einem Gewicht von gemessenen 217 kg bei vollem 19-Liter-Tank unterbietet die Husqvarna die großen Reiseenduros deutlich, ob als Vorteil im Gelände und eine Zuladungsreserve für Tourenfahrer. Was mal wieder zur Frage führt, wie sinnvoll fünf Zentner Gewicht und über 120 PS bei einer Reiseenduro sind. Die Norden 901 ist der schlagende Beweis dafür, dass die sogenannte Mittelklasse für die meisten Fahrer die bessere, da beherrschbare Alternative darstellt.

Mangelnde Kraft kann man der Husqvarna wahrlich nicht vorwerfen, sie beschleunigt in 3,7 Sekunden von null auf 100 km/h und erreicht 200 km/h Höchstgeschwindigkeit. Wer bei einer Enduro wirklich noch mehr erwartet, sitzt vielleicht auf der falschen Fahrzeuggattung.

Zudem ist die Norden 901 eine äußerst angenehme Reisebegleiterin, die viel Komfort bietet. Dazu trägt die breite, gut gepolsterte Sitzbank und der Windschild bei, der zwar nicht einstellbar ist, dafür eine fast perfekte Höhe aufweist. Mit maximal 100 Nm Drehmoment bei 6500/min scheut die Norden 901 auch nicht den Betrieb mit zwei Personen und Urlaubsgepäck. Sie verbraucht im Solobetrieb durchschnittlich 4,2 Liter Sprit, was ihr eine beeindruckende Reichweite von 452 km beschert. Das mag in Mitteleuropa mit seinem dichten Tankstellennetz unnötig erscheinen, aber in dünn besiedelten Gegenden der Welt kann große Reichweite überlebenswichtig sein und genau für solche Reisen wurde die Norden 901 konzipiert.

Störend ist hingegen der breite Tank, der die Knie unnötig weit spreizt, was sich auch beim Stehendfahren im Gelände negativ bemerkbar macht. Positiv zu bewerten sind die breiten und gezackten Aluminiumfußrasten, die den Stiefeln einen guten Halt bieten. Um Vibrationen zu dämpfen, befinden sich Gummielemente in den Fußrasten. Sie sind allerdings nicht gesteckt, sondern von unten verschraubt, was das Mitführen eines 8er-Schraubenschlüssels erfordert, wenn man sie für den Geländeeinsatz entfernen will.

Ihre Serienausstattung kann sich sehen lassen, der bereits erwähnte Quickshifter, einstellbare Handhebel, Ladebuchse, GPS-Halterung, Nebelscheinwerfer, Gepäckträger, Soziushaltegriffe und Handprotektoren sind schon ab Werk vorhanden. In der Aufpreisliste findet sich dennoch reichlich Zubehör von der Ventilkappe bis zum Akrapovic-Auspuff. Sinnvoll erscheinen Kreuzchen beim Seitentaschenset, der Griffheizung und dem Mittelständer. Wer lange Reisen plant, kann den größeren Windschild und zur beheizbaren Sitzbank ordern. Geländefans seien die durchgehende Sitzbank, der große Motorschutz aus Aluminium, die Sturzpads und unbedingt das "Explorer Pack" empfohlen, bestehend aus dem Fahrmodus Explorer, der die neunstufige Schlupfregelung und eine sehr direkte Gasannahme umfasst.

Preiserhöhungen gab es 2023 bei allen Marken der Pierer Mobility AG, auch bei Husqvarna. Die Norden 901 kostet 15.199 Euro und damit 750 Euro mehr als das Schwestermodell KTM 890 Adventure. Doch wer zur Husqvarna greift, tut dies bewusst wegen des eigenständigen Designs und einer gewissen Exklusivität der Traditionsmarke.