Fahrbericht VW ID.7 GTX: Dezente Absetzung vom Standard
Das vorläufige Topmodell der ID.7-Reihe soll mit besseren Fahrleistungen und flotter Aufmachung glänzen. Komplett gelungen ist der Versuch nicht.
- Joaquim Oliveira
Mit etwas Abstand werden Dinge mitunter deutlicher sichtbarer. Die ID-Familie von Volkswagen hatte einen schlechten Start, und der Konzern kann das nicht auf die Umstände schieben. Denn ohne die kräftige Subventionierung durch den Steuerzahler wären die Verkaufszahlen auch hier längst nicht so hoch gewesen. Ein Grund dafür, dass beispielsweise der ID.3 (Test) nicht die Nachfolge des Golfs angetreten hat, liegt sicher auch in seiner Gestaltung. Mit dem ID.7 hat VW zwei eher konventionell gestaltete Modelle auf den Markt gebracht, die auf den ersten Blick auch als aktuelle Ausgabe eines Passats durchgehen könnten. Als GTX sollen sie besonders flott sein. Eine erste Ausfahrt zeigt jedoch, dass sich die Dinge rasant verschieben.
Fahrleistungen ragen nicht heraus
Die inflationäre Leistungsentwicklung bei Elektroautos nimmt bedenkliche Züge an. Ein aktueller Smart hat mindestens 200 kW, und in der Mittelklasse sind bei vielen Modellen deutlich mehr als 300 kW inzwischen problemlos zu haben. An dieser Art des Wettrüstens beteiligt sich VW zumindest vorerst nicht. Der ID.7 GTX hat mit 250 genau 40 kW mehr als das Standardmodell. Der Abstand ist zu gering, um bei den Fahrleistungen einen riesigen Satz zu machen. Statt 6,7 beschleunigt der GTX in 5,5 Sekunden von null auf 100 km/h, was zu einem gewissen Anteil auch seinem Allradantrieb zu verdanken sein wird. Die Höchstgeschwindigkeit beschränkt VW in beiden Modellen auf 180 km/h. Auch als GTX bleibt der ID.7 hinter einigen Konkurrenten zurück, was nicht etwa heißen soll, er wäre langsam. Im Alltag bietet auch er souveräne Fahrleistungen. Der Allradantrieb leistet bei der Verteilung gute Dienste. An der Vorderachse ist im GTX ein Asynchronmotor mit 80 kW verbaut.
Batterie und Verbrauch
Der Speicher fasst netto 86 kWh und lässt sich in der Spitze mit bis zu 200 kW laden. Eine gezielte Vorkonditionierung der Batteriezellen ist serienmäßig, eine Wärmepumpe stellt VW auch im GTX mit 990 Euro in Rechnung. Der Verbrauch im Zyklus soll zwischen 16,6 und 18,8 kWh liegen, auf dieser ersten kurzen Ausfahrt waren es eher 20. Wer mit einer vollen Batterie startet, kann also mit 400 km plus X rechnen, sofern er sich mit maximal 130 km/h zufriedengibt. Die Routenplanung ist inzwischen brauchbar, was keinesfalls selbstverständlich ist. Ohnehin bietet VW beim Infotainment mittlerweile ein Niveau, mit dem sich leben lässt. Fast alles ist übersichtlich gestaltet, das Arbeitstempo flott und der Funktionsumfang enthält alles, was man unbedingt braucht. Das mag für die absolute Spitzenklasse in diesem Bereich nicht reichen, im Alltag aber funktioniert das, was da ist, weitgehend nervenschonend.
Straffer abgestimmt
Wenn sich das Topmodell bei den gefühlten Fahrleistungen nur schwerlich absetzen kann, müssen andere Details eine Abgrenzung erlebbar machen. Das soll unter anderem eine straffere Auslegung des Fahrwerks verdeutlichen. Dafür verbaut VW im GTX steifere Buchsen, dickere Stabilisatoren vorn wie hinten und Dämpfer mit einer anderen Kennlinie. Hinzu kommt eine serienmäßige Bereifung mit 235/45 R20 vorn und 255/40 R20 hinten. Wer mag, kann aber auch den GTX ab Werk mit Ganzjahresreifen und 19-Zoll-Felgen ordern. Was übrig bleibt, ist weit mehr als nur passabler Restkomfort. Gekonnt fangen die Dämpfer kleinere Unebenheiten ab. Die Rückmeldung von der Straße ist stärker spürbar als im ID.7 Pro, aber VW hat auf eine übermäßige Härte verzichtet. Bemerkenswert ist, wie gut der ID.7 gedämmt ist. Selbst bei Geschwindigkeiten von deutlich über 120 km/h kann man sich unterhalten, ohne die Stimme zu erheben. In der Stadt ist der Kombi innen kaum noch zu hören.
Deftiger Aufpreis
Modelle mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis sind selten an der Spitze zu finden, und das ist auch beim ID.7 so. Der ID.7 GTX Tourer kostet mindestens 63.955 Euro. Gegenüber einem ID.7 Pro mit 77-kWh-Batterie ist das ein Zuschlag von rund 9.000 Euro. Eine stolze Summe also vor dem Hintergrund, dass das Topmodell sich bei den Fahrleistungen nur dezent absetzen kann. Allerdings ist die Batterie größer und lässt sich in der Spitze auch etwas schneller laden.
Die Serienausstattung des GTX ist zwar nicht schlecht, aber Wünsche darüber hinaus können den Preis deutlich in die Höhe treiben. Das nicht zu öffnende Glasdach ist nur im Paket zu haben – 2730 Euro. Die sehr bequemen, elektrisch verstellbaren Massagesitze gibt es nur zusammen mit einem Soundsystem von harman/kardon und ein paar Kleinigkeiten – 3780 Euro. Auch das Topmodell wendet sich klar an eine Zielgruppe, für die das Preis-Leistungs-Verhältnis sekundär ist. Andererseits nimmt einem der Passat-Konfigurator auf der Webseite von VW zügig die Illusion, ein vergleichbar großes Modell mit Verbrenner wäre eklatant günstiger. Denn für einen Passat-Kombi mit 142-kW-Diesel und „R Line“-Ausstattung sind fast 59.000 Euro fällig – ohne weitere Extras. Der ID.7 GTX kostet keine 10 Prozent Aufpreis, bietet mehr Leistung und zusätzlich zu einer besseren Umweltbilanz einen Antriebskomfort, gegen den der Passat TDI keine Chance hat.
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(mfz)