Praxistest: Reisezooms für Canon-SLRs

Seite 4: Testaufnahmen erläutert

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Die Aufnahmen des Berges (Wendelstein) wurden mit einer EOS 50D mit 15 Megapixeln gemacht, die Kamera stand auf einem Stativ in Augenhöhe ca. 3,5 m von dem auf den Weitwinkelaufnahmen angeschnittenen Weidezaun entfernt. Sie hat einen Formatfaktor von 1,6. Da der Formatfaktor bei Nikon-DX nur 1,5 beträgt, liefern Objektive bei gleicher Brennweite an DX ein etwas weitwinkligeres Bild als an Canons APS-C. Auf Kleinbildfilm oder bei Vollformat wie EOS 5D oder Nikon D3 entsprächen die gezeigten Ausschnitte mit 17 mm einem kräftigen 27er Weitwinkel (25,5 bei DX). Der Unterschied zu 18 mm, mit dem einige Objektive anfangen, ist so gut wie vernachlässigbar. 50 mm wirken wie die klassische Portraitbrennweite (leichtes Tele) von 80 mm KB (75 bei DX), ca 80 mm wie 128 mm, 200 mm schon wie ein 300er oder 320er Tele an KB.


Zum Überprüfen der Tonnen- oder Kissenverzeichnung sollte man Aufnahmen im Fernbereich aus einer Distanz machen, die dem 50- bis 100-fachen der Brennweite entspricht. Das ist für so große Brennweitenbereiche schwer realisierbar. Ich habe schließlich eine Kapelle mit einer weißen rechteckigen Lisene (Mauerblende, ca. 3,3 x 5 m) gefunden, die sich aus 4 bis 11 m fotografieren ließ. Die ins Gitterfenster gesteckte Löwenzahnblüte entspricht der Höhe des Objektivs (vertikale Bildmitte). Damit wurde die Tonnenverzeichnung bei Weitwinkelanschlag, also 17 oder 18 mm, sowie 28 mm beim Tamron 28-57, ermittelt, und eine Vergleichsaufnahme mit dem 50mm-Makro zur Kontrolle der Rechtwinkligkeit (aus größerer Distanz).


Canon EF 70-200 4L IS
Canon EF-S 18-55 f/2,8 IS

Die Kissenverzeichnung der Reisezooms ist im Weitwinkelbereich zum Teil recht drastisch – verglichen damit ist das Superweitwinkelzoom EF-S 10-22/3,5-4,5 (Canon) ein Wunder an Verzeichnungsfreiheit! Es erschließt zudem nach unten hin noch einmal völlig neue Dimensionen der Weitwinkelperspektive, was aber Thema eines anderen Artikels war (Mit Weitblick: Fisheye und Weitwinkelobjektive richtig einsetzen).

Für längere Brennweiten musste ich auf ein Testgitter und Indoor-Aufnahmen zurückgreifen. Übrigens halten Zoomobjektive im Nahbereich - und das können einige Meter sein - den Brennweitenbereich nicht ein, meist ist die kürzeste Brennweite länger, die längste kürzer als auf der Skala angegeben. Das fällt auf, wenn man vom Stativ aus immer derselben Distanz eine Testvorlage abfotografieren will - manchmal muss man die Brennweite verändern oder die Kamera näher heran oder weiter weg rücken. Bei den Teleobjektiven, deren Bereich genau bei 200 mm endet, wurde jeweils der Endanschlag der Zoomverstellung aus unveränderter Distanz verwendet, bei denen, die einen größeren Bereich aufweisen, nach den EXIF-Daten und der Skalierung möglichst genau der Wert 200 mm.

Außer den Vergleichsaufnahmen weiter unten, in die ein dünnes weißes Gitter eingeblendet ist, finden Sie in der Objektiv-Tabelle oben Zahlenwerte, die sich aus der optimalen Korrektur der Verzeichnung mit Digital Photo Shifter von Heings Windows-Tools ergeben, - für Tonnenverzeichnungsausgleich, + für Kissenkorrektur. Die Korrektur-Kennzahl beschreibt die Verzeichnung – wie auch Prozentangaben – nur unvollständig, da es vorkommt, dass die Verzeichnung am äußersten Bildrand gegenüber dem mittleren Randbereich wieder abnimmt oder unregelmäßig (Schlangenlinie) verläuft. Sie gibt aber doch einen gewissen Anhaltspunkt für die relative Verzeichnung. Ähnliche Korrekturen erlaubt PTLens, und natürlich Adobe Photoshop.

Die Funktion des Bildstabilisators wurde mit 40 freihändigen Aufnahmen in acht Zeitstufen, also fünf pro gleicher Belichtungszeit, überprüft. Verwackeln ist ein statistisches Phänomen, es hängt unter anderem davon ab, wie ruhig die Hände des Fotografen sind und ob die Belichtung gerade im Moment einer heftigen Bewegung oder des relativen Stillstandes vor der Umkehr der Bewegungsrichtung erfolgt. Die Verwacklungsunschärfe wächst im Mittel kontinuierlich und zunehmend ab der typischen kritschen Belichtungszeit: Diese wird nach einer Faustregel aus dem Kehrwert der Brennweite mal dem "Verlängerungsfaktor" berechnet. Bei einer Brennweite von 200 mm mal Cropfaktor 1,6 = 320 kann man davon ausgehen, dass bei 1/320 s im Schnitt die meisten Aufnahmen noch verwacklungsfrei sind bzw. nur geringe Bewegungsunschärfe enthalten.

Die Bildstabilisatoren, die Zitterbewegungen des Objektivs durch Verschieben optischer Elemente so ausgleichen, dass das Bild auf dem Sensor stillsteht, halten die Bewegungsunschärfe weitgehend konstant, mit zunehmenden Ausreißern bei immer länger werdenden Belichtungszeiten. Denn wenn sich das Objektiv zu stark bewegt, kann das Bild nicht beliebig lange ruhig gehalten werden, weil die Ausgleichselemente ihren Bewegungsspielraum bis zum Anschlag ausgenutzt haben. Dann erfolgt ein Sprung, um sie wieder in Mittelstellung zu bringen. Löst man genau in dem Moment aus, können sogar relativ kurze Zeiten, die aus freier Hand nur wenig verwackelt würden, heftige Verwacklungsunschärfe enthalten. Insgesamt aber wird die Wahrscheinlichkeit, aus der freien Hand scharfe Fotos zu erhalten, innerhalb gewisser Grenzen signifikant erhöht.

Gegen Bewegungen im Motiv selbst kann ein mechanischer Bildstabilisator im Objektiv natürlich nichts ausrichten, der seine Information aus physikalischen Beschleunigungssensoren gewinnt.