CO2-Flottenemissionen 2020: Wie nah sind die Autohersteller dem Grenzwert?

Seite 2: Wo stehen die Importeure?

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Die meisten Hersteller machen es wie die BMW Group und verfolgen eine Strategie der Mischung: BEV und PHEV einerseits, dazu eine Mildhybridisierung bei den konventionellen Antrieben – das reicht zumindest vorerst. Je nach Produktportfolio nutzen etliche Unternehmen die Supercredits bereits voll aus; dazu gehört neben Nissan, Volvo, Kia und Hyundai auch die BMW Group. Es steht den Herstellern selbstverständlich frei, noch mehr BEV und PHEV zu verkaufen, nur gehen diese Fahrzeuge nicht mehr doppelt, sondern nur noch einfach in die Bilanz ein.

Eine erwähnenswerte Ausnahme ist weiterhin Toyota. Der japanische Riese bildet einen Pool mit Mazda und nutzt lediglich 0,1 der möglichen 7,5 Gramm an Supercredits aus. Übersetzt: Toyota und Mazda verkaufen so gut wie keine BEV- oder PHEV-Modelle. Bisher ist nur der Prius Plug-in mit Ladestecker (Test) zu haben. Im Jahresverlauf kommen aber einige Modelle hinzu: Angefangen vom RAV4 PHEV über den ProAce Electric bis zum Lexus UX300e und nicht zu vergessen dem skurrilen Mazda MX-30 überdenken die Japaner ihre bisherige Strategie, ausschließlich mit sparsamen Vollhybridautos zu punkten. Auch das muss klar sein: Toyota schafft es mit dem millionenfach verkauften Hybrid Synergy Drive locker, den Grenzwert von 95 g CO2/km zu unterbieten. Der neue Yaris Hybrid mit 64-73 g CO2/km ist nur ein Beispiel dafür.

Die Zeiten der Totalverweigerung aber sind vorbei: Toyota wird massenhaft BEV und PHEV bauen, und um das Image der Verlässlichkeit zu untermauern, starten Lexus UX300e und Toyota ProAce Electric mit einer Million Kilometern Batteriegarantie.

Der Gesamtabsatz hat sich bis Ende Mai als Folge der Corona-Pandemie desaströs entwickelt. Im Jahresvergleich von Januar bis inklusive Mai hat sich die Zahl der Neuwagen im europäischen Wirtschaftsraum um 44 Prozent auf knapp 3,9 Millionen reduziert. Hieraus ergeben sich aber nur geringe Verschiebungen bei den Antriebsvarianten, wo die jeweilige nationalstaatliche Förderpolitik die Hauptrolle spielt: In Norwegen zum Beispiel hatten 66 Prozent aller Neuwagen (43 Prozent BEV, 23 Prozent PHEV) einen Ladestecker. In Schweden sind es 21 Prozent gewesen (fünf Prozent BEV, 16 Prozent PHEV). In Deutschland waren es sieben Prozent (drei Prozent BEV, vier Prozent PHEV) und in Griechenland zwei Prozent.

Für Deutschland ist wegen der ab Erstzulassungsdatum 4. Juni 2020 deutlich erhöhten Förderung ein Zuwachs im Bestelleingang zu erwarten: Der staatliche Anteil des sogenannten Umweltbonus wächst für BEV bis 40.000 Euro Nettolistenpreis von 3000 auf 6000 Euro. Dazu addiert sich der Herstelleranteil 3000 Euro netto, was bei 16 Prozent Mehrwertsteuersatz 3480 brutto entspricht.

CO2-Flottenemissionen 2020 (10 Bilder)

Batterieelektrische Autos wie der Volkswagen ID.3 gehen mit null Gramm in die Flottenemissionsbilanz eines Herstellers ein. Im Jahr 2020 werden sie außerdem doppelt angerechnet („Supercredit“). Elektroautos sind darum ein wirksames Instrument, um das gesetzliche Limit von 95 g CO2/km über alle neu zugelassenen Pkw eines Herstellers zu erreichen.
(Bild: Volkswagen)

Entscheidend für den Hochlauf könnte auch die nochmalige Steuersenkung für die private Nutzung von elektrischen Firmenfahrzeugen sein. Normalerweise muss für diesen geldwerten Vorteil ein Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat versteuert werden. Bei BEV und PHEV ist es nur die Hälfte und bei BEV bis 60.000 Euro (vor dem Konjunkturpaket: 40.000 Euro) sogar nur ein Viertel. Hier ist der Kauf- oder Leasinganreiz groß. Deutschland als größter Einzelmarkt im europäischen Wirtschaftsraum hat rechnerisch einen wichtigen Einfluss auf die CO2-Bilanz.

Die CO2-Flottenemissionen bleiben ein Rechenexempel, also eine „sich stellende Aufgabe, die durch genaues Kalkulieren, Abwägen oder Ähnliches zu lösen ist“, wie es der Duden beschreibt. In der Autoindustrie beschäftigen sich große Fachabteilungen damit, dieses Problem so kostenarm wie möglich zu beheben. Die Europäische Union wiederum sollte die Regelung für die Zukunft überarbeiten. Sie hat einen Mechanismus geschaffen, in dem batterieelektrische Autos pauschal mit Null Gramm in die Bilanz eingehen, unabhängig davon, ob ein effizienter Hyundai Ioniq Elektro (Test) oder ein stromfressendes Tesla Model X (Test) zugelassen wird. So ist der CO2-Flottengrenzwert längst zu einem Zahlenspiel geworden, in dem Neuwagen mit Ladestecker zu einer Pflichtübung für alle geworden sind, die so wenig wie möglich am Verkaufserfolg von großen, leistungsstarken und schweren Pkw aller Art ändern wollen.

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