US-Kartellwächter bei Netzneutralität zurückhaltend

Die Wirtschaftsaufsichtsbehörde FTC hat eine Arbeitsgruppe "Internetzugang" eingerichtet, hält ein Eingreifen zur Aufrechterhaltung eines offenen Internets aber momentan nicht für nötig.

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Die US-Handelsaufsicht Federal Trade Commission (FTC) hat eine Arbeitsgruppe "Internetzugang" eingerichtet, die sich hauptsächlich mit der umstrittenen Frage der so genannten Netzneutralität beschäftigen soll. Dies erklärte die FTC-Vorsitzende Deborah Platt Majoras Anfang der Woche in einer Rede (PDF-Datei) auf einem Treffen der konservativen Denkfabrik Progress and Freedom Foundation (PFF) in Colorado. Die Kartellwächterin hält allerdings ein Eingreifen ihrer Behörde oder des Gesetzgebers im Breitbandmarkt zur Aufrechterhaltung eines offenen Internets momentan nicht für nötig. Befürworter der Netzneutralität hätten zwar ernstzunehmende Bedenken vorgebracht, sagte Majoras. Sie müssten aber noch erklären, "wo der Markt versagt oder welches wettbewerbswidrige Verhalten wir untersuchen sollen."

Verfechter strenger gesetzlicher Netzneutralitätsregeln wie Amazon.com, eBay, Google, Microsoft oder Yahoo fürchten, dass Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen einerseits und holprige Feldwege andererseits aufteilen wollen. Darin sehen sie eine Behinderung ihrer Geschäftsmodelle. Sie argumentieren auch damit, dass innovativen jungen Netzfirmen Steine in den Weg gelegt würden. Großen US-Breitbandanbietern und einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es dagegen darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten. Sie wollen Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig etwa von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch. So könnten sie den Datenverkehr von besser zahlenden Kunden bevorzugt behandeln oder VoIP-Anbieter, die ihrem Festnetzgeschäft Konkurrenz machen, benachteiligen.

"Ich bezweifle die Annahme, dass die Regulierung durch die Regierung die beste Lösung für ein Problem bietet", stellte sich Majoras nun auf die Seite der Telcos und Strippenzieher. Neue gesetzliche Mandate hätten oft "unbeabsichtigte Konsequenzen". Ihrer Ansicht nach reicht das Spiel der Marktkräfte entlang der bestehenden Gesetze aus, um Wettbewerb und Innovation im Breitbandnetz zu erhalten. Ihre Behörde hätte ausreichende Mittel, um gegen kartellrechtlich bedenkliches Verhalten von Breitbandanbietern vorzugehen, und werde diese bei Bedarf auch zum Einsatz bringen, betonte die FTC-Vertreterin. Noch hätten diese dafür aber keinen Anlass gegeben. Der Staat dürfe zudem nicht direkt über private Geschäftsmodelle befinden.

Andrew Jay Schwartzman, Präsident des Media Access Project, sieht die Lage gänzlich anders: "Der Markt hat versagt, weil momentan 98 Prozent der Breitbanddienste entweder von einer Telefon- oder einer Kabelfirma angeboten wird." Ein solches "Duopol" behindere eindeutig den Wettbewerb. Die US-Bürgerrechtsgruppe Public Knowledge ist daher auch gespannt auf die eingehende Analyse der FTC. Angesichts mangelnder Auswahl bei Breitbandanbietern in den USA könne von einem Wirken der Marktkräfte keine Rede sein.

Gleichzeitig zeigen sich aber Risse in der Front der Netzneutralitätsbefürworter. So musste sich Google jüngst für eine Kooperation mit Sony Ericsson verteidigen, in deren Rahmen Blogging- und Suchfunktionen des Suchmaschinenprimus speziell in einzelne Mobiltelefontypen integriert werden. Kritiker sehen auch darin einen Verstoß gegen das Prinzip der Netzneutralität. Einem Rechtsexperten Googles zufolge müsse man aber zwischen dem mobilen und dem stationären Internet unterscheiden. Ersteres habe schon immer ein vergleichsweise geschlossenes Netzwerk dargestellt.

Richard Notebaert, der Vorstandsvorsitzende der US-Breitbandfirma Qwest Communications, warf den Suchmaschinenanbietern zudem vor, scheinheilig über Zensurbestrebungen der Telcos zu wettern. Sie selbst seien es, die in Ländern wie China Internetinhalte blockieren würden. Der US-Kongress will sich nach seiner Sommerpause wieder mit unterschiedlichen Entwürfen für oder gegen eine Festschreibung der Netzneutralität beschäftigen. Bislang mussten die Verfechter des offenen Netzprinzips dort zwei schwere Niederlagen einstecken, da sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus zwei ihnen entgegenkommende Vorstöße an den jeweiligen republikanischen Mehrheiten scheiterten.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (vbr)