Motorroller-Test Vespa GTS Super 310: Frisch aus dem Wespennest
Das meistverkaufte motorisierte Zweirad Deutschlands ist – die Vespa! Sie blieb handlich, beschleunigt aber überraschend kräftig mit dem größeren Motor.
(Bild: Ingo Gach)
- Ingo Gach
Auf die Frage nach dem meistverkauften motorisierten Zweirad im vergangenen Jahr in Deutschland würden wohl die meisten Motorradfahrer spontan mit "BMW R 1300 GS (Test)" antworten – und lägen falsch! Es war tatsächlich die Vespa GTS Super 300 mit sagenhaften 7385 Neuzulassungen. Die Faszination für die Wespe aus Italien ist auch 79 Jahre nach ihrer Vorstellung ungebrochen, steht sie doch wie kein anderes Fahrzeug für "la dolce vita" aus dem Sehnsuchtsland südlich der Alpen. Da trifft es sich gut, dass die Marke mit der GTS Super 310 jetzt kräftig nachlegt.
- Meistverkauftes motorisiertes Zweirad in Deutschland mit 7385 Neuzulassungen
- 310 cm3, 18,4 kW bei 6500/min, 29 Nm bei 5250/min
- SchlĂĽsselloser Start
- Grundpreis 7299 Euro
Neu und doch die Alte
Die neue Vespa sieht selbstverständlich noch aus wie ihre Vorgängerin – das muss sie auch, denn bei Vespa steht nicht einfach nur das Design unter Schutz, der nach 25 Jahren ausgelaufen wäre, sondern im Sinne des Urheberrechts gilt sie sogar offiziell als Kunstwerk. Sie darf also bis 70 Jahre nach dem Tod ihres Designers Corradino d’Ascanio nicht kopiert werden. Daher können wir uns weiterhin an den einzigartigen Formen der Vespa mit dem breiten Beinschild, rundlichen Hintern, praktischem Durchstieg, üppig gepolsterter Sitzbank, Rundscheinwerfer und knubbeligen Rädern erfreuen.
Doch im wohlgeformten Heck der GTS 310 Super hat sich einiges getan, der Einzylindermotor wuchs um 32 cm3 auf 310 cm3, entsprechend stieg die Höchstleistung zwar um nur ein PS auf 25 PS, doch die liegen bereits 2000 Touren früher an bei 6500/min. Das Drehmoment erhöht sich auf 29 Nm bei 5250/min.
Vespa GTS Super 310 Test (7 Bilder)

Ingo Gach
)Ăśberraschend flink
Während der Wartephase vor der roten Ampel spüre ich deutlich, dass unter mir ein Einzylinder werkelt, der sich im Leerlauf ungeduldig schüttelt. Beim Start legt die knallrote GTS Super 310 dann los wie die Feuerwehr und lässt alle vierrädrigen Verkehrsteilnehmer auf den ersten Metern locker hinter sich. Geschaltet werden muss die Vespa längst nicht mehr, denn auch sie fährt mit der global allgegenwärtigen Kombination aus Fliehkraft-Trockenkupplung und stufenloser Riemenautomatik.
Ich bin ehrlich überrascht, wie flott die GTS Super 310 unterwegs ist, in der Stadt wuselt sie wieselflink durch den Verkehr. Dank ihrer 12 Zoll kleinen Räder geht sie beim leichtesten Lenkimpuls in Schräglage und flitzt beim Abbiegen flink um die Ecken. Ihr Wendekreis ist dank des großen Lenkeinschlags minimal. Lediglich beim Rangieren im Stand fallen die 163 kg Leergewicht der GTS Super 310 auf, sobald sie sich in Bewegung setzt, verliert sie gefühlt mindestens einen Zentner an Gewicht. Beim plötzlichen Gasaufreißen aus Tempo 80 auf der Landstraße schiebt die Vespa nachdrücklich an und schließt den Überholvorgang nach wenigen Sekunden ab. Molto bene!
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127 km/h auf einer Vespa? Aber ja!
Die Kehrseite der Räder-Dimension ist eine gewisse Nervosität bei höheren Geschwindigkeiten. Das wird zwar nie beängstigend, aber mit Tempo 100 in die Kurve zu gehen erfordert gerade auf schlechter Wegstrecke schon erhöhte Konzentration, um gegebenenfalls die anvisierte Linie nachzukorrigieren. Auf der Autobahn erreicht die Wespe 127 km/h. Ich hätte nie gedacht, mal mit diesem Inbegriff des Stadtfahrzeugs auf der linken Spur unterwegs zu sein und mich nicht als Verkehrshindernis zu fühlen. Um sie wieder einzufangen, hat die Vespa ausgezeichnete Bremssättel des Zulieferers Nissin mit 220 mm messenden Bremsscheiben an Vorder- und Hinterrad.
Beruhigende Sicherheit vermittelt das feinfühlig regelnde ABS. Einzig die nicht einstellbaren Bremshebel verdienen leise Kritik. Starten lässt sich die GTS Super 310 über ein Keyless-System, der Drehknopf im Beinschild muss dafür kurz gedrückt werden. Wenn das drei Zoll große Display Bereitschaft meldet, wird der Drehknopf nach rechts gedreht, um die Zündung zu aktivieren. Der Startknopf sitzt wie üblich rechts am Lenker, allerdings startet der Motor nur, wenn der rechte Handbremshebel gezogen ist.
Vespa GTS Super 310 Test Details (8 Bilder)

Ingo Gach
)VorzĂĽglicher Komfort
Viel Freude bereitet auch das Fahrwerk der GTS Super 310. Für seine relativ kurzen Federwege von 86 mm vorn und 90 mm hinten dämpft es ganz vorzüglich, selbst auf Kopfsteinpflaster wurde ich nicht ungebührlich durchgeschüttelt. Hier haben die Entwickler ganz Arbeit geleistet, vermutlich im Hinblick auf die Aussicht, mit der eigenen Vespa italienisches Straßenpflaster zu befahren. Die voluminöse Sitzbank bietet zudem hohen Komfort, sowohl beim Fahrer als auch bei der Sozia. Ich fühlte mich in 825 mm Höhe bestens aufgehoben, die Füße entspannt auf dem Trittbrett.
(Bild:Â Frank Ratering / Volker Rost)
Viel Stauraum, nicht fĂĽr Integralhelme
Eine sinnvolle und sehenswerte Funktion bieten die hinteren Fußrasten, sie verschwinden mithilfe eines Klappmechanismus in der Karosserie. Unter der Sitzbank, die sich auf Knopfdruck am Lenker oder per Funksignal öffnen lässt, befindet sich nicht nur der Benzineinfüllstutzen, sondern auch ein großes Staufach. Für einen Integralhelm reicht es leider ganz knapp nicht, aber der unter Rollerfahrern beliebte Jethelm passt. Um an den Motor heranzukommen, kann das Kunststoff-Staufach herausgenommen werden. Kleinere Gegenstände können auch im Kasten am Beinschild transportiert werden. Sehr praktisch: Das Telefonino lässt sich dort per USB-Buchse aufladen.
Retro-Tacho im Cockpit
Treu der Tradition zeigt ein analoger Tacho die Geschwindigkeit an, darunter macht jedoch ein kleines LC-Display ein Zugeständnis an die Moderne. Es umfasst unter anderem die Tankanzeige, Verbrauchsanzeige, gefahrene Kilometer, Uhrzeit und Motortemperatur. Eingefasst ist es von einer Leiste aus Chrom, wie sie sich auch an den Armaturen, Rückspiegeln und Lampenfassung findet. Ganz besonders elegant wirkt eine Chromleiste entlang des Beinschilds, die sich bis zum Ende des Trittbretts zieht. Modern zeigt sich die Vespa wiederum bei Scheinwerfer und Rücklicht: Sie leuchten mit hellem LED-Licht.
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Gut angelegtes Geld
Die GTS Super 310 verbrauchte im Test 3,2 Liter Benzin, was bei einem 8,5-Liter-Tank eine theoretische Reichweite von 265 km ergibt. Zur Auswahl stehen die Farben Rot, Weiß und Schwarz, Aufpreis kostet keine davon. Vespa erwartet 7299 Euro für die GTS Super 310. Das ist für einen Roller wirklich nicht billig, aber wir reden hier vom italienischen Original, dem Urmeter aller Roller und gutem Werterhalt. Un poco mehr Geld – aber gut angelegt.