"Model-T-Moment": Ford kündigt für 2027 E-Autos auf eigener Basis an

Ford will das E-Auto und seine Produktion neu erfinden, um endlich in die schwarzen Zahlen zu kommen. Ab 2027 sollen die Autos auf einer neuen Basis entstehen.

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Doug Field Fordwerk Louisville

Doug Field, bei Ford verantwortlich für Elektromobilität und Konstruktion, verspricht den Arbeitern im Fordwerk Louisville eine bessere Zukunft

(Bild: Ford)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Ford kündigt für 2027 E-Autos auf eigener Basis an. Um Aufmerksamkeit für diese bedeutende Neuerung zu erzeugen, sprach vor einer Woche Ford-Chef Jim Farley von einem "Model-T-Moment". Das zeugt von keinem geringen Anspruch, wenn man bedenkt, wie sehr vor weit über 100 Jahren das Model T nicht nur Ford ganz nach vorn katapultierte, sondern die Autoindustrie insgesamt umkrempelte. Die Brötchen von heute sind allerdings definitiv kleiner: Nun ist die Rede davon, dass man der erste Autohersteller sein wolle, der in den USA prismatische LFP-Batterien fertigt. Zudem eifert Ford Tesla nach, um nicht nur das Fahrzeug selbst, sondern auch die Produktion zu verschlanken und zu verbilligen. Dabei soll das Fließband neu gedacht werden – mal wieder.

Der Grund ist, dass Ford nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA mit seinen Elektroautomodellen dem technischen Standard teilweise ziemlich weit hinterherfährt und durch ihre teure Produktion unnötig viel Geld verliert. In Deutschland kauft Ford die Elektroautotechnik von Volkswagen, die an sich schon teuer ist und kann damit mittelfristig nicht ins Plus kommen. Der Handlungsbedarf ist dringend und Lösungsmöglichkeiten werden daher intern verzweifelt mit Milliarden beworfen.

Batterietechnik in Elektroautos

Der Ford-Chef wagt sich dann auch weit vor, indem er beim Thema "verbesserte Effizienz in Kundenhand" für einen Ford auf der kommenden Basis über fünf Jahre geringere Betriebskosten als für ein Tesla Model Y über drei Jahre verspricht. Allerdings vergleicht er dabei ein Auto, das 2027 herauskommen soll mit einem, das seit 2020 fast unverändert gebaut wird.

Farley verkündet, dass die kommende technische Elektroauto-Basis mit einem Fünftel weniger Teilen, einem Viertel weniger Befestigungselementen und dank reduzierter Fertigungsschritte eine um 15 Prozent schnellere Produktion erlauben soll. So soll etwa der Kabelbaum im kommenden elektrischen Pick-up-Modell um über 1,3 Kilometer gekürzt rund 10 Kilogramm leichter werden als der im aktuellen Modell. Erkennbar dicht auf die Fersen von Tesla begibt sich nun auch Ford mit großen einteiligen Pressgussteilen aus Leichtmetall, die Dutzende kleinerer Teile ersetzen sollen. Ford möchte so die Front und Heck separat montieren und damit Arbeitsschritte einsparen, was bei Teslas sogenanntem "Gigacasting" tatsächlich gewisse Vorteile bringt. Erkennbar revolutionär wie damals beim Model T ist keine der Ankündigungen. Sie umfassen bekannte und bewährte Methoden und Praktiken, jedenfalls soweit Ford das heute bereits kommuniziert hat.

Die oben erwähnten prismatischen Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) sind bei der Konkurrenz längst als kostendämpfende Lösung im Einsatz, auch, wenn ihr Einsatz eine Batterievorkonditonierung eigentlich zwingend erfordert. Die Unterflurmontage, die auch als Fahrzeugboden dient, ist ebenfalls als "Cell-to-Body" bereits bekannter Stand der Technik.

Dass der kommende elektrische Pick-up-Truck "voraussichtlich mehr Passagierraum haben wird als der neueste Toyota RAV4" klingt nicht nach einer grundstürzenden Neuerung. Ebenso wenig das Versprechen, dass man seine "Surfbretter oder andere Ausrüstung auf die Ladefläche schnallen" kann und damit "keine Dachgepäckträger oder Anhängerkupplungen erforderlich" sind. Das ist bekannt, seit vor rund 110 Jahren die ersten Pickup-Trucks von der Galion Allsteel Body Company auf dem Chassis eines – jawohl – Ford Model T, verkauft wurden.

Aber immerhin, der kommende Elektro-Pick-up soll so schnell auf 100 km/h beschleunigen wie ein Ford Mustang EcoBoost. Der Abfallnutzen der leistungsfähigen elektrischen Plattform ist zwar zumal für ein Nutzfahrzeug kein wirkliches Kaufargument, aber versuchen kann man es ja mal. Weitere Spezifikationen, einschließlich Vorstellungstermin, Verbrauch, Batteriegrößen und Ladezeiten will Ford später bekanntgeben. Der Preis soll 30.000 US-Dollar (etwa 25.800 Euro) betragen.

Statt einer Fließbandmontage will Ford die Elektroautos künftig auf einem "Montagebaum" fertigen lassen. Drei Baugruppen laufen parallel über eigene Produktionslinien und werden an geeigneter Stelle zusammengeführt. Die einteiligen Aluminium-Unicastings ermöglichen die separate Montage von Front und Heck sowie die Einfügung der Batterie von unten, auf deren Gehäuse bereits Sitze, Konsole und Teppiche montiert sind, bevor sie dem Oberteil hinzugefügt wird. Die Art der Montage soll nicht nur effizienter erfolgen, sondern auch die Ergonomie für die Mitarbeiter "drastisch" verbessern, indem es verdrehte und gebeugte Haltungen reduziert. Auch die Qualität der Montage soll sich so "erheblich" verbessern lassen und zu "Kostengewinnen führen."

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Durch eine große Investition will Ford den "BlueOval Battery Park Michigan" so weit ertüchtigen, dass dort ab kommendem Jahr die prismatischen LFP-Batterien im Umfang von 20 GWh pro Jahr unter Lizenz des chinesischen Batterie-Riesen CATL für den Pick-up-Truck gebaut werden können. Zusammen mit Geldern für das Werk Louisville belaufen sich die Investitionen auf etwa fünf Milliarden Dollar. In beiden Werken sollen so fast 4000 Arbeitsplätze "geschaffen oder gesichert" werden.

(fpi)