Vorstellung KTM 990 RC R: Ehre wieder hergestellt
KTM bringt mit der 990 RC R endlich ein Sportbike mit Vollverkleidung. Reichlich Drehmoment sollte den Fahreindruck prägen. Der Preis: ambitioniert.
KTM 990 RC R
(Bild: KTM)
- Ingo Gach
Die Situation war schon ein wenig absurd: KTM fuhr acht Jahre lang in der MotoGP, hatte aber kein vollverkleidetes Superbike im Programm, mit dem sich das teure Engagement bei den Händlern in klingende Münze hätte umwandeln lassen. Jetzt endlich präsentieren die Österreicher – ein Jahr vor ihrem Ausstieg aus der MotoGP – mit der 990 RC R einen Sportler, der die Ehre wieder herstellt. Eigentlich war die Vorstellung schon früher geplant, aber die Insolvenz von KTM hatte dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt laufen die Bänder in Mattighofen wieder und angeblich soll sich die 990 RC R bereits in Produktion befinden.
Auffällige Erscheinung
Die 990 RC R ist eine auffällige Erscheinung, die zum Glück das "gesichtslose" Design der Duke-Modelle nicht übernimmt. Stattdessen setzt sie auf einen winzigen LED-Spot mit einer schmalen Tagfahrleuchte darunter. Außer den großen Winglets an der Front und den "Belly Wings" am Bug fällt die geschlossene Vollverkleidung auf, die in den Tank übergeht und den Blick auf den Motor weitestgehend verwehrt. Das gab es bereits 1986 bei der Honda CBR 600 F, setzte sich aber nicht dauerhaft durch.
Den aufgedockten Soziussitz über dem winzigen Höcker hätte sich KTM dagegen auch sparen können. Er wirkt wie ein Fremdkörper und freiwillig will darauf wohl niemand Platz nehmen. Ansonsten zeigt sich die Linienführung der 990 RC R schlüssig und aggressiv. Der Tank ermöglicht mit Einbuchtungen an den richtigen Stellen guten Knieschluss, die Sitzhöhe ist mit 845 mm sportlich hoch.
KTM 990 RC R (7 Bilder)

KTM
)Rohrrahmen aus Stahl
Im Gegensatz zu den meisten Sportmotorrädern setzt KTM nicht auf einen Aluminiumrahmen mit dicken Durchmessern, sondern auf einen Stahlrohrrahmen. Hingegen bestehen der neu konstruierte Heckrahmen und die Schwinge aus Aluminium. Die Ergonomie lässt sich auf den Fahrer abstimmen, neben den einstellbaren Stummellenkern und Handhebeln lassen sich auch die Fußrasten um 25 mm nach hinten und 17 mm nach oben verlegen. Das Sitzpolster ist sehr dünn und die Lenkerstummel sind tief platziert – Rennstreckenfahrer erwarten keinen Komfort.
Fast ein Liter Hubraum
Die KTM 990 RC R ist zwar mangels Leistung nicht für die Superbike-WM geeignet, wo die Vierzylinder-Konkurrenz mittlerweile bei um die 218 PS liegt, kommt aber immerhin auf 130 PS. Damit folgt KTM dem Trend, Sportmodelle in der Mittelklasse anzusiedeln, um die Kosten nicht ausufern zu lassen. Wobei die 990 RC R mit 947 cm3 Hubraum schon an die Oberklasse grenzt. Sie wird von dem LC8c-Reihenzweizylinder mit einem kurzhubig ausgelegten Bohrung-Hub-Verhältnis von 92,5 x 70,4 mm befeuert. Interessant, dass er seine Höchstleistung bereits bei 9500/min erreicht, das maximale Drehmoment von 103 Nm sogar schon bei 6750/min.
Kräftiger Druck aus der Mitte
Die Mehrleistung von sieben PS gegenüber der vergangenes Jahr vorgestellten 990 Duke resultiert unter anderem auf der geänderten Airbox und der neuen Auspuffanlage aus Edelstahl. Es sind keine Drehzahlorgien notwendig, um mächtig Vortrieb auf dem Sportbike zu haben. Der LC8C-Motor in der 990 Duke hat viel Druck in der Mitte und dürfte auch in der 990 RC R mit gutem Durchzug bestechen. Niedrige Drehzahlen unter 3000/min mag er aber nicht. Die 990 RC R wiegt laut KTM mit zu 90 Prozent gefülltem 15,7-Liter-Tank 195 kg, davon entfallen 57,2 kg auf den Motor.
Neues 8,8-Zoll-TFT-Display
Eine Premiere bei KTM ist das 8,8 Zoll große TFT-Display im Wide-Screen-Format, das sowohl per Touch als auch über einen Fünf-Wege-Joystick bedient werden kann. Es soll in Schärfe und Reaktionsgeschwindigkeit neue Maßstäbe setzen. Außerdem verfügt es über eine Split-Screen-Funktion, sodass zum Beispiel auf einer Seite ein Navi eingeblendet werden kann.
KTM 990 RC R Details (8 Bilder)

KTM
)Die Entwickler wählten einen Radstand von 1481 mm, 65,8 Grad Lenkkopfwinkel und 98,5 mm Nachlauf für die nötige Agilität auf der Rundstrecke bei gleichzeitiger Fahrstabilität, denn die 990 RC R rennt über 250 km/h in der Spitze. Bei den Federelementen greift KTM grundsätzlich zur konzerneigenen Marke WP. Vorn ist es eine APEX Open Cartridge-Gabel mit 48 mm Durchmesser und 147 mm Federweg, am APEX-Federbein hinten sind es 134 mm Federweg, beide Komponenten sind voll einstellbar.
Serienmäßig zieht KTM die auf der Rennstrecke sehr haftfreudigen Michelin Power Cup 2-Reifen auf. Bei den Bremsen setzt KTM mit den radialen Hypure-Vierkolben-Bremszangen auf die neueste Generation von Brembo. Sie wirken vorn auf 320 mm große Bremsscheiben, hinten verrichtet ein Einkolben-Bremssattel mit einer 240-mm-Scheibe sein Werk. Der Brembo-MCS-Hauptzylinder ermöglicht dem Fahrer, das Übersetzungsverhältnis des Bremshebels in drei Stufen einzustellen.
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Unglückliche Preisstrategie
Soweit hätte die 990 RC R eigentlich gute Voraussetzungen für einen Erfolg, wenn da nicht der Preis von 15.985 Euro inklusive Nebenkosten wäre. Die guten Verkaufszahlen der Mittelklasse-Sportler wie der Aprilia RS 660, Triumph Daytona 660 oder Honda CBR[ 650 R resultieren aus vergleichsweise günstigeren Preisen. Den Bereich hat KTM mit der 990 RC R aber nicht nur leistungsmäßig, sondern auch vom Preis her nach oben verlassen. Noch dazu sind für den Rennstreckeneinsatz wichtige Ausstattungen wie Quickshifter und Track-Fahrmodus bei der KTM aufpreispflichtig. Das "Track Pack" bietet neunstufige Schlupfregelung, Wheelie- und Launch Control, Lap Timer, Telemetrie und eine einstellbare Gasannahme.
Das "Tech Pack" umfasst zusätzlich zum "Track-Pack" auch noch Quickshifter+, Motorschleppmoment-Regelung, adaptives Bremslicht und Tempomat. Den Preis für das "Tech-Pack" der 990 RC R hat KTM zwar noch nicht kommuniziert, aber für die 990 Duke mit dem LC8c-Motor kostet es 979 Euro. Das heißt, um die 990 RC R wirklich tracktauglich zu bekommen, wären knapp 17.000 Euro fällig. Da ist der Abstand zu den 218 PS starken Superbikes wie der BMW S 1000 RR (20.890 Euro) nicht mehr so groß, zur beliebten Honda CBR 650 R (10.410 Euro), die zurzeit mit 2007 Neuzulassungen auf Platz vier in Deutschland liegt, hingegen sehr.
Weiterhin mit Demo-Modus
Auch an dem unglücklichen "Demo-Modus" hält KTM fest: Das Neufahrzeug wird mit den optionalen elektronischen Assistenzsystemen ausgeliefert und der Kunde kann sie 1500 km lang nutzen. Wenn er dann nicht den Aufpreis zahlt, werden sie ihm automatisch abgeschaltet. Diese Lock-Strategie der Marketing-Abteilung ging schon vor der Insolvenz nach hinten los, denn der Käufer bekam das unerfreuliche Gefühl, dass ihm der Hersteller etwas wegnahm.
Videos by heise
Erfolg offen
Dass die KTM 990 RC R ein hervorragendes Sportmotorrad mit hoher Rennstreckentauglichkeit ist, steht außer Zweifel. Die Zutaten sind überzeugend und die lange MotoGP-, Moto2- und Moto3-Erfahrung von KTM dürfte auch in die Serie eingeflossen sein. Doch mit der Preispolitik könnte sich KTM verkalkulieren, denn die 990 RC R liegt dafür zu nahe an den fast 90 PS stärkeren Superbikes und zu weit weg von den günstigen Mittelklasse-Sportlern.