Telekom verkündet offiziell die Auswechslung des Firmenchefs

Wie ein Senkrechtstarter war Kai-Uwe Ricke an die Spitze der Telekom gekommen. Nach genau vier Jahren im Amt ist der 45-Jährige ebenso steil abgestürzt. Sein designierter Nachfolger, T-Mobile-Chef René Obermann, gilt als der Problemlöser im Konzern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 171 Kommentare lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Peter Lessmann
  • Martin Murphy
  • dpa

Die Spatzen hatten es bereits von den Dächern gepfiffen und aus Unternehmenskreisen verlautete, die Deutsche Telekom werde den Rücktritt ihres Chefs Kai-Uwe Ricke noch am heutigen Sonntag bekannt geben. Nach Ende einer Sitzung des Präsidialausschusses des Telekom-Aufsichtsrates am Sonntagabend in Bonn wurde auch offiziell bestätigt, dass die Telekom und Ricke sich in trennen: "Kai-Uwe Ricke legt im Einvernehmen mit dem Präsidium des Aufsichtsrates das Amt des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG nieder", heißt es kurz und knapp in einer Börsenpflichtmeldung des Konzerns. Der Rücktritt Rickes erfolgt bereits mit Wirkung zum morgigen Montag, den 13. November. Nachfolger als Vorstandsvorsitzender soll nach bisherigen Informationen T-Mobile-Chef René Obermann werden, der aber erst auf einer außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats am Montag inthronisiert werden soll.

Für Rickes Abgang machten sich der Finanzinvestor Blackstone und der Bund stark, die mit seiner Führung nicht mehr einverstanden waren, wie eine mit den Vorgängen vertraute Person sagte. Blackstone ist nach dem Bund der größte Anteilseigner bei der Telekom; die Investmentgesellschaft habe schon im September auf einen Rauswurf von Ricke gedrängt, was Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel und der Bund aber abgelehnt hätten. Mittlerweile sei das Verhältnis zwischen Zumwinkel und Ricke aber merklich abgekühlt, hieß es. Auf einer inoffiziellen Sitzung des Aufsichtsrates nach der Vorlage der Quartalszahlen am Donnerstag habe Zumwinkel den Vorstandsvorsitzenden massiv kritisiert.

Mit der Mitteilung der Telekom ist der erneute Wechsel an der Spitze der Deutschen Telekom offiziell, die mit rund 60 Milliarden Euro Umsatz Europas größter Telekommunikationskonzern ist. Das Unternehmen mit seinen 245.000 Mitarbeitern steht auf seinem Heimatmarkt unter einem enormen Wettbewerbsdruck, der vor allem die Festnetzsparte T-Com belastet. Seit Jahresanfang wechselten 1,5 Millionen Kunden zur Konkurrenz. Mit neuen Bündeltarifen will der Konzern den Rückgang zumindest schmälern und damit sein Ergebnis langfristig sichern.

Kritik erntet die Telekom vor allem für ihre schwache Serviceleistung. Mit der Auslagerung von 45.000 Service- und Callcenter-Mitarbeitern will die Gesellschaft nun die Qualität verbessern und die Kosten deutlich drücken. Die Gewerkschaft ver.di hat die Umstrukturierung kritisiert, da der Abbau weiterer Arbeitsplätze drohen könnte.

Ein immer größeres Gewicht gewinnt die amerikanische Mobilfunktochter T-Mobile USA (früher VoiceStream), die T-Com als größte Einzelgesellschaft im Konzern ablösen soll. Zum Ausbau des US- Geschäfts sind milliardenschwere Investitionen geplant, womit eine bessere Netzabdeckung erreicht werden soll. T-Mobile USA ist der einzige Ergebnistreiber im Konzern.

Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke: Senkrechtstarter mit steilem Absturz

Wie ein Senkrechtstarter war Kai-Uwe Ricke an die Spitze der Deutschen Telekom gekommen. Nach genau vier Jahren im Amt ist der 45-Jährige ebenso steil abgestürzt. Als der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom Ricke im Mai 2001 in den Vorstand berief, wurde er schon als Nachfolger für Ex-Konzernchef Ron Sommer gehandelt. Nur gut ein Jahr später war es schon so weit: Sommer trat im Juli 2002 zurück. Ricke rückte – nach einem kurzen Intermezzo mit dem Interims-Chef Helmut Sihler – im Herbst 2002 auf den Chefsessel.

Der Mobilfunkpionier hatte damit nach seinem Einstieg 1998 bei der Telekom eine Blitzkarriere hingelegt. Sein Förderer Sommer hatte ihn nach Bonn geholt, als mit der Marktöffnung neue Wettbewerber zum Angriff auf den Platzhirsch bliesen. Einer davon war der Service-Provider Talkline in Elmshorn. Ihr Geschäftsführer hieß Kai-Uwe Ricke. Und der war zunächst ein ausgewiesener Gegner der Telekom. "Das Monopol geht, Talkline kommt", warb das Unternehmen damals.

Eine der heikelsten Aufgaben wartete auf den Blondschopf ausgerechnet in der Mobilfunksparte. Gemeinsam mit Sommer hatte Ricke 2000 den spektakulären und vielfach kritisierten Kauf des US- Mobilfunkbetreibers VoiceStream eingefädelt. Der gewaltige Kaufpreis von rund 40 Milliarden Euro ließ nicht nur den Kurs der T-Aktie einbrechen, sondern auch die Verbindlichkeiten steigen. Neben teuren Firmenzukäufen belasteten außerdem die enormen UMTS- Kosten die Bilanzen des Unternehmens über Jahre.

Gescheitert ist Ricke aber am Ende an dem heftigen Gegenwind, den die Wettbewerber auf dem deutschen Telekom-Markt entfachten: Allein in diesem Jahr kehrten bislang mehr als 1,5 Millionen Kunden der Telekom den Rücken – weil Kampfpreise und attraktive Pakete der Konkurrenz im zusammenwachsenden Geschäft mit Telefonieren, Internet und Unterhaltung vielen verlockend erschienen. Die im Sommer präsentierten neuen Bündeltarife, die den Abwärtstrend stoppen sollten, kamen nach Einschätzung von Experten zu spät.

René Obermann: Problemlöser im Telekom-Vorstand

T-Mobile-Chef René Obermann gilt als der Problemlöser im Telekom-Konzern. So erkannte er schon früh die Abschwächung des deutschen Handy-Markts und leitete ein milliardenschweres Sparprogramm ein. Zwar mussten mehrere hundert Mitarbeiter gehen – ohne Obermanns frühes Eingreifen wären nach Einschätzung von Experten aber noch weiter reichende Einschnitte nötig gewesen, um eine Schieflage von T-Mobile zu vermeiden. Mit der Berufung an die Konzernspitze warten nun neue Aufgaben auf den 43-Jährigen, der auf einer Aufsichtsratssitzung am Montag als Nachfolger des scheidenden Kai-Uwe Ricke berufen werden soll.

Obermanns wichtigste Aufgabe wird sein, die Wende im deutschen Festnetzgeschäft zu schaffen – seit Jahresbeginn wechselten 1,5 Millionen Kunden zur Konkurrenz. Den Aderlass wollte schon Ricke mit neuen Bündeltarifen unterbinden. Allerdings kamen die neuen Tarife Jahre zu spät, meinen Experten. Mit der Berufung von Obermann an die Konzernspitze erwarten sie nun, dass "mehr Zug" in die Unternehmensführung kommt. Als der Manager vor vier Jahren die Führung von Ricke als T-Mobile-Chef übernahm, schmiedete er den Mobilfunkarm zu eine Einheit. Zuvor agierten die zusammengekauften Auslandstöchter von T-Mobile unabhängig und oft unter ihrem alten Namen. "Die Sachen, die Ricke schleifen ließ, boxt Obermann schnell durch", sagt ein Insider.

Ein Königsmörder ist Obermann aber nicht: "Die beiden verbindet eine jahrelange Freundschaft", sagt der Eingeweihte. Die Entscheidungen von Ricke hat der T-Mobile-Chef immer mitgetragen. "Zwischen die beiden passt kein Stück Papier." Obermann sei aber auch Profi genug, um nun die Chance für den Aufstieg an die Konzernspitze zu nutzen.

Obermann ist Unternehmer durch und durch. Sein Studium der Volkswirtschaft brach er nach dem Vordiplom ab, um im schnell wachsenden Telefongeschäft selbstständig aktiv zu werden. Die von ihm 1986 gegründete Firma ABC Telekom verkauft er an den asiatischen Mischkonzern Hutchison Whampoa.

Ricke machte Obermann dann im Jahr 1998 zum Vertriebschef von T- Mobile Deutschland. Schnell rückte er in der Hierarchie der Telekom-Tochter auf. Dem entscheidungsfreudigen Manager half dabei seine einnehmende Art, die ihm den Respekt der Arbeitnehmerseite eintrug. "Obermann ist hart in der Sache, dabei aber immer fair", sagt ein Betriebsrat.

Wie Ricke sucht Obermann nicht die Öffentlichkeit. Allerdings stellt sich Obermann den unbequemen Fragen der Medien, während Ricke sich gerne in inhaltslosen Floskeln verbarg. "Obermann sucht die Öffentlichkeit nur, wenn sie bei der Lösung von Problemen hilfreich ist", sagt ein Insider. Die für seinen Job nötige Härte trainierte sich der gebürtige Düsseldorfer beim Eishockey an. Seine Karriere beim Krefelder Eishockey-Klub KEV gab er zu Gunsten seines beruflichen Erfolges auf. Obermann ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Siehe dazu auch:

(Peter Lessmann, Martin Murphy, dpa) / (jk)