LKW-Maut: Scharfe Brücken, schwaches System?

Berichte, dass Mautpreller bei einem Test nicht über die Mautbrücken identifiziert wurden, schüren erneut Zweifel an der technischen Funktionsfähigkeit des Kontrollsystems.

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Von
  • Detlef Borchers

Am heutigen Dienstag will das ZDF-Magazin Frontal21 in einem Bericht zeigen, wie mit abgeschalteter OBU (On-Board-Unit) die deutsche LKW-Maut umgangen werden kann. Im Rahmen eines zuvor beim Maut-Betreiber Toll Collect angemeldeten Versuches wurde ein LKW über deutsche Autobahnen geschickt, bei dem die vorschriftsmäßig installierte OBU vom Stromkreis getrennt wurde. Dabei sollen acht von neun Mautbrücken es nicht geschafft haben, den vorschriftswidrig dahinrollenden LKW zu erfassen. Eine Mautbrücke allein habe reagiert, aber Toll Collect sei nicht in der Lage gewesen, das Fahrzeug zu identifizieren, heißt es beim ZDF.

Der Bericht von Frontal21 wird von Toll Collect nicht direkt dementiert. Gegenüber Spiegel Online bestätigte ein Sprecher, dass lediglich zehn Prozent der Mautbrücken ihre Ergebnisse an die Zentrale melden. Die restlichen Brücken seien nicht scharf geschaltet, weil eine hundertprozentige Aktivität aller Brücken nicht wirtschaftlich sei. Die Scharfschaltung sei Sache des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG), heißt es weiter.

Ungeklärt ist freilich die Frage, ob die Mautbrücken überhaupt scharf geschaltet werden können -- oder etwa, wie bereits früher berichtet, nicht zufriedenstellend funktionieren. So sprach Mautgutachter Hans-Joachim Fischer von der Blaubeurer ESF-GmbH gegenüber heise online von einer Nicht-Kommunikation zwischen OBU und Mautbrücken, die eigentlich über Infrarot erfolgen soll: "Bisher war es mir wirklich nicht möglich, durch meine Messungen IR-Aussendungen an den Mautbrücken nachzuweisen. Das Enforcement erfolgt meiner Meinung nach einzig und allein durch Videobilder und OCR."

Aufkommende Zweifel an der Funktionsfähigkeit von Infrarot sind von den Lieferfirmen dieser Komponenten allerdings ebenfalls bereits dementiert worden. Fischer sieht die Sachelage aus einer anderen Perspektive und vergleicht Infrarot mit dem Mikrowellen-DSRC-Funk: "Wenn sie 1000 Euro mehr pro Gerät in die OBU investieren, so kriegen sie vielleicht ein vernünftiges Mautsystem, das vergleichbar gut wie die DSRC-Systeme in Norwegen und Österreich ist." Insgesamt bewertet er die deutsche LKW-Maut nicht als Technik, die optimal für die Erhebung einer Straßenbenutzungsgebühr ist: "So aber ist die Technologie wohl einzig und allein dafür geeignet, flächendeckend die Bewegung von Gütern in Europa kontrollieren zu können im Sinne der Homeland Security."

Offiziell jedenfalls funktioniert die deutsche LKW-Maut. Gegenüber der Financial Times Deutschland sagte ein BAG-Sprecher, dass sich eine Mautprellerquote von drei Prozent sechs Wochen nach dem Start der Maut eingependelt habe. Damit sei die Akzeptanz des Systems hoch. Der Sprecher machte indes keine Angaben darüber, ob die Mautpreller nur durch die im Verkehr "mitschwimmenden" BAG-Fahrzeuge oder auch über die Mautbrücken ermittelt wurden. Sollten die Mautbrücken abgeschaltet sein oder nicht funktionieren, könnte die Dunkelziffer der Mautpreller sehr hoch sein. Gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung in Halle forderte der Präsident des Verkehrsgewerbe-Landesverbandes Sachsen-Anhalt eine deutliche Verstärkung der Kontrollen, weil nur die Hälfte der Mautbrücken in Betrieb seien.

Zur satellitengestützten LKW-Maut in Deutschland siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)