LKW-Maut: Der Start ist gelungen
Der erste harte Maut-Tag ist nach Einschätzung von Toll Collect ohne größere Probleme zu Ende gegangen.
Nach dem Start des Mautsystems von Toll Collect zur LKW-verkehrsarmen Zeit an den Neujahrstagen ist auch der erste harte Maut-Tag nach Einschätzung von Toll Collect ohne größere Probleme zu Ende gegangen. Am heutigen Montag registrierten die Maut-Betreiber 345.000 Einbuchungen über die On-Board-Units (OBU) und 45.000 Einbuchungen über das Internet respektive die Maut-Terminals. Dies ist eine deutliche Steigerung gegenüber dem Sonntag, an dem man 29.000 OBU-Buchungen und 7000 manuelle Vorgänge registrierte.
Auch die befürchteten Staus mit der Aufhebung des Fahrverbotes am Sonntagabend blieben aus. Am Grenzübergang Bentheim begann die holländische Hatz nach Berlin wie an jedem Ende des Wochenendes. Probleme gab es nur bei ausländischen Fahrern, die auf unbekannter Strecke nicht die korrekte Ausfahrt am Terminal bestimmen konnten. Ein englischer LKW-Fahrer hatte in Bentheim in seinen Ladepapieren beispielsweise nur "Hanover Fair Entry South" stehen und musste vor der Liste der angebotenen Abfahrten in Hannover Hilfe suchen. Auch die hochmotivierten Helfer von Toll Collect mussten bei einigen dieser Fälle (ohne eigene Navigationssoftware im Notebook) mangels Ortskenntnisse kapitulieren.
Nach Angaben des für die Mautkontrolle zuständigen Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) wurden stichprobenartig 13.950 Fahrzeuge kontrolliert -- eine Dauerkontrolle ist laut Autobahnmautgesetz unzulässig. Von diesen Fahrzeugen fuhren 1200, ohne Maut entrichtet zu haben, was auf eine Mautprellerquote von 8 bis 9 Prozent hinausläuft. Diese Quote liegt unterhalb der 10 Prozent, die am ersten Tag erwischt wurden beziehungsweise unterhalb der 10 Prozent, die gegen die Euro-Vignette "Standard" verstoßen haben. Nur 320 der 1200 mautlosen Fahrzeuge wurden von Mautbrücken erfasst, der Rest von den im Verkehr "mitschwimmenden" Fahrzeugen des BAG. Ausländische Frachtführer sollen bei den Ertappten deutlich in der Mehrzahl sein.
Ob schlichte Unwissenheit oder der Glaube an das Nicht-Funktionieren des Systems hinter den Mautverstößen steckt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen müssen. Als Konsequenz aus der Situation sollen nun auch die an dem ersten Tag nicht erhobenen Sicherheitsleistungen auf nachzuzahlende Gebühren eingeführt werden. Für Ausländer sind dies 7300 Euro, für Deutsche 1200 Euro. Insgesamt sollen Toll Collect und BAG an den ersten drei Tagen 3,4 Millionen Euro eingenommen haben.
Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe erklärte zum Mautstart zwar, dass die erste Etappe gewonnen sei, räumte aber eine 100-tägige Schonfrist ein, wie sie sonst nur Politikern gewährt wird. Erst danach könne man die Maut realistisch beurteilen, so Stolpe.
Widerspruch gab es von den Spediteursverbänden. Sie machten darauf aufmerksam, dass die erste Januarwoche traditionell wenig LKW-Verkehr auf die Straßen bringt, da in vielen Speditionen noch Weihnachtsferien sind und viele Werke erst die Produktion anlaufen lassen. Der Bundesverband Güterverkehr (BGL) machte auf einen Fall in Sachsen aufmerksam, wo ein Spediteur von seinem Kunden gezwungen werden sollte, das Gesamtgewicht seiner 40-Tonner in den Papieren auf mautfreie 11,9-Tonnen "ablasten" zu lassen. Gegen ein solches Ansinnen werde man sich zur Wehr setzen, verkündete der BGL.
Zu den Verwicklungen um die MauteinfĂĽhrung in Deutschland siehe auch:
- Verursacherbedingt verspätet -- Das "fortschrittlichste Mautsystem der Welt" und die Realität, c't 22/2003, S. 92, verfügbar im heise online-Kiosk
- Ausgebremste Automatik -- Das Kreuz mit der satellitengestützten Lkw-Maut, c't 21/2002, S. 60
- Vor 10 Jahren: Autobahnmaut mit GSM und GPS
- Ausführliche Informationen zum aktuellen Stand des Toll-Collect-Systems bringt c't in der Ausgabe 02/05, die ab 10. Januar im Handel erhältlich ist.
- Zur Kasse bitte
- Ein Ticket fĂĽr Stolpe
- Kontrolle von Anfang an
- Der Start ist offiziell beschlossene Sache
- Optimismus fĂĽr den Start und menschliche Hilfe fĂĽr die Fahrer
- Wer kontrolliert Toll Collect, wer die Experten?
- Generalprobe beendet, Countdown läuft weiter
- Schwarzfahren oder mit dem Handy zahlen
- Test erfolgreich, GebĂĽhren zu niedrig
- Nicht alle sind Engel
- Sperrminorität gegen einheitliche EU-Maut erfolgreich
- Toll Collect stottert ab
- Bremsklotz aus BrĂĽssel
- Generalprobe vorzeitig gestartet
- Tanz um den Schadensersatz
- Der Start ist geregelt
- Schwarzer Peter gesucht
- Einbauwille mangelhaft
- Ein Tipp der Spediteure
- MĂĽnchner GrĂĽne wollen City-Maut mit RFID-Technologie
- FĂĽr PKW-Maut nur bedingt geeignet
- Alles neu macht der Mai
- Auf ein Altes
- Nach der Maut: Fahrtenschreiber schreiben nicht
- Das beste System wird besser
- Auf ein Neues
- Stolpe kĂĽndigt Toll Collect
- LKW-Maut oder Maut fĂĽr alle
- Europapass lockt mit Go-Box fĂĽr Deutschland
- Mautsystem in Ă–sterreich lief ohne Probleme an
- Die europäische Perspektive
- Von Ă–sterreich lernen
(Detlef Borchers) / (anw)