Segeltour im Mercedes E 300 Bluetec Hybrid

Ehrlich, wir sind unschuldig, es ist tatsächlich einem Mercedes-Mann herausgerutscht: Der neue E 300 Bluetec Hybrid fährt wie eine Seifenkiste, zumindest in der neuen Funktion "Segeln Plus"

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Von
  • Gernot Goppelt
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Konstanz, 3. April 2012 – Ehrlich, ich bin unschuldig, der Mann von Mercedes hat´s gesagt: Der E 300 Bluetec Hybrid fährt wie eine Seifenkiste, manchmal zumindest. Werbeleute muss dieser Vergleich schmerzen, aber was soll´s: Er illustriert treffend die neue Hybridfunktion "Segeln Plus". Das neueste Hybridmodell der Stuttgarter kann bei ausgeschaltetem Dieselmotor vor sich hin rollen, solange es die Strecke eben hergibt – ohne dabei einen Tropfen Diesel zu verbrauchen. Was das bringt und wie sich der E 300 Bluetec Hybrid sonst schlägt, haben wir bei im Hügelland zwischen Stuttgart und Konstanz ausprobiert.

Erster spontaner Gedanke: Nun ja, die haben jetzt den Hybridantrieb aus der S-Klasse in die E-Klasse verpflanzt, allzu große Unterschiede sind da nicht zu erwarten. Irrtum: In der E-Klasse gibt es zum Beispiel eine neue Lithium-Ionen-Batterie, die zwar fast genauso aussieht wie jene in der S-Klasse, aber nicht mehr von Continental stammt, sondern im eigenen Hause gefertigt wird – die Zellen stammen übrigens von Johnson Controls. Und es gibt ein neues Hybridmodul: Es sitzt wie gehabt dort, wo sich normalerweise der Wandler zwischen Motor und dem Automatikgetriebe befindet. Hybridmodul und Getriebe beanspruchen nur 65 Millimeter Bauraum mehr als die 7G-Tronic-Plus allein. Kern des Hybridmoduls ist der Elektromotor mit 20 kW und 250 Nm, welche beim Beschleunigen dem Vierzylinder-Dieselmotor mit 150 kW (204 PS) unter die Arme greifen. Statt eines hydraulischen Drehmomentwandlers wie in der Hybrid-S-Klasse hat die E-Klasse eine nasse Anfahrkupplung (von AMG), mit der sich Dieselmotor komplett abtrennen lässt – Voraussetzung für das "Segeln".

Segeltour im Mercedes E 300 Bluetec Hybrid (17 Bilder)

Der E 300 Bluetec Hybrid braucht im NEFZ nur 4,2 Liter Diesel.

Daimler unterscheidet beim E 300 Bluetec Hybrid zwischen dem normalen Segeln und dem "Segeln Plus". Im Normalbetrieb segelt das Fahrzeug immer dann, wenn man es ausrollen lässt, oder bergab rollt. Sobald man den Fuß vom "Gas" nimmt, wird der Diesel ausgeschaltet und mechanisch abgekoppelt. Der Elektromotor wird dann zum Generator und erzeugt mit einem Bremsmoment von 60 Nm Strom. Dieser Wert entspricht etwa den Schleppverlusten des Dieselmotors beim Gaswegnehmen. Beim Segeln wird somit regelmäßig Strom erzeugt, der in die Batterie mit einem Energieinhalt von 0,8 kWh eingespeist wird, um dann beim Beschleunigen wieder zur Verfügung zu stehen. Die Batterie ist übrigens auf "Lebenszeit" ausgelegt, soll also mehrere 100.000 Kilometer funktionieren, ohne nennenswert an Kapazität zu verlieren. Mit sehr vorsichtigem Fuß kann man auch in das Segeln eingreifen, um den Generator zum Elektromotor umzukehren – so kann man zum Beispiel noch die Ampel erreichen, anstatt einige Meter vorher zum Stillstand zu kommen.

Beim "Segeln Plus" wird der Dieselmotor ebenfalls abgekoppelt, aber der E-Motor bzw. Generator läuft nur noch frei mit, ohne Strom zu erzeugen. Der Vorteil besteht darin, dass man zum Beispiel auf langen Gefällestrecken frei rollen kann. Beim Bremsen wird dann natürlich wieder Strom erzeugt. Wie bei jedem modernen Hybridfahrzeug wirkt das Bremspedal nicht nur auf die Radbremsen, sondern auch auf den Generator. Bei der E-Klasse bremsen die Radbremsen erst dann, wenn der Generator es alleine nicht mehr schafft, oder die Batterie voll ist – überschüssiger Strom hat die lästige Eigenschaft, verwendet oder gespeichert werden zu wollen.