Phantom Elektroauto

Autos mit elektrischem Antrieb sind kein technisches Problem, sondern eine Frage des Willens der Fahrzeugindustrie. Das ist die Prämisse des US-Dokumentarfilms "Who Killed the Electric Car", der nun auch in Europa auf DVD vorliegt.

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Zwischen 1996 und 1999 produzierte der General Motors-Konzern (GM), hierzulande vor allem durch seine traditionsreiche Marke Opel bekannt, ein ganz besonderes Fahrzeug: Das "EV1", was fĂĽr "Electric Vehicle Number One" stand. Ingenieure wie Management waren anfangs so stolz auf den kompakten Zweisitzer, dass sie ihm das erste Mal in der Unternehmensgeschichte kein Logo einer Tochterfirma, sondern den stolzen Konzernnamen GM auf den Kofferraumdeckel nieten lieĂźen.

Das Fahrzeug entstand in Reaktion auf ein verschärftes Umweltgesetz in Kalifornien, laut dem bis 1998 mindestens zwei Prozent aller Neufahrzeuge ohne direkte Emissionen auskommen mussten; bis 2003 gar 10 Prozent. GM erfreute sich bei der Entwicklung außerdem finanzieller Anreize seitens der US-Regierung.

Das Ergebnis war ein innovatives Fahrzeugkonzept in Leichtbauweise, mit geringem Luftwiderstand, enorm wenig Lärm, regenerativen Bremsen und vielen Funktionen mehr, die heute noch in modernen Autos stecken. Dabei fuhr sich das EV1 wie ein normales Fahrzeug, konnte spielend im Stadtverkehr und auf der Autobahn mithalten und wurde erst bei 130 km/h abgeregelt. Probleme mit den Bleibatterien, die die Reichweite auf maximal 120 Kilometer pro Ladung beschränkten, wurde mit einer zweiten Fahrzeuggeneration mit Nickel-Metallhydrid-Akkus gelöst – von da an hielt das EV1, das für moderne Stadtmenschen etwa in Los Angeles gedacht war, mit einer Ladung bis 240 Kilometer durch. Der Bundesstaat Kalifornien machte den Kunden die Nutzung zusätzlich mit Aufladestationen schmackhaft, die kostenlos zu verwenden waren.

Das EV1 wurde in Serie gefertigt. Insgesamt 1117 Einheiten verließen das GM-Werk in Michigan – es war also kein Prototyp mehr. Stars und Sternchen wie Tom Hanks oder Mel Gibson erhielten das Fahrzeug und bewarben es tatkräftig bei TV-Auftritten. Kaufen allerdings konnte niemand einen EV1: General Motors bot es nur auf Leasing-Basis an, auch, um sich vor Rechtsansprüchen bei Problemen zu schützen.

Bei denjenigen, die das EV1 fahren konnten, kam das Fahrzeug besonders nach dem Einbau der langlebigeren Batterie hervorragend an: Es war schnell und wendig und hatte eine Reichweite, die sich durchaus für den täglichen Einsatz eignete. Dennoch verschwand das innovative GM-Fahrzeug 1999 schließlich vom Markt.

Warum? Dieser Frage geht der Dokumentarfilm "Who Killed the Electric Car" nach, der 2006 in die US-Kinos kam und seit einigen Monaten als Großbritannien-Import endlich auch bei uns auf DVD zu haben ist. Gealtert ist das Werk keineswegs – und es provoziert im Viertelstundentakt ein verwundertes "Das gabs schon mal?" unter dem klimabewussten Publikum.

Nachdem Toyota bewiesen hat, dass sich die Hybrid-Technologie auf dem Markt durchsetzen kann (über 750.000 verkaufte Prius-Modelle sprechen eine deutliche Sprache), beginnt die Konkurrenz inzwischen, endlich ebenfalls in diesem Bereich zu investieren – noch mit eher geringem Erfolg. Aber auch Toyota selbst hat die grüne Weste, die der Firma heute wie angegossen zu passen scheint, nicht ganz verdient: Auch dort wurde Ende der Neunzigerjahre ein "Zero Emission"-Fahrzeug (ein RAV4 mit Elektromotor) in Kalifornien in Serie vermarktet, um es zeitgleich zum EV1 vom Markt zu nehmen. Heute ist man zwar wieder so weit, an einer "Plug-In"-Variante des Prius mit reinem Elektroantrieb für den Stadtverkehr zu werkeln, wann der endlich erscheint, steht allerdings noch in den Sternen.

Wer schuld ist am Ende von EV1 & Co. fragt "Who Killed the Electric Car?" ganz zum Schluss. Einerseits ist die kalifornische Politik beteiligt, weil sie ihre strengen Klimavorgaben (die damals vor allem für die bessere Luft in den Städten sorgen sollten) wieder aufweichte. GM berief sich hingegen auf die mangelnde Kundennachfrage trotz millionenschwerer Werbung. Und auch der Hype um Wasserstoff-Brennstoffzellen dürfte die dagegen eher unsexy wirkende EV1-Technologie Stimmen gekostet haben.

Der Protagonist GM, der sich im Film unter anderem die herzzerreiĂźende EV1-Verschrottung zuschreiben lassen muss, kann einem unterdessen eigentlich nur leid tun. Heute heiĂźt es aus dem Management des Konzerns, man habe den Vorsprung vergeudet, den EV1 bedeutet hat, weil man die Erkenntnisse nicht in die Hybridtechnologie investiert hat. Konkurrent Toyota lernte hingegen von seinem Elektroauto-Experiment. (bsc)