Großserien-Einzelstück

Ausfahrt: Audi e-tron Vision Gran Turismo

Der Audi e-tron Vision Gran Turismo zeigt mit seinen extremen Fahrleistungen das Potenzial eines serienmäßigen E-Auto-Antriebs. Die Tuningmaßnahme besteht darin, den Stromfluss zwischen Batterie und Motoren zu vergrößern. Der Rest ist klassischer Rennfahrzeugbau. Wir fuhren ein paar Runden

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Audi e-tron Vision Gran Turismo 9 Bilder

(Bild: Audi)

Lesezeit: 4 Min.
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  • mit Material von pressinform

Audis elektrisches Supersportwagen-Schaustück soll vom kommenden Wochenende an als Renntaxi bei der Formel E eingesetzt werden. Fahrwerk und Lenkung stammen von aktuellen Audi-Rennwagen, die Kohlefaser-Karosserie ist eine Einzelanfertigung. Drei 200 kW leistende E-Motoren und die insgesamt 60 kWh fassenden Lithium-Ionen-Akkus werden jedoch im Audi E-Tron ab dem Jahreswechsel in Großserie gehen. Wir konnten einige Kurven mit der Rennversion fahren, in der die Batterie auf der Piste höchstens ein paar Dutzend Runden reicht.

Beim Herausbeschleunigen aus der Haarnadel-Kurve stempeln die Reifen an der Hinterachse. Zu viel Strom. Kaum haben sie genug Haftung, schießt der Audi e-tron Vision Gran Turismo ungestüm nach vorn, untermalt vom charakteristischen Sirren der E-Motoren. Diese Vorstufe des Warp-Antriebs ermöglicht, nach 2,5 Sekunden 100 km/h zu erreichen – schneller als einige Hypercars.

Nur 5,2 Sekunden später zeigt der digitale Tacho auf dem kleinen Display schon das Zweifache an. Über 300 km/h wären problemlos drin, doch der Elektrorenner ist auf die Rennstrecken der Formel E abgestimmt und hat im Sinne bestmöglicher Beschleunigung eine relativ kurze Übersetzung, deswegen ist bei maximal 225 km/h Schluss.

Drastisch erhöhter Energiefluss

Audi hat den maximal möglichen elektrischen Energiefluss zwischen Batterie und Motoren für das Rennmodell drastisch erhöht. Insgesamt 600 kW, ein Elektromotor mit 200 KW vorn und fürs Torque Vectoring zwei mit der jeweils gleichen Leistung hinten, schieben und ziehen den Rennwagen mit über 1000 Nm Drehmoment durch die Kurven. Zur Kraftverteilung dient aber auch ein permanenter Allradantrieb und eine vordere Differenzialsperre.

Der Audi e-tron Vision Gran Turismo ist ein kompromissloser Rennwagen, sein Lenkrad mit den zwei Griffhörnern und den Paddles ist mit Knöpfen bestückt, etwa für den Fahrerfunk oder das Aktivieren der Trinkflasche. Ein kleines Display informiert den Piloten über alle relevanten Daten, wie die Reichweite oder die Temperatur der Akkus.

Wie es sich für einen Rennwagen gehört, hat der Audi zwar Carbonbremsen, aber keinen Bremskraftverstärker. Die Bremsbalance lässt sich am Lenkrad einstellen. Nicht nur die Bremse verlangt nach Kraft und Gefühl zugleich. Mal eben entspannt das Gefährt mit einer Hand um die Kurve zirkeln funktioniert nicht. Der Elektro-Renner verlangt nicht nur die ganze Aufmerksamkeit, sondern auch vollen körperlichen Einsatz: Es gibt nicht nur keine Servobremse, die Lenkunterstützung ist nur für Fahrten außerhalb der Piste gedacht. Ein Lenkradschalter deaktiviert sie, um auf der Piste das Gefühl für Traktion und Seitenführung zu verbessern.

Fahren als körperliche Arbeit

Wie es sich für einen Rennwagen gehört, fehlen die gewohnten Regelsysteme, Wohl und Wehe hängen von dem Gefühl im rechten Fuß und in den Armen sowie dem Popometer ab. Also immer erst nach dem Kurvenscheitel progressiv zum Öffnen des Lenkrads beschleunigen. Wer die ganze Leistung zu früh entfesselt, riskiert stempelnde Räder oder gleich ein ausbrechendes Heck.

Während Fahrwerk und Karosserie aus dem Rennsport stammen, ist der Antriebsstrang des Audi e-tron Vision Gran Turismo eng verwandt mit dem der e-tron-Elektrofahrzeuge, die bald in Serie gehen werden. Die Batterie hat ebenfalls eine Kapazität von 60 kWh und wird mit einem Wasserkreislauf gekühlt. Anders als in einem Rennwagen mit Verbrennungsmotor kann man den Aktionsradius auf Normalmaß erweitern, wenn man die gewaltigen potenziellen Fahrleistungen der Rennmaschine nicht abruft: „Bewegt man den Audi e-tron Vision Gran Turismo im Normzyklus, sind ähnliche Reichweiten wie beim Serienauto drin”, bestätigt Audi-Mann Martin Mühlmeier. Das wären erstaunliche 600 Kilometer – sagten uns jedenfalls die Audi-Ingenieure. (imp)