Auf einem Auge blind

Warum die derzeitigen CO2-Grenzwerte zu Fehlanreizen führen.

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Die Debatte um die CO2-Grenzwerte für Autos oder Lastwagen ist einseitig. Immer geht es nur um den Verbrauch der Fahrzeuge vom Tank bis zum Rad („Tank to wheel“). Dabei hat die Vorkette – also Förderung, Verarbeitung und Transport der Treibstoffe – einen erheblichen Einfluss darauf, wie klimafreundlich ein Antrieb tatsächlich ist.

Das Joint Research Center der EU-Kommission hat diesen „Well to tank“-Anteil von Diesel und Benzin auf 0,2 Megajoule pro Megajoule Endenergie beziffert, mit einem leichten Vorteil für Diesel. Das Wuppertal Institut kommt hingegen auf einen CO2-Aufschlag für Diesel von knapp 29 Prozent und für Benzin von gut 15 Prozent.

Das Problem ist dabei gar nicht in erster Linie die absolute Höhe der Emissionen. Die Grenzwerte ergeben sich vor allem aus politischen Verhandlungen. Würde die EU-Kommission den Tank-to-wheel-Anteil hereinnehmen, würde sie aufgrund des politischen Machtgefüges den Grenzwert wohl entsprechend anheben müssen.

Das eigentliche Problem ist es, dass die Vernachlässigung der Vorkette zu Fehlanreizen führt. Ein Beispiel dafür ist flüssiges Erdgas (LNG). Es ist wird derzeit von der EU wegen seiner relativ guten Tank-to-wheel-Bilanz gefördert. Ob es allerdings unter dem Strich wirklich klimafreundlicher ist, hängt unter anderem davon ab, wieviel Methan bei der Förderung in die Atmosphäre gelangt, wie es verflüssigt und transportiert wird.

Je mehr unterschiedliche Antriebsarten in Konkurrenz zueinander stehen, desto wichtiger wird der Well-to-tank-Anteil. Das gilt besonders für Bio-Kraftstoffe, Wasserstoff und natürlich auch für batterieelektrische Fahrzeuge. Deren Energieverbrauch wird auf die Flottenemissionen der Hersteller derzeit mit 0 Gramm CO2 angerechnet, was vollkommen absurd ist.

Doch wie genau ließe sich die Vorkette erfassen? Sollte künftig die Klimabilanz jedes Kubikmeters Erdgas zertifiziert werden? Das würde einen gewaltigen bürokratischen Aufwand erfordern und zu endlosen Tricksereien einladen. Oder soll ein Durchschnittswert über alle Quellen hinweg angesetzt werden, ähnlich wie beim Strommix? Das würde die Anreize senken, die Vorkette zu verbessern.

Am sinnvollsten erscheint mir der Weg über den Preis, und zwar direkt an der Quelle. Jeder Produzent von Strom oder anderen Energieträgern müsste eine Abgabe für sämtliche Treibhausgasemissionen entrichten, die er pro erzeugter Energie verursacht hat – und zwar nicht wie bisher pauschal pro Liter, Kubikmeter oder Kilowattstunde des Endprodukts, sondern differenziert nach seiner Herstellung.

Ob dies über einen Steuer oder einen Zertifikatehandel geschieht, ist nebensächlich – solange der Preis hoch genug ist, um eine Lenkungswirkung zu entfalten. Diese Kosten können die Lieferanten dann auf den Kunden umlegen. So hätten sowohl Anbieter als auch Abnehmer einen wirtschaftlichen Anreiz, möglichst emissionsarme Energiequellen zu bevorzugen.

(grh)