VW Golf 8: Teilelektrisch und stets vernetzt

Auch der neue VW Golf bleibt optisch frei von Überraschungen. Technisch tut sich dagegen einiges, gerade in den Bereichen Antrieb und Vernetzung

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VW Golf 8

(Bild: VW)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Volkswagen präsentiert die achte Generation des bisher meistverkauften Autos in der Europäischen Union und in Deutschland. Wer den neuen Golf sieht, stellt sich die Frage, was sich eigentlich verändert hat. Die Proportionen und Maße sind nahezu identisch mit dem Vorgänger. Nur der Schriftzug ist wie bei anderen Modellen von Volkswagen in die Mitte gerutscht. Ein Facelift? Dem optischen Anschein nach ein klares Ja. Was den Golf 8 vom Golf 7 (Test) unterscheidet, ist der Inhalt: Es gibt zwei Plug-in-Hybridantriebe. Der Golf ist mit eSIM „always on“ und holt Streamingdienste sowie Webradio aus dem Netz. Er kann sowohl Updates als auch Upgrades bekommen. Und er hat serienmäßig die Fähigkeit zur Car2X-Kommunikation für die Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Rein elektrisch dagegen ist er nicht mehr zu haben, der e-Golf (Test) wird eingestellt. Stattdessen bietet VW den ID.3 an, der faktisch zum hausinternen Rivalen wird. Jeder Golf hat also einen Verbrennungsmotor. Immerhin gibt es nun zwei Plug-in-Hybridversionen: Sie heißen eHybrid und haben eine Systemleistung von 150 kW (204 PS) und 180 kW (245 PS) – der starke eHybrid trägt weiterhin das Kürzel GTE. Beide erfüllen die Vorgaben des Elektromobilitätsgesetzes (EMoG) in allen Ausstattungsmöglichkeiten und bekommen ein E-Kennzeichen.

Das E-Kennzeichen ist wichtig, weil der Golf eHybrid so von einer massiven Förderung profitiert: Der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines Dienstwagens muss nur mit einem halben statt mit einem Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat versteuert werden. Fakt ist: Der Golf steht nicht nur bei den privaten, sondern auch bei den gewerblichen Neuzulassungen auf Platz 1 der Statistik des Kraftfahrtbundesamts. Wer ihn kauft, wird außerdem mit dem sogenannten „Umweltbonus“ in Höhe von 3000 Euro belohnt. VW erwartet darum einen höheren Anteil des eHybrids im Motorenmix als bisher.

Die beiden eHybride haben einen weitgehend ähnlichen Antriebsstrang. Die Batteriekapazität liegt bei 13 kWh. Eine Angabe für die elektrische Reichweite gibt es noch nicht; im Passat Variant GTE (Test) mit der gleichen Batterie sind es im WLTP 54 km. Der leichtere Golf dürfte ein paar Meter weiterkommen. Wenn die elektrische Energie erschöpft ist, springt der Verbrennungsmotor an: Es bleibt beim bekannten 1.4 TSI-Vierzylinder, der mit einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe kombiniert ist. Dazwischen sitzt die E-Maschine. Es handelt sich also um einen Parallelhybrid.

So klein der Fortschritt optisch erscheinen mag, so groß ist er bei der Technik. VW hat gerade bei der Vernetzung zu den Besten in diesem Segment mindestens aufgeschlossen.

(Bild: VW)

Der Golf 8 eHybrid kann selbstverständlich auch mit leerer Batterie das, was dieses Prinzip ausmacht: Im Schiebebetrieb und beim Bremsen gewinnt er elektrische Energie zurück (Rekuperation), die zum Wiederbeschleunigen genutzt wird. Das spart besonders im Stadtverkehr Kraftstoff. Die unterschiedlichen Systemleistungen von eHybrid und eHybrid GTE erklären sich mutmaßlich aus einer Softwareanpassung, denn die Hardware ist gleich. Verbrauchsrekorde sind nicht zu erwarten. Parallelhybride haben sich in der Vergangenheit als nicht so effizient wie die leistungsverzweigten Hybride aus dem Toyota-Konzern erwiesen. Der neue Corolla war im Test selbst mit 180 PS beeindruckend sparsam. Plug-in-Hybride sind wegen der großen Batterie erheblich schwerer als jene ohne Ladestecker.

Ein Feature, das den Weg aus der Elektromobilität hin zum Normal-Golf gefunden hat, ist die Fähigkeit zum Update und zum Upgrade. Tesla hat die regelmäßigen Softwareupdates over-the-air eingeführt und gilt seitdem als Maßstab. Zwar behaupten Spötter, nur Autos, die nicht zu Ende entwickelt wären, bräuchten im Lebenszyklus weitere Updates. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Alles, was an einem Pkw digital ist, unterliegt einem permanenten Fortschritt. Es ist darum gut, wenn auch die Besitzer eines Bestandsautos in den Genuss von Verbesserungen kommen.

Mindestens ebenso interessant ist die Möglichkeit im Golf 8, Upgrades zu erhalten: Die automatische Distanzkontrolle (ACC), der Fernlichtassistent (Light Assist), die Navigation, die Smartphone-Integration (App Connect), ein WLAN-Hotspot sowie die onlinebasierte Sprachbedienung können nachträglich integriert werden. Ein Umstand, der in Einzelfällen für die Käufer relevant werden wird, wenn sie den Eindruck haben, ein wichtiges Extra vergessen zu haben. Weitaus spannender ist die Fähigkeit zum Upgrade für die Händler: Sie können einen Gebrauchtwagen damit auf simple Weise aufwerten und leichter verkaufen.

Der Golf 8 hat bei seinem Auslieferungsstart Anfang 2020 die aktuellsten Assistenzsysteme eingebaut, die bei Volkswagen unter dem Label IQ.Drive zusammengefasst sind. Serienmäßig ist das radarbasierte Umfeldbeobachtungssystem (Front Assist) inklusive City-Notbremsfunktion, Fußgänger- und Radfahrererkennung sowie neuer Ausweichunterstützung und neuem Abbiegeassistent. Ebenfalls ohne Aufpreis ist der Spurführungsassistent (Lane Assist) in jedem Golf vorhanden.

Bei der Bedienung müssen sich die Golffahrer umgewöhnen. Vieles wird nun über den Touchscreen und über Sprachbefehle gesteuert.

(Bild: VW)

Auf der Liste der Extras von IQ.Drive steht unter anderem das ACC mit vorausschauender Geschwindigkeitsregelung. Es erkennt vorab scharfe Kurven, Kreisel oder Kreuzungen und entschleunigt den Golf. Das ACC funktioniert bis 210 km/h, und der Fahrer muss dabei nicht aktiv lenken oder bremsen. Allerdings muss er jederzeit eingreifen können und wachsam sein; das überprüft die Hands-off-Detection, die nun kapazitiv arbeitet, also nicht mehr über den Zug am Lenkrad, sondern über die pure Berührung den Menschen erfasst. Spätestens nach 15 Sekunden Karenzzeit reagiert das Auto mit einer Warnkaskade, die bis zum Abbremsen und Stillstand des Fahrzeugs führen kann (Emergency Assist) und damit den sogenannten „risikominimalen Zustand“ herstellt.

Teil des ACC mit vorausschauender Geschwindigkeitsregelung ist – erstmals in einem VW – ein Stauendeassistent. Dessen Basis ist die Car2X-Kommunikation nach dem einheitlichen Standard WLANp / ITS G5. Der Golf 8 tauscht darüber Informationen mit anderen Pkw oder der Verkehrsinfrastruktur wie Ampeln im Umkreis von 800 Metern aus. Die Datenübertragung, zum Beispiel bei plötzlichen Bremsvorgängen, soll in Millisekunden erfolgen. Kosten fallen dabei nicht an, weil das Mobilfunknetz nicht genutzt wird, was die Lobbyisten der Telekommunikationsanbieter nicht erfreut.

In Hintergrundgesprächen wurde Car2X nach WLANp / ITS G5 schon vor Monaten für den Golf 8 angekündigt. Die Wolfsburger sind stolz auf dieses System, das die Verkehrssicherheit erheblich erhöhen kann, sobald die Marktdurchdringung steigt – und dafür sorgt der Golf mit seinen hohen Absatzzahlen gewissermaßen automatisch. Perspektivisch ist die serienmäßige Car2X-Fähigkeit wahrscheinlich der größte Fortschritt im Golf 8. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und noch lange nicht zu Ende gedacht: Wenn etwa ein Auto weit vorm Golf stark abbremst, könnten die Bremslichter der folgenden Pkws eingeschaltet werden. Das Ziel bleiben null Verkehrstote.

(mfz)