CO2-Emissionen: Tropfen auf einen teuren heißen Stein

Alle wichtigen Autohersteller werden 2021 die EU-Vorgaben für ihre CO2-Emissionen verfehlen, sagt eine Studie voraus. Absolut gesehen wird dies den Volkswagen-Konzern am stärksten treffen – trotz des Elektro-Hoffnungsträgers ID.3.

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Volkswagen

VW-Logo (noch) vor blauem Himmel.

(Bild: dpa, Julian Stratenschulte)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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In diesem Jahr haben sie wohl noch eine Schonfrist, aber spätestens für 2021 kommen auf die großen Autohersteller in der EU Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu, weil sie die strengen Grenzwerte für die CO2-Emissionen überschreiten. Auf diesen Nenner lässt sich eine aktuelle Studie der Beratungsfirma PA Consulting bringen, die zuvor optimistischere Aussagen zu dem Thema gemacht hat. Denn wider Erwarten sind die durchschnittlichen Emissionen der Autoflotten im Jahr 2018 gestiegen, und auch 2019 dürften sie selbst im besten Fall nur stabil geblieben sein.

Von 2020 an ist EU-weit vorgeschrieben, dass im Durchschnitt alle in einem Jahr verkauften Autos jedes Herstellers maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Dabei dürfen sie zunächst noch 5 Prozent ihrer Flotte aus der Berechnung herausnehmen, doch 2021 werden sämtliche verkauften Autos berücksichtigt, wie Michael Schweikl, der Autor der PA-Studie, erläutert. Weiterhin gültig ist aber ein Korrekturfaktor, der abhängig vom durchschnittlichen Gewicht der verkauften Fahrzeuge eines Herstellers auf zulässige CO2-Höchstwerte von 90 bis 110 Gramm hinausläuft.

Doch laut der Studie dürfte auch das nicht viel helfen: 2021 wird es aller Voraussicht nach teuer für fast alle großen Hersteller. Theoretisch könnten die Strafen sogar schon für das laufende Jahr erhoben werden, doch die bislang veröffentlichten EU-Vorgaben lassen Spielraum für Interpretationen. Schweikl geht deshalb davon aus, dass 2020 als Einführungsjahr betrachtet wird, das vor allem als "Warnschuss" der Politik an die Branche dienen soll.

Der scheint auch dringend nötig zu sein. Nach einer Übersicht in der PA-Studie ist es zuletzt nur 6 von den bedeutenden 13 Autoherstellern für die EU gelungen, die durchschnittlichen CO2-Emissionen ihrer neu verkauften Flotten gegenüber dem Vorjahr zu verringern – und bei dreien davon lagen die Emissionen in 2018 trotzdem über dem Wert von 2016. Dies betrifft in der Reihenfolge der Zunahme die Hersteller Honda, Volkswagen und Jaguar Land-Rover.

Konsolidierte Werte für 2019 liegen noch nicht vor, aber der Autoexperte Schweikl geht davon aus, dass sie stabil geblieben sind – es gebe sogar ein Risiko, dass sie noch etwas höher ausfallen als 2018. Das wäre dann nach mehreren Jahren mit stetigen CO2-Reduzierungen das zweite Jahr in Folge, in dem der Trend in die falsche Richtung geht. "Wir gehen jetzt davon aus, dass alle Hersteller ihre Ziele verfehlen werden und erhebliche Strafen auf sie zukommen", heißt es in der Studie.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Mit Hybrid- und ersten reinen Elektro-Modellen versuchten die Hersteller zwar gegenzusteuern, aber das reicht nicht aus, um eine Verbrauchs- und damit Emissionszunahme im Kern des Automarktes auszugleichen: Nach dem Diesel-Skandal nahm der Anteil von Autos mit dieser relativ sparsamen Treibstoffart ab, stattdessen waren Benziner wieder stärker gefragt. Außerdem erfreuen sich SUV zunehmender Beliebtheit bei den Kunden, aber die höhere Bauform und das tendenziell höhere Gewicht laufen ebenfalls auf mehr CO2 pro Kilometer hinaus. Diese Entwicklungen hätten die Autohersteller "etwas unterschätzt", wie Schweikl es vorsichtig formuliert.

Gleichzeitig tut sich die Branche schwer, als Alternative rechtzeitig hybride und rein elektrische Autos zu den Händlern und von diesen an die Kunden zu bringen – und selbst wenn die Nachfrage da wäre, gibt es bei Elektroautos nicht genügend Produktionskapazitäten. Dabei geht jedes reine Strom-Fahrzeug 2010 rechnerisch doppelt mit 0 Gramm Emissionen in die jeweilige Emissionsbilanz ein, 2021 noch mit dem Faktor 1,67.

Die höchste Abweichung vom Emissionsziel der EU in 2021 prognostiziert PA Consulting für Mazda. Der japanische Hersteller kam 2018 auf einen Flottenwert von 134,8 Gramm CO2 pro Kilometer, für 2021 sagt die Studie 123,6 Gramm voraus. Diese Überschreitung läuft bei den vorgesehenen Strafen von 95 Euro pro Gramm und verkauftem Auto auf insgesamt 877 Millionen Euro hinaus – das ist mehr, als das Unternehmen 2018 vor Zinsen und Steuern (EBIT) verdient hat.

Absolut gesehen am teuersten dürfte die CO2-Verfehlung aber für den größten Autohersteller Volkswagen werden. Mit 109,3 Gramm pro Kilometer wird er laut der Studie 2021 ebenfalls weit über der EU-Vorgabe liegen. Multipliziert mit der Zahl seiner verkauften Autos ergibt sich für 201 eine Strafe von 4,5 Milliarden Euro, was immerhin einem Drittel des Jahres-EBIT entspricht.

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Statt Strafen zu zahlen, könnten Volkswagen und andere Hersteller auch ihre Hybrid- und Elektroautos mit Rabatt anbieten, erklärt Schweikl – aber das könne ebenso auf Kosten des Gewinns gehen wie die EU-Strafen und sei deshalb letztlich eine Frage der Abwägung.

Genügend Elektroautos, um Strafen zu vermeiden, dürfte Volkswagen jedenfalls weder 2020 noch 2021 unter das EU-Volk bringen können. Zwar hat das Unternehmen für dieses Jahr den VW ID.3 angekündigt, der sein erstes Elektro-Massenmodell werden soll. Die Kapazität der Werke dafür beträgt laut Schweikl maximal 100.000 Fahrzeuge in 2020 und könnte im Jahr darauf auf 300.000 gesteigert werden, wie das Unternehmen in Aussicht gestellt habe.

Doch bei Volkswagen-Gesamtverkäufen von rund 3,6 Millionen Fahrzeugen in der EU wäre selbst das kaum mehr als ein Tropfen auf einen heißen und teuren Stein.

(sma)