Teurere Schnäppchen: Neue Kosten bei Auslandsbestellungen

Seit Juli wundert sich mancher deutsche Online-Käufer, wenn Ware aus dem außereuropäischen Ausland ankommt. Häufiger als zuvor sind Kosten nachzuentrichten.

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(Bild: Joyseulay/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Brian Scheuch
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Ausländische Direktversender verlangen vielfach niedrigere Preise, als sie auf dem hiesigen Markt üblich sind. Besonders bequem ist klassischerweise der Online-Kauf über die deutschen Websites von Handelsplattformen wie Amazon und eBay. Gerade hier kann aber ein durchschnittlicher Kaufinteressent oft nicht auf den ersten Blick beurteilen, von wo ein begehrtes Schnäppchen verschickt wird und welche Kosten zusätzlich zu dem ausgewiesenen Preis für ihn anfallen. In jüngster Zeit sind einige Faktoren zusammengekommen, die Auslandsbestellungen teurer und oft auch umständlicher machen als zuvor.

Chinas größter Online-Marktplatz Alibaba verschafft auch deutschen Kunden bequemen Zugang zu tausenden meist kleinen Anbietern. Von Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und inländischen Zusatzkosten steht hier nichts – das kann beim Empfänger eine teure Überraschung geben.

Ein wichtiger Faktor für höhere Kosten beispielsweise bei typischen China-Schnäppchen ist der Umstand, dass die Freigrenze für die Einfuhrumsatzsteuer aus dem außereuropäischen Ausland abgeschafft worden ist. Bis zum 30. Juni 2021 galt noch das 22-Euro-Schlupfloch aus § 1a der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung (EUStBV): "Die Einfuhrumsatzsteuerfreiheit für Sendungen von Waren mit geringem Wert im Sinne des Artikels 27 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 ist auf Waren beschränkt, deren Gesamtwert 22 Euro je Sendung nicht übersteigt." Das hieß in der Praxis, dass typische Bagatellartikel vom Adapter bis zum Bluetooth-Lautsprecher direkt und ohne nachträgliche Kosten zugestellt werden konnten.

Das Jahressteuergesetz (JStG) 2020 hat diese Freigrenze mit Wirkung zum 1. Juli 2021 abgeschafft. Das bedeutet, es wird theoretisch für alle nicht bereits umsatzversteuerten Waren die volle Einfuhrumsatzsteuer fällig. Diese liegt für die meisten Warenarten in Deutschland aktuell bei 19 Prozent des Gesamtwerts. Zu diesem gehören auch die beim Lieferanten bezahlten Versandkosten, denn ausschlaggebend für die Besteuerung im deutschen Zielland ist immer der Wert, den die Ware beim Empfänger hat. Für Lebensmittel, Zeitschriften und Bücher gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz von sieben Prozent.

Hintergrund dieser Maßnahme ist das Ziel, entstandene Wettbewerbsverzerrungen zu unterbinden. Händler in Ländern außerhalb der Europäischen Union konnten massenhaft Päckchen effektiv umsatzsteuerfrei zu Käufern in der EU schicken und sich dadurch einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber EU-Händlern verschaffen. Das wurde noch begünstigt durch die niedrigen Portokosten in typischen asiatischen Versenderländern. Angesichts der schieren Mengen an Sendungen mit angeblichen Werten unterhalb der Freigrenze hatte der deutsche Zoll es außerdem sehr schwer, den Missbrauch der Regelung zu bekämpfen. Viele Versender schummelten zugunsten der Empfänger bei den Wertangaben auf den Sendungen – so rutschte massenhaft eigentlich höherwertige Ware unberechtigt unter die Bagatellgrenze.

Auch jetzt ist es für Versender noch möglich, es auf eine – strafbare – falsche Deklaration ankommen zu lassen, allerdings bliebe jetzt praktisch bloß noch, Sendungen rechtswidrig als Geschenk mit einem Wert bis 45 Euro auszugeben. Durch die veränderten Bedingungen fallen solche Kuckuckseier dem Zoll nun allerdings viel leichter auf als zuvor. Wenn ein Verbraucher oft von außerhalb der EU beschenkt wird, wirkt das verdächtig. Und wenn amtsbekannte Schnäppchenversender serienweise scheinbare Geschenke verschicken, ist das für die Zollbeamten eine Einladung zum Öffnen der Päckchen.

Wer bestimmte Arten von Waren wie Alkohol, Parfüm oder Tabak bestellt, sieht sich außer mit der Einfuhrumsatzsteuer noch mit Verbrauchssteuern konfrontiert – hier hat es allerdings keine Neuerungen gegeben.

In der Praxis gehen nach wie vor etliche Päckchen aus Übersee durch, ohne dass die Empfänger Einfuhrumsatzsteuer zahlen müssen. Es gibt diejenigen Fälle, in denen für Waren mit einem Sachwert bis 150 Euro bereits der Versender die fällige Steuer bezahlt hat. Dafür wurde als neue Einfuhranlaufstelle der sogenannte Import One Stop Shop (IOSS) geschaffen, bei dem Versender sich registrieren lassen können. Wenn ein Versender im Ausland die Erledigung von Steuern und Zollgebühren übernimmt, muss der Betrag dafür mit dem Kaufpreis bezahlt werden. Normalerweise weist die Rechnung dies ausdrücklich aus.

Ausgesprochene Kleinigkeiten können aus einem anderen Grund weiterhin unbehelligt ihr Ziel erreichen: Aus praktischen Erfordernissen heraus gibt es eine Art neuer Mini-Bagatellgrenze. Sie kommt dadurch zustande, dass der Zoll darauf verzichtet, Abgaben unter 1 Euro zu erheben. Aber auch ohne triftigen Grund kann es passieren, dass eigentlich nachzuversteuernde Ware einfach so beim Empfänger ankommt. Gelegentlich entgehen Sendungen dem normalerweise wachsamen Auge des Zolls.

All das führt dazu, dass es für deutsche Besteller auf international bestückten Online-Handelsplattformen in der Praxis leider nicht immer klar erkennbar ist, ob sie letztlich etwas nachzahlen müssen oder nicht.

Zusätzlich zur Einfuhrumsatzsteuer fallen bei den meisten Waren mit einem Wert über 150 Euro nach wie vor separat erhobene Zollgebühren an, die ebenfalls der Empfänger nachentrichten muss, sofern das nicht bereits der Versender erledigt hat. Gerade im Bereich technischer Geräte verliert dadurch manches Schnäppchen seine Attraktivität. Der für die Zollfreigrenze ausschlaggebende Wert wird auf unterschiedliche Weise ermittelt. Die gängigste Methode hebt auf den sogenannten Transaktionswert ab, also den tatsächlich gezahlten beziehungsweise zu zahlenden Preis einschließlich Versandkosten. Dieser ist beispielsweise mit einer Rechnung nachzuweisen. Wenn kein Nachweis vorliegt, muss der Empfänger gegenüber dem Zollamt nachträglich einen vorlegen. Bei eBay-Transaktionen akzeptieren die Behörden normalerweise Ausdrucke der Kaufabwicklungsseiten.

Eine weitere Kostenfalle können Lagerungen von Postsendungen bei der Zollstelle sein. Waren werden dort beispielsweise eingelagert, wenn die Zollinhaltserklärung fehlt. Hier können Lagerkosten von 0,50 Euro pro Tag anfallen, werden jedoch erst ab dem 10. Kalendertag der Lagerung erhoben.

Dieses Päckchen aus dem britischen Kent mit Feinwerkzeug, gekauft per eBay für umgerechnet 27 Euro, musste beim Post-Partnershop im Nachbardorf abgeholt werden. Mit den dort zusätzlich nachzuentrichtenden 9,54 Euro ist das Ganze kein echtes Schnäppchen mehr.

Ungewohnt für deutsche Online-Käufer ist, dass im Vereinigten Königreich (UK) bestellte Ware seit Januar 2021 infolge des Brexits zoll- und steuertechnisch so behandelt wird wie solche aus anderen Drittstaaten wie China oder den USA. Umso mehr müssen etwa Käufer von Werkzeugen, für die klassischerweise die britischen Inseln ein guter Markt sind, auf deutschsprachigen Online-Marktplätzen aufpassen, wo der jeweilige Anbieter sitzt.

Leider ist das beispielsweise bei Amazon für Durchschnittsverbraucher bei der Warensuche nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Die Angabe deutscher Standorte auf den Angebotsseiten kann irreführend sein. Erst wenn man das Profil des jeweiligen Verkäufers aufruft, zeigt sich unter der Überschrift "Impressum & Info zum Verkäufer" dessen tatsächlicher Standort. Beim schnellen Blättern zwischen vielen Angeboten ist oft das in Aussicht gestellte Ankunftsdatum ein Indiz für einen Versand aus Übersee. Wenn dabei von mehreren Wochen Wartezeit die Rede ist, hat man es oft mit chinesischen Anbietern zu tun.

Normalerweise meldet der Beförderer im Zielland die nachzuentrichtende Einfuhrumsatzsteuer und etwaige Zollgebühren an. Beim Versand aus dem Ausland übernimmt diesen Part der Zustellung ein deutscher Dienstleister. Internationale Paketdienste haben dafür ihre deutschen Zweige, ausländische Postdienste übergeben das Versandgut meistens an DHL oder, wenn es um Briefversandformate geht, an die Deutsche Post. DHL tritt für den Empfänger in Vorleistung und führt die Zahlungen ans Zollamt ab. Das Unternehmen fordert das Geld bei der Zustellung oder der Übergabe in Partnershop beziehungsweise Filiale vom Empfänger ein. Hinzu kommt eine Auslagenpauschale in Höhe von 6 Euro, die DHL sich dafür gönnt.

Unter Corona-Bedingungen kommt es oft vor, dass das Abpassen des Zustellers dem Empfänger nichts nützt, wenn der nicht kassieren kann. Dann bleibt nichts anderes übrig, als den von ihm angegebenen Paketshop aufzusuchen. Wenn es möglich ist, schon bei der Bestellung eine Lieferung direkt zum Zollamt zu vereinbaren, lässt sich damit die Auslagenpauschale vermeiden – dafür muss der Empfänger dann selbst seine Sendung beim Zollamt abfertigen und abholen.

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(psz)