BMW iX: Erste Probefahrt mit dem Elektro-SUV

Die erste Ausfahrt mit einem BMW iX zeigt wie erwartet ein großes, schnelles, schweres, luxuriöses E-SUV - mit allen Vor- und Nachteilen.

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BMW iX
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Es war fraglos eine Zeitenwende, die BMW mit dem X5 vor mehr als 20 Jahren ansteuerte. Der Erfolg gab den Verantwortlichen recht, und nicht mir, der sich nicht verstellen konnte, wie dieses aufgebockte Ding zu Marke, Anspruch und Kundschaft passen sollte. Die nächste Revolution bahnt sich an, und ihre Erfolgsaussichten dürften besser sein als beim Experiment X5 damals. Zusammen mit dem i4 steht der iX stellvertretend für einen Wandel bei BMW, der Stück für Stück die Marke nachhaltiger verändern wird als je zuvor in der langen Geschichte des Konzerns. Eine erste Ausfahrt mit dem serienmäßigen BMW iX xDrive50.

Für BMW ist der Wandel schon lange im Gange. Die Zeiten, in denen man sich mit drehfreudigen, kultiviert laufenden Motoren von der Konkurrenz absetzen konnte, sind vorbei. Im Antriebsbereich sind die eigenen Vorteile künftig schwerer zu kommunizieren, was nicht verwunderlich ist. So ist es zwar beeindruckend, dass die E-Motoren ohne Seltene Erden auskommen und der Kobalt-Anteil in den Batterien weiter gesenkt wurde – BMW setzt auf NMC811-Zellen –, doch solche Details verkaufen sich halt weniger leichtfüßig als Klang und Kraft eines Reihensechszylinders in der Vergangenheit. Es müssen also andere Argumente her, um die solvente Kundschaft anzulocken.

Zunächst soll aber noch ein bisheriges Rezept zünden, denn BMW überschüttet das E-SUV gewissermaßen mit Leistung. Schon das Basismodell iX xDrive40 bietet 240 kW, der von uns bei dem Termin bewegte iX xDrive50 hat eine Systemleistung von 385 kW. Der vordere Motor leistet 190 kW, der hintere 230. Das Leergewicht liegt bei knapp 2,6 Tonnen. BMW verspricht eine Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 4,6 Sekunden, was glaubhaft erscheint, aber relativ unmerklich abläuft, da jegliches Getöse entfällt. Denn selbstverständlich ist in dieser Klasse genügend Budget vorhanden, eine exzellente Dämmung zu verbauen, die auch Wind und Reifenabrollgeräusche fernhält. BMW hat die Chance genutzt, der iX ist ein sehr leises Auto.

Das passt zur grundsätzlichen Ausrichtung des Fahrwerks, das eher Komfort- als Dynamikansprüche befriedigt. Sicher, der iX kann Biegungen mit beträchtlichem Tempo nehmen, doch ein Leergewicht von 2,6 Tonnen kann auch BMW nicht wegzaubern. Es gibt keine aktive Wankstabilisierung, das SUV neigt sich in Kurven also spürbar, wobei dann auffällt, dass die Sitze etwas mehr Seitenhalt bieten sollten. Der iX kann in dieser Hinsicht schneller fahren, als es die Ausrichtung des Fahrzeugs andeutet. Schlechte Straßen vermeldet das Fahrwerk kaum, wobei nie der Eindruck einer vollkommenen Entkopplung entsteht.

BMW iX außen (8 Bilder)

Falls Sie im Artikel Aussagen zur Gestaltung des BMW iX vermisst haben ...

Dabei sollte der Fahrer das Tempo stets im Auge behalten, denn die komfortable Hülle täuscht gekonnt darüber hinweg, wie schnell das Auto gerade fährt. Bis zu 200 km/h sollen möglich sein, wir haben es nicht ausprobiert. Doch Zwischenspurts weit unterhalb dieser Höchstgeschwindigkeit deuten an, dass dieser iX ein rasantes Auto sein kann.

Reichlich Gewicht, hohe Leistung und nicht zuletzt eine riesige Stirnfläche sind andererseits natürlich Zutaten für ein Gesamtkonzept, an dessen Ende kein sensationell niedriger Stromverbrauch stehen kann. Hier sollte man sich nichts vormachen: BMW nennt schon im WLTP Werte zwischen 19,8 und 23 kWh, bei dieser ersten kurzen Ausfahrt waren es am Ende 26,9 kWh/100 km – mit etwas Spielraum nach unten und deutlich mehr nach oben. Der Verbrauch im Zyklus lässt sich nicht einfach in Reichweite umrechnen – warum, haben wir in diesem Artikel erklärt.

Als Speicher dient im xDrive50 eine Batterie mit einem Netto-Energiegehalt von 105,2 kWh. BMW verspricht unter den Bedingungen des Zyklus eine Reichweite zwischen 549 und 630 km. Spannender und ebenfalls nicht einfach zu kommunizieren wird die Lademöglichkeit, zumindest dann, wenn der Kunde etwas genauer hinschauen will. An Wechselstrom bleibt es vorerst bei 11 kW, wobei BMW später noch die Option auf 22 kW nachschieben will.

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Für Fernreisen sind die 195 kW an Gleichstrom spannender, doch es zeichnet sich ab, dass allein mit solchen Spitzenwerten noch nichts über die Ladedauer in der Praxis ausgesagt ist. BMW nennt eine Zeit von 35 Minuten für eine Aufladung von 10 auf 80 Prozent. Bezogen auf den Netto-Energiegehalt würde das bedeuten, dass die durchschnittliche Ladeleistung in diesem Fenster bei rund 126 kW liegt – sofern die Infrastruktur mitspielt, versteht sich.

Es dürfte schwierig werden, solche Dinge zielgruppenorientiert anzupreisen, denn ein leises, schnelles Auto, das sich rasch nachladen lässt, ist kein Alleinstellungsmerkmal von BMW. Also versucht man es in zwei weiteren Bereichen, einer davon ist das autonome Fahren. Der iX ist darauf vorbereitet, autonom auf Level 3 fahren zu können. Das heißt, der Fahrer muss in einem definierten Szenario das Auto nicht mehr überwachen, andererseits aber stets in der Lage sein, das Steuer zu übernehmen, wenn der Rechner nicht mehr weiterweiß. Perspektivisch eröffnet sich hier zumindest mittelfristig die Chance, mehr zu bieten als einige Konkurrenten. Wann das freigeschaltet wird, steht noch nicht fest, von einem darf der Interessent aber ausgehen: BMW wird sich diese Gabe versilbern lassen.

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(Bild: jamesteohart/Shutterstock.com)

Autonomes Fahren, die Auswirkungen auf den Personentransport mit Robotaxis, people movern, autonomen Bussen und die notwendigen Techniken und Regularien beschäftigen uns in einer zehnteiligen Serie

BMW i4 und iX werden die ersten Modelle sein, die das "Operating System 8" bekommen. Die Münchener gehen hier einen sehr mutigen Weg, denn einerseits rollt mit Android Automotiv ein riesiger Software-Konzern gerade mit Macht in diesen Bereich. Andererseits wurde noch mehr als im OS7 – also dem noch aktuellen System – in die Cloud verlagert. Für die Übertragung vom und ins Auto braucht es dann eine stabile Mobilfunkverbindung. Der komplette Funktionsumfang würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Es gibt zahlreiche Widgets, die sich konfigurieren lassen und all jene trösten sollen, die den frei belegbaren Favoritentasten nachtrauern. Updates und Upgrades werden over-the-air ins Auto gereicht. Dazu wird es die Möglichkeit geben, einzelne Funktionen nachträglich freischalten zu lassen oder für eine gewisse Zeit zu mieten.

Der Sprachbedienung wird künftig eine noch größere Rolle zufallen, denn der erste Eindruck aus dem Auto zeigt: Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, doch trotz einer durchaus durchdachten Menüführung bleibt es eine Herausforderung, sie ohne Sprachbefehle zu nutzen. Das funktionierte im Testwagen sehr flüssig, es gibt vermutlich nur wenige Funktionen, die ein Tippen auf dem Bildschirm erfordern.

Das Basismodell kostet 77.300 Euro, und dieser Preis ist kein Zufall, sondern knallhart kalkuliert. Denn der Nettopreis des Basismodells liegt somit bei 64.957,98 Euro und damit unter der 65.000-Euro-Grenze, bis zu der es die Innovationsprämie in Höhe von 5000 Euro gibt. Da sich die Grenze immer nur auf das günstigste Modell bezieht, bekommt jeder BMW iX diesen Zuschuss. Die meisten iX-Käufer werden die staatliche Förderung wohl nicht dringend benötigen, aber sicher gern mitnehmen.

BMW iX innen (7 Bilder)

Im Innenraum ist der BMW iX radikal anders gestaltet als die bisherigen Modelle.

Für das von uns gefahrene Modell xDrive50 mit deutlich mehr Leistung und größerer Batterie verlangt der Konzern einen Zuschlag von mehr als 20.000 Euro – unter 98.000 Euro ist nichts zu machen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Preisliste für BMW-Verhältnisse geradezu erstaunlich kurz ist, denn die Serienausstattung ist bereits sehr umfangreich. Was nicht etwa heißen soll, die Kalkulatoren hätte vergessen, besondere Wünsche entsprechend einzupreisen. Wer mag, kann für große Felgen über 3000 Euro ausgeben, noch besseres Licht 2000 und für ein Soundsystem fast 5000.

Herausragend scheint in diesem Zusammenhang auch die Idee eines elektrochromatischen Glasdachs. Es lässt Außenlicht auf Knopfdruck herein. Liegt keine elektrische Spannung an, verdunkeln Elemente die Glasfläche. Mercedes hat ein vergleichbares Dach vor vielen Jahren in einem Roadster angeboten. Dem iX-Käufer muss das 3300 Euro wert sein. Das erscheint viel für einen Quadratmeter Lichteinfall, zumal sich das Dach nicht einmal öffnen lässt.

BMW darf wohl darauf hoffen, dass die Kunden nicht kleinlich sein werden. Wer sich darüber echauffiert, dass der Steuerzahler ein 2,6-Tonnen-E-SUV mit Fördergeld unterstützt, hat damit einerseits zwar fraglos absolut recht, kann sich andererseits aber vielleicht damit zumindest ein wenig beruhigen, dass der iX hierzulande ein Exot bleiben wird. Es ist ein Aushängeschild der Marke BMW, welches dokumentieren soll, dass man die Herausforderung des Wandels mutig angehen will. Ob der eingeschlagene Pfad, mit einem massiven Ressourceneinsatz den Primärenergiebedarf unterwegs zu senken, sinnvoll ist? Die nächste große Hoffnung von BMW ist vermutlich, dass das niemand so genau hinterfragt.

(mfz)