Ampel-Sondierung: SPD, FDP und Grüne wollen digitalen Aufbruch​

Rot-Gelb-Grün will Gesetze einem Digitalisierungscheck unterziehen und die Verwaltung agiler machen. Auch die Überwachungsgesamtrechnung ist auf dem Tisch.

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Zwei Verkehrsampeln vor wolkigem Abendhimmel.

(Bild: monticello/Shutterstock.com)

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SPD, FDP und die Grünen wollen der Digitalpolitik in einer möglichen Koalition einen größeren Stellenwert einräumen. Schon im ersten Satz ihres Ergebnispapiers zu den Sondierungsgesprächen betonen sie: "Die nächsten Jahre sind entscheidend, um Deutschland und Europa zu stärken – für die großen Herausforderungen wie den Klimawandel, die Digitalisierung, die Sicherung unseres Wohlstands, den sozialen Zusammenhalt und den demografischen Wandel."

Als ersten Punkt fordern die möglichen Partner eine Ampel-Koalition daher in der 12-seitigen Niederschrift der bisherigen Sondierungsgespräche einen "modernen Staat" und einen "digitalen Aufbruch". Das Parteientrio unterstreicht, "einen grundlegenden Wandel hin zu einem ermöglichenden, lernenden und digitalen Staat" zu wollen, der vorausschauend für die Bürger arbeite.

Staatliches Handeln soll schneller und effektiver werden und wirtschaftliche wie gesellschaftliche Innovationsprozesse befördern. "Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden", heißt es. "Digitale Anwendungen werden jeweils mitgedacht und realisiert. Dazu wollen wir Gesetze einem Digitalisierungscheck unterziehen." Die digitalpolitische Agenda der Bundesregierung mit den bisherigen Strategien für Künstliche Intelligenz (KI), die Nutzung insbesondere industrieller Daten und potenzielle Blockchain-Anwendungen soll neu aufgesetzt werden.

Die Kompetenzen sollen in einer möglichen Bundesregierung "neu geordnet und gebündelt" werden, heißt es weiter. Die Auseinandersetzung über ein Digitalministerium haben die Parteispitzen so auf die geplanten Koalitionsverhandlungen verschoben. Die FDP ruft seit Langem nach so einem speziellen Ressort, SPD und Grüne wollen Digitalisierungskompetenzen lieber in allen Ministerien verankern.

Knapp fassen sich die Sondierer bei Breitbandinfrastrukturen wie Glasfaser und 5G: Sie wollen den Gigabit-Ausbau prinzipiell "engagiert vorantreiben". Dazu kommt das Ziel, die Dauer von Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu halbieren und das gleich im ersten Jahr anzugehen. Steuerbürokratie solle etwa durch höhere Schwellenwerte und volldigitalisierte Verfahren spürbar verringert werden. Der Digitalpakt Schule wird dem Plan nach fortgeführt.

Noch Ausformulierungsbedarf gibt es im Bereich innere Sicherheit. Zu heiklen Themen wie der von der SPD mitgetragenen Vorratsdatenspeicherung und dem Einsatz von Staatstrojanern etwa zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung und für heimliche Online-Durchsuchungen durch Polizei und Geheimdienste äußern sich die Verhandlungsführer bislang nicht. Sie wollen aber "die Fähigkeiten und Strukturen für die Abwehr von Cyberrisiken verbessern und auf eine gesetzliche Grundlage stellen".

Freiheit und Sicherheit sollen gewährleistet, die Bürgerrechte gestärkt werden: "Jede und jeder in Deutschland soll sich sicher fühlen – ob auf der Straße, zu Hause oder im Netz." Dafür komme es vor allem auf mehr "präventive Sicherheit", also die Gefahrenabwehr mithilfe "gut ausgebildeter und ausgestatteter" Polizisten an. Die Ordnungshüter müssten "die verdiente Anerkennung und den Respekt für ihre wichtige Arbeit" erfahren.

Die von der schwarz-roten Bundesregierung als überflüssig abgelehnte Überwachungsgesamtrechnung soll kommen. Die Parteioberen geloben: "Gemeinsam mit den Ländern werden wir die auch vom Bundesverfassungsgericht geforderte gesamtheitliche Betrachtung der Eingriffsbefugnisse des Staates vornehmen und eine Generalrevision der Sicherheitsarchitektur durchführen".

Der Konjunktur will die mögliche Ampel-Koalition "einen Schub durch Superabschreibungen geben für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung". Sie geht davon aus, dass neue Geschäftsmodelle und Technologien "klimaneutralen Wohlstand und gute Arbeit schaffen" können. Um Deutschland auf den 1,5-Grad Pfad zu bringen, soll das Klimaschutzgesetz noch 2022 konsequent weiterentwickelt und ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg gebracht werden.

Auf grün stehen die Signale für E-Autos und die Antriebswende. Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte sollen nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können. Den Ausbau der erneuerbaren Energien wollen die Partner "drastisch beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg" räumen. Alle geeigneten Dachflächen sollen etwa für die Solarenergie genutzt werden. Die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis werde man "so schnell wie möglich beenden".

(vbr)