Menschenrechte: UN-Gremium rügt deutsches NetzDG und Staatstrojaner

Der UN-Menschenrechtsausschuss ist besorgt, dass das NetzDG Provider zu Hilfssheriffs macht. Auch die breiten Befugnisse für staatliches Hacken kritisiert er.

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(Bild: Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

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Das UN-Gremium, das die Umsetzung und Einhaltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte überwacht, stellt Deutschland ein gemischtes Zeugnis aus. So zeigt sich der Menschenrechtsausschuss in seinem Bericht für die Bundesrepublik etwa besorgt "über die weitreichenden Befugnisse", die der Bundestag 2017 mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) im Kampf gegen potenziell illegale oder missbräuchliche Inhalte einführte.

Damit habe der Gesetzgeber "die Verantwortung für die Entfernung solcher Inhalte den Social-Media-Unternehmen" ohne gerichtliche Kontrolle zugewiesen, monieren die UN-Prüfer. Dadurch werde der Zugang zu Rechtsmitteln in Fällen, in denen die Art der Beiträge umstritten ist, eingeschränkt. Dies könnte "eine abschreckende Wirkung auf die Meinungsäußerung im Internet haben".

Deutschland sollte dem jüngst veröffentlichten Report zufolge sicherstellen, dass alle im Netzwerkdurchsetzungsgesetz vorgesehenen Beschränkungen von Online-Kommentaren strikt mit den Anforderungen zur Meinungsfreiheit in dem Zivilpakt übereinstimmen. Der Ausschuss empfiehlt, "das Gesetz zu überarbeiten", um eine bessere gerichtliche Aufsicht und Klageoptionen zu ermöglichen.

Zuvor hatte der frühere UN-Sonderberichterstatter David Kaye das NetzDG wiederholt scharf kritisiert. Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) beklagen, dass das Gesetz nicht wirklich zu weniger Hass und Bedrohungen im Netz geführt, stattdessen aber bereits mindestens 13 Staaten als Blaupause für teils noch stärker einschneidende Maßnahmen gedient habe.

Der UN-Ausschuss begrüßt prinzipiell die von der Bundesregierung vorgelegten Informationen über das politische Engagement auf hoher Ebene zur Bekämpfung von "Hassverbrechen und Hassrede". Er verweist etwa auf den eingerichteten Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus.

Dennoch stoßen den Kontrolleuren anhaltende Berichte über Hasskommentare einschließlich verbaler Angriffe auch im politischen Diskurs übel auf. Dies gilt ferner für Meldungen "über vielfältige Formen von Hassverbrechen gegen Menschen afrikanischer Abstammung, LGBTI-Personen, Sinti und Roma, Muslime, Personen jüdischen Glaubens, Flüchtlinge und Migranten, einschließlich gewalttätiger Angriffe und der Schändung religiöser Stätten".

Die Experten empfehlen, zu diesem Phänomen verstärkt Daten zu erheben und wirksame Abwehrmaßnahmen sowie Strafen einzuführen. Sensibilisierungsbemühungen sollten verstärkt werden mit dem Ziel, "die Achtung der Menschenrechte und die Toleranz gegenüber der Vielfalt zu fördern" und Stereotypen vorzubauen.

Sorgen bereiten dem Ausschuss ferner "die weitreichenden Überwachungsbefugnisse" für die Polizei und alle Geheimdienste, die heimliche Online-Durchsuchungen und das "Hacken verschlüsselter Kommunikationsdaten" einschlössen. Er ist besonders besorgt darüber, dass das Gesetz für den Bundesnachrichtendienst (BND) von 2016 "eine umfassende und undifferenzierte massenhafte und gezielte Überwachung der extraterritorialen Kommunikation vorsieht". Einschlägige Reformen seien zwar löblich. Es gebe aber noch offene Fragen, ob die Bestimmungen mit dem EU-Recht vereinbar seien. Ferner sei die vorgesehene unabhängige richterliche Aufsicht offenbar noch nicht voll funktionsfähig.

Auch der hiesige Rechtsrahmen für die Terrorismusbekämpfung durch Strafverfolgungsbehörden von Bund und Ländern geht den Prüfern zu weit. Sie beanstanden etwa die Befugnisse zu Kontrollmaßnahmen gegen Personen, die als "potenzielle Angreifer" angesehen werden. Es geht ihnen dabei etwa um den Einsatz elektronischer Fußfesseln bei "Gefährdern", Verbote von Kommunikation und sozialen Kontakten, Telekommunikationsüberwachung und verlängerte Fristen für den Polizeigewahrsam.

Der Vertragsstaat hat laut dem Bericht zudem unzureichende Informationen über die Ergebnisse ergriffener Maßnahmen geliefert, um sicherzustellen, dass die militärische Hilfeleistungen nicht zum Einsatz von Drohnen "außerhalb anerkannter Konfliktzonen beiträgt und zu zivilen Opfern führt". Die Kontrolleure sprechen hier die Nutzung der Luftwaffenbasis Ramstein und "Echtzeit-Datenübermittlung auf deutschem Hoheitsgebiet" an.

(mho)