Missing Link: Verkehrswende – ÖPNV, wir müssen reden!

Die Heise-Community urteilt: Der öffentliche Verkehr ist mangelhaft. Wir zeigen, wo es hakt und wie er eine echte Alternative zum Auto werden kann.

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(Bild: fuyu liu/Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Franziska Zehl
  • Timo Daum
Inhaltsverzeichnis

Der Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) ist zentral für die Verkehrswende - und für viele User aber auch ein ständiges Ärgernis. Anfang September 2021 zeigten wir in dem Artikel "Missing Link: Verkehrswende – wir brauchen ÖPNV, der besser als das Auto ist" auf, wie die Pandemie die strukturellen Probleme des ÖPNV noch verschärft hat. Der Artikel hat in der Heise-Community für rege Diskussionen gesorgt. Die rund 1.000 Kommentare zeigen, wie sehr die Menschen die missliche Lage des öffentlichen Verkehrs (ÖV) beschäftigt.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Scharfe Kritik wurde geäußert, aber aus der Vielzahl an Debattenbeiträgen lassen sich doch einige Verbesserungsvorschläge ableiten, die sich die Verkehrsunternehmen zu Herzen nehmen sollten. Wir reflektieren die Diskussion, geben die Reaktion vom Verband der Verkehrsverbünde, der Initiative "Einfach Einsteigen" und einer Verdi-Vertreterin wieder und machen Vorschläge, wie sich das Blatt wenden ließe.

Laut dem Energiewendebarometer 2021 der Förderbank KfW wollen 93 Prozent der befragten Haushalte nicht auf ihr privates Auto verzichten. Gleichzeitig geben 75 Prozent zu Protokoll, dass sie sich eine häufigere ÖPNV-Nutzung durchaus vorstellen könnten. Als wichtigste Voraussetzungen dafür werden eine bessere Anbindung (63 Prozent), geringere Kosten (49 Prozent) und mehr Komfort (19 Prozent) genannt. Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in den Kommentaren aus der Heise-Community wider.

"Zeit ist unbezahlbar und davon würde ich jeden Tag zwei Stunden mehr beim Pendeln verbraten, wenn ich ÖPNV statt Auto nähme." (Kommentar im Heise-Forum)

Denn lebt man außerhalb der großen Städte wie Berlin oder Hamburg, schlucken Fahrten mit dem ÖV viel zu große Mengen eines anderen wertvollen Guts: Zeit. Eine Studie des DB-Tochterunternehmens ioki zeigt, dass nicht einmal 50 Prozent der Haltestellen in ländlichen Regionen in Deutschland mehr als zweimal pro Stunde angefahren werden.

Zudem gehen hier Bus- und Bahnverbindungen alles andere als nahtlos ineinander über. Es mangelt an effizienten Anschlussverbindungen, so dass bei der Wahl des ÖPNV unweigerlich lange Wartezeiten zwischen Verbindungen in Kauf genommen werden müssen. Diese Ineffizienz dürfte in unserer hochbeschleunigten Gesellschaft, in der (Lebens)Zeit ein wertvolles Gut ist, in der Kosten-Nutzen-Rechnung um die Frage "ÖV – ja oder nein" besonders schwer wiegen.

"Von Direktverbindungen kann man nur träumen - ist eher Bus-Bahn-Bus-Ubahn-Bus. Die Zeit ist jetzt schon miserabel und die Taktung ist auch eher einmal pro Stunde." (Kommentar im Heise-Forum)

"Stünde mir ein ÖPNV zur Verfügung, der mir einen zeitlichen Gewinn ermöglichen würde, würde ich ihn nutzen und auch dafür mehr zahlen." (Kommentar im Heise-Forum)

Ist der öffentliche Nahverkehr zu teuer? Für vielen Menschen ist das sicher der Fall, kostet doch zum Beispiel eine Jahreskarte in Berlin für jemand aus dem Umland (ABC + ein Landkreis) jährlich 1.379,40 Euro. Zum Vergleich: Für 1095 Euro kann das ganze Jahr Nah- und Fernverkehr in Österreich genutzt werden. Ist man nur in der Hauptstadt Wien unterwegs, bietet sich das 365-Euro-Ticket an.

Und doch scheint das Finanzielle für die meisten nicht das Hauptproblem zu sein. Daher dürften auch jegliche Überlegungen zu einem kostenfreien ÖV wenig zielführend sein, wenn es darum gehen soll, eine größere Attraktivität des ÖPNV sowie eine merkliche Steigerung der Fahrgastzahlen zu erreichen.

Stattdessen ist zu erwarten, dass diese Maßnahme allein den (vergleichsweise wenigen) Stadtbewohner:innen zugutekommt, für die der ÖV bereits fester Bestandteil ist, weil er es überhaupt sein kann. Für alle anderen bliebe selbst ein kostenloser ÖV durch das unzureichende Angebot und die immensen Zeitkosten genauso unattraktiv und unpraktikabel wie vorher.

"Was nützt ein kostenloser ÖPNV, wenn nichts fährt das man nutzen kann?" (Kommentar im Heise-Forum)