Expertenkommission zu Elektroautos: CO₂-Preise erhöhen, Stromsteuer abschaffen

Reine Elektroautos könnten am besten Treibhausgase senken, meint die Expertenkommission Forschung und Innovation. Dazu hat sie noch ein paar Forderungen.

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Auf den motorisierten Individualverkehr entfallen rund 70 Prozent der zurückgelegten Personenkilometer. Daher sieht die EFI hier einen wichtigen Hebel für Treibhausgasreduzierung.

(Bild: BLG Logistics)

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Inhaltsverzeichnis

Wie kann der motorisierte Individualverkehr dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren? Auch dieser Frage hat sich die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in ihrem Jahresgutachten gewidmet. Darin kommt sie zu dem Schluss, batterieelektrische Pkw (BEV) seien die ökologisch wirksamste und wirtschaftlichste Option. Das Kaufprämiensystem für alternative Antriebsarten sollte wie geplant bis 2025 auslaufen, für Plug-in-Hybride sofort (PHEV). Das Gutachten liegt nun Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger vor.

Damit die BEV einen "entscheidenden Durchbruch" erleben, müssten die CO2-Preise erheblich erhöht und gleichzeitig die Stromsteuer gesenkt oder abgeschafft werden, erläutert Prof. Dr. Holger Bonin von der Universität Kassel und Mitglied der Expertenkommission. So könne es gelingen, umweltfreundliche Fahrzeuge in puncto Nutzungskosten attraktiver als solche mit konventionellem Verbrennungsmotor zu machen, ohne die Gesamtkostenbelastung für die Autofahrerinnen und -fahrer dramatisch zu erhöhen. Zudem sollte die Bundesregierung den Ausbau der Ladeinfrastruktur weiter fördert und sich für transparente Preisstrukturen an den Ladesäulen einsetzen.

Bei Brennstoffzellenfahrzeugen und Fahrzeugen, die mit synthetischen Kraftstoffen angetrieben werden, würde eine solche Rechnung mittelfristig nicht aufgehen, heißt es in dem Jahresgutachten (PDF). Das gelte selbst bei einem verursachungsgerechten CO2-Preis von etwa 215 Euro/t und weiteren technologischen Verbesserungen. Solche Fahrzeuge benötigten noch weitere Entwicklung und kommen für die Expertenkommission in diesem Segment bis vorerst nicht in Betracht.

Das Kaufprämiensystem für alternative Antriebsarten sollte nach Auffassung der Expertenkommission wie geplant bis 2025 auslaufen. Ein stärkerer Anreiz, sich ein BEV zu kaufen, könne entstehen, wenn CO2 höher bepreist werde. Plug-in-Hybride sollten umgehend von Kaufprämien ausgeschlossen werden, da sie in den Umweltbilanzen deutlich schlechter abschneiden als BEV.

Die Bundesregierung fördere den Kauf eines BEV mit bis zu 9000 Euro sowie mit einem Erlass der Kfz-Steuer über zehn Jahre im Gesamtwert von bis zu 3000 Euro, rechnet die EFI vor. Bei einer Einsparung von rund 20 Tonnen CO2 über den Lebenszyklus eines Fahrzeugs der Kompaktklasse kostet die Minderung einer Tonne den Staat somit bis zu 600 Euro je Tonne CO2-Äquivalent. Die tatsächlichen Vermeidungskosten würden also deutlich übertroffen.

Dennoch kann es Gründe geben, die eine Anschubfinanzierung rechtfertigen, meint die Expertenkommission. "Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sind neue Produkte, bei denen noch mit Kostendegressionen durch Lern- und Skaleneffekte zu rechnen ist, die der Markt nur unvollständig belohnt."

Zudem könnten Kaufprämien direkte und indirekte Netzwerkeffekte anstoßen und das Henne-Ei-Problem auflösen helfen, das darin besteht, dass sich Ladestationen bei zu wenig E-Autos nicht lohnen und umgekehrt E-Autos nur attraktiv sein können, wenn die Infrastruktur passt. "Der Netzausbau für private Anbieter von Ladestationen lohnt sich umso mehr, je mehr Fahrzeuge mit entsprechenden alternativen Antrieben unterwegs sind", schreibt die Kommission.

Allerdings wirke sich die Kaufprämie im Gegensatz zu einem CO₂-Preis nicht auf emissionsintensive Fahrweisen aus. Auch gebe es Mitnahmeeffekte, es sei zu beobachten, dass die Kaufprämie überproportional für PHEV und relativ schwere verbrauchs- und somit emissionsintensive Fahrzeuge beansprucht werde.

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Allerdings zeige sich, dass Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in der Herstellung und Entsorgung der Fahrzeuge deutlich mehr Treibhausgas(THG)Emissionen erzeugen als Verbrenner. Die THG-Emissionen in der Herstellung könnten sich bis 2030 leicht verringern, allerdings bei benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen wegen der angenommenen Umstellung auf Hybridantriebe 2030 höher als 2020 ausfallen. Bei BEV sinken die Emissionen voraussichtlich durch verbesserte Herstellungsverfahren bis 2030. Diese Reduktion werde jedoch durch die größeren Batteriekapazitäten weitestgehend wieder aufgezehrt.

Gegenüber dem Ausland sei die deutsche Automobilindustrie in Forschung und Entwicklung zu alternativer Antriebstechnik gut aufgestellt, heißt es in dem EFI-Jahresgutachten. Deutschland führe das Feld bei den Patentanmeldungen zusammen mit Japan an. Die Marktdurchdringung von alternativen Antrieben nehme in Deutschland zwar zu, sei aber vom Spitzenreiter Norwegen noch sehr weit entfernt. Auch sei Deutschland stark bei Patentanmeldungen im Bereich der Assistenztechnologien.

Dagegen hätten sich beim autonomen Fahren die USA weit von Deutschland abgesetzt. Dabei habe autonomes Fahren das Potenzial, auf der Fahrzeugebene und auch bei der Bündelung von Verkehren zur Verringerung von Emissionen beizutragen.

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Audi Q4 e-tron

(Daten, Stand: 25.10.23)


Spitzenleistung 210 - 250 kW

Batteriekapazität brutto/netto 82/76,6 kWh

max. AC-Ladeleistung 11 kW

max. DC-Ladeleistung  175 kW


Reichweite (WLTP)  450 bis 562 km


Stromverbrauch (WLTP kombiniert)  15,6 bis 19,4


Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h


Kofferraumvolumen: 520 - 1490 Liter


Grundpreis (brutto, Stand: 27.10.23): ab 52.950 Euro
(Bild: Audi )

Das Jahresgutachten der EFI behandelt noch einige weitere Themenfelder wie Forschung und Entwicklung, Klimapolitik, Plattformökonomie und die digitale Transformation im Gesundheitswesen. Der Teil zum motorisierten Individualverkehr entstand vor dem Hintergrund, dass laut dem Bundes-Klimaschutzgesetz die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor kontinuierlich zu reduzieren und bis 2045 auf null zu bringen sein. Auf den motorisierten Individualverkehr entfallen rund 70 Prozent der zurückgelegten Personenkilometer.

In der EFI sitzen unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Uwe Cantner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena Prof. Dr. Irene Bertschek vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim, Prof. Dr. Carolin Häussler (Universität Passau), Prof. Dr. Katharina Hölzle (Universität Potsdam) und Prof. Dr. Till Requate von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

(anw)